Praktikum in Walsrode

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Ela'chen

Guest
Auf vielfachen Wunsch bericht ich jetzt ein bischen von meinem Praktikum 2001 in Walsrode. Den Text hatte ich schon mal vorfabriziert, will ihn irgendwann auch so auf die HP stellen. Deshalb wäre Rückmeldung nicht schlecht :-)
Doch genug gequatscht, fangen wir an:

Vogelpark Walsrode, Juli bis August 2001, Klein-Daniela 900 km von zu Hause weg und ganz allein. Nein, nicht ganz allein; denn kann man bei sovielen Vögeln wirklich einsam sein?
 
Futterzubereitung

In der großen Futterküche bereiten morgens ab 6:30 Tierpfleger aller Abteilungen sowie gegebenenfalls Aushil-fen, das Futter für die Tiere vor. Ziemlich wichtig bei so vielen helfen Händen: die Beachtung der Hygienestan-dards. Konkret heißt das z. B., dass man sich die Hände wäscht, bevor man anfängt zu arbeiten. Nach jedem Toilettenbesuch werden die Hände mit einem milden Desinfektionsmittel gewaschen; denn Fäkalkeime am Fut-ter der Tiere können gesundheitsgefährdend sein.

Man unterscheidet Vögel, und auch Tiere allgemein, nach der Art ihres Fressverhaltens. Grob wird unterschei-den nach Herbivoren (Pflanzenfressern), Karnivoren (Fleischfressern) und Omnivoren (Allesfressern). Diese Unterteilung ist aber für die praktische Arbeit in einem Zoo zu grob. Deshalb unterteilt man die Tiere weiter in Fructivoren, Insectivoren, Körnerfresser, Fisch- od. Fleischesser,...
Für jede Gruppe braucht man spezielles Futter. Zudem muss die Größe der Tiere beachtet werden


http://daniela-walch.bei.t-online.de/Grafiken/walsrode/futterkueche.JPG
Bild: Tierpfleger mischen das Futter in großen Schüsseln an

http://daniela-walch.bei.t-online.de/Grafiken/walsrode/futterkueche2.JPG
Aus der anderen Perspektive erkennt man die roten Silos, in denen die Körner aufbewahrt werden
 
Praktische Beispiele:

Für die Obstfresser wird morgens Obst geschnipselt. Dabei gibt es zwei Größen: grob und fein. Das Obst schnei-det man aus folgendem Grund klein. Die meisten Vögel, für die es gedacht sind, nehmen in ihrer tropischen Heimat Beeren zu sich. Würde man ihnen einen Apfel oder sonstiges Obst hinlegen, würden sie vor „gedeckten Tellern“ verhungern, da solch ein Essen nicht ihr Fressschema passt. Deshalb schneidet man die Früchte auf die passende Größe zurecht. Dabei wird alles verwertet, was die Saison oder Supermärkte hergeben: Ananas, Apfel, Weintrauben, Orangen, Bananen, Kiwis usw.

Für die Fleischfresser werden hauptsächlich Küken verwendet, aber auch Ratten und Vögel die im Park gestor-ben sind. Die (männlichen) Küken stammen aus der Hühnerproduktion, es sind aussortierte sog. Eintagsküken. Je nach Konsument werden die Küken verarbeitet. Eulen z. B. können die Küken im Ganzen verdauen. Das Fell wird als sogenanntes Gewölle wieder ausgewürgt. Andere Vögel können die Federn nicht verdauen oder aus-würgen, z. B. weil ihre Nahrung ansonsten hauptsächlich aus Eidechsen oder Schlangen besteht. Für diese Vögel wird die Haut der Küken abgezogen. Ein Teil der Küken wird verkleinert und durch den Fleischwolf gedreht. Die entstehende Fleischpampe wird einigen Arten untergemischt.

http://daniela-walch.bei.t-online.de/Grafiken/walsrode/totekueken.JPG
Eklig, aber notwendig: Tote Kueken warten auf ihre "Verarbeitung". Aushilfen und Praktikanten wie ich werden nicht gezwungen, die Küken zu zerschneiden, ich durfte das Obst schnippeln. Es war wirklich eklig, die Verarbeitung der Küken mit anzusehen; aber das ist die Natur.
 
Einrichtung von Gehegen

Die Einrichtung der Gehege soll am Beispiel des Lori-Atriums erklärt werden. Im Lori-Atrium sind Loris und einige Sittiche untergebracht.

Die Gehege bestehen aus zwei Teilen. Der Boden unter den Futter- und Wasserstellen und den Höhlen besteht aus blankem Beton mit einem Abflussrohr. So kann dieser Teil leicht saubergehalten und einmal in der Woche desinfiziert werden. Das ist wichtig bei einer Futterstelle.

Der andere Teil ist den Besuchern zugewandt. Der Bodenbelag besteht bei den Loris aus Kieselsteinen, bei den Sittichen aus Sand. Dieser Unterschied liegt in den Ausscheidungen der Tiere begründet. Loris haben einen sehr dünnflüssigen Kot, der aus ihrer flüssigen Nahrung (Lori-Suppe) resultiert. Diese Ausscheidungen können mor-gens einfach mit einem Wasserschlauch von den Steinen gespritzt werden. Sittiche haben dagegen einen mehr oder wenigen festen Kot. Ihre Ausscheidungen verbinden sich mit dem Sand zu festen Klumpen, der weggeharkt wird.

In den Gehegen sind Kletterbäume und Sitzstangen vorhanden. Jede Woche werden zudem frische Zweige von Birken, Eichen oder anderen Bäumen in speziellen Halterungen befestigt. Die kleinen Papageien haben so neue Klettermöglichkeiten und sie genießen es, die Blätter abzuknabbern.

http://daniela-walch.bei.t-online.de/Grafiken/walsrode/lorigehege.JPG
Aufgrund seines dünflüssigen Fäzes ist der Boden der Lo-rigehege mit einfach sauber zu haltenden Steinen belegt

Die Loris im Park waren nicht nur ohrenbetäubend laut, sondern meist auch sehr frech und vorwitzig. Dieser hier schien mich immer von der Arbeit abhalten zu wollen - oder sich sehr für Putzmittel zu interessieren *g*

http://daniela-walch.bei.t-online.de/Grafiken/walsrode/erzlori.JPG
Und dieser Erzlori war auch so ein Spezialist. Zuerst hatte ich Angst vor ihm, da er immer nach mir geschnappt hat. Einmal hatte ich nicht aufgepasst, und er hat in meinen Finger gebissen. Ich bin total erschrocken und wollt ihm den Finger entreissen --- den Rest kann sich jeder Lorihalter wahrscheinlich denken ... Der Erzlori hat sich total verbissen gehabt; aua aua aua. Nachher hat mir Tierpfleger Frank aber erklärt, dass Loris gerne mit der Zunge befühlen, und er nur aus Schreck zugebissen hat. Es hat mich am nächsten Tag einiges an Überwindung gekostet - vor allem nach der schmerzhaften Erfahrung - aber ich hab ihm meinen Finger zum "Ablecken" hingehalten. Und seitdem mag ich Loris!!! Und hab mich schon jeden Tag dieser Woche auf den Besuch in diesem Gehege gefreut! :-)
 
Jungvögel

5. Künstliche Aufzucht

5.1 Sinn und Zweck der künstlichen Aufzucht

Es gibt mehrere Gründe, Jungvögel künstlich aufzuziehen. Manche Vogeleltern brüten sehr unzuverlässig. In einem solchen Fall kommen die Eier des Paares in eine Brutmaschine. Wenn anzunehmen ist, dass sich die El-tern zuverlässig um die Brut kümmern, werden ihnen die ausgeschlüpften Jungvögel wieder untergelegt. Aber manche Vögel sind nicht in der Lage, sich selber um ihren Nachwuchs zu kümmern; würden ihn hungern lassen, piesacken oder im Extremfall totbeissen. Mit solchen Reaktionen muss gerade in einem Zoo immer gerechnet werden. Manchmal hat das Jungtier Glück und bekommt liebevolle Pflegeeltern. So zieht im Vogelpark Walsro-de ein Weißstorchpaar einen jungen Klunkerkranich auf. Dieser wird bald größer als seine Zieheltern sein, was diese aber nicht stört. Und für ein kleines Mandschurenkranichjunges fand sich gleich im Nachbargehege Adop-tiveltern. Die dort lebenden Kronenkraniche gelten als sehr zuverlässige und liebevolle Eltern, die jedes Jahr erfolgreich eine Brut aufziehen. Dieses Jahr hatten sie aber nur unbefruchtete Eier gelegt. So kümmern sie sich nun um den kleinen Mandschurenkranich. Von den Besuchern übrigens fast unbemerkt, denn alle Kranichjungen sehen sich in ihren braunen Daunenkleidern mehr oder weniger zum Verwechseln ähnlich.

Doch oft sind solche glücklichen Zufälle nicht. In diesen Fällen bemüht man sich um die Jungvögel in der Auf-zuchtstation. Im Vogelpark Walsrode gibt es gleich drei dieser Stationen. Die gläserne Aufzucht, die Auf-zuchtstation und der „Kindergarten“ für die größeren Jungvögel.

Aufgezogen werden auch solche Tiere, die besonders wertvoll oder selten sind. Hier möchte man von vorneher-ein das Risiko eines Brutfehlschlages verringern. Dies ist für mich in gewissen Situationen einsehbar. Ein Bei-spiel: Im Park lebt ein Pärchen der extrem seltenen Soccoro-Tauben, von denen es weltweit nur noch 14 Vögel gibt. Würde dieses Paar ein Ei legen, wäre es unverantwortlich, das Jungtier nicht von Hand zuverlässigst groß-zuziehen. Die ökologische Vielfalt der bedrohten Art hängt in solchen Fällen von jedem neuen Vogel ab. Aber ich finde es bedenklich und zumindest diskussionswürdig, wenn man Brutpaaren Eier zur künstlichen Aufzucht wegnimmt, nur weil die Vögel sehr viel wert sind. Mir ist jedoch klar, dass auch ein Zoo sein Kapital nicht ver-nachlässigen kann, und das sind nun einmal die Tiere. Ebenfalls umstritten ist die Handaufzucht zu dem Zweck, den Vogel handzahm zu machen. Diese Praxis wird heute aber aufs Schärfste verurteilt.

5.2 Jungvögel im Vogelpark Walsrode

In der neugegründeten „gläsernen Aufzucht“ können die Besucher, nur durch eine Glasscheibe von den Tieren getrennt, den Prozess des Aufwachsens hautnah miterleben. Hier werden vor allem stabile, unproblematische Tiere aufgezogen. Zum Zeitpunkt meines Aufenthaltes wurden hier, neben verschiedenen Wachtel- und Hühner-küken, auch Amazonen, ein Ara, ein Malaienkauz und ein männlicher Andenkondor aufgezogen.

In der Aufzuchtstation hinter den Kulissen dagegen muss in Einzelfällen hart um die kleinen Vögelchen ge-kämpft werden. Den Besuchern kaum zumutbar sterben immer wieder Jungtiere oder müssen sogar eingeschlä-fert werden. Auch um die seltenen und wertvollen Tiere kümmert man sich lieber Backstage. Im August waren dies unter anderem ein Junges des extrem seltenen Kagus, Bali-Stare, ein Paradiesvogel und ein kleiner Klaff-schnabelstorch. Ebenfalls in dieser Aufzuchtstation waren Tiere, die der Vogelpark Walsrode geradezu in Mas-sen heraufzieht – übrigens einmalig in dieser Form. Dabei handelt es sich um Rosa Löffler und Rote Sichler.

Sind die Jungtiere größer geworden und benötigen nicht mehr der dauerhaften Hilfe des Menschen, kommen sie in einen eigenen Gehegetrakt (hinter den Kulissen), bis sie in den Park integriert oder verkauft werden können. Hier saßen, als ich Praktikantin im Park war, u. a. Entenküken, Rosa Löffler und Rote Sichler, kleine Mandschu-renkraniche und ein Jungtier des sehr seltenen Mähnen-Ibisses. Dieses Jungtier ist Teil eines Projektes (siehe 1.3), bei dem Biologe Bernd Marcordes auch die Eltern des Ibisses aus Madagaskar in den Park überführte. Zu Ehren des Biologen bekam der Kleine den Namen „Bernd“.
 
und jetzt die Bilder

http://daniela-walch.bei.t-online.de/Grafiken/walsrode/aramacaoklein.JPG
Ara macao in der gläsernen Aufzuchtstation. Er schiebt gerade Federn. Doch noch besteht er größtenteils aus flauschigen Dunen.
Süß, oder??? *seufz*


http://daniela-walch.bei.t-online.de/Grafiken/walsrode/kagu.JPG
Der Kagu ist extrem selten, deshalb wird das Jungtier dieses Vogels auch in der Aufzuchtstation aufgezo-gen. Das Foto zeigt einen adulten Kagu.

http://daniela-walch.bei.t-online.de/Grafiken/walsrode/Mandschurenkranich.JPG
In die Kranichjungen hab ich mich total verliebt! In jeder Lebensphase einfach lieb und nett anzusehen.
Es gibt auch richtig unangenehme Jungvögel. Z.B. die Rosa Löffler stinkend, quäkend und laut. Trotzdem auch sehr interessant.

Info: Der kleine Mandschurenkranich hat sich prächtig entwickelt und ist in das Gebäude für größere Jungtiere umgezogen.

Nebendran wohnt sein Bruder (nicht im Bild), der etwas grö-ßer und kräftiger ist. Sie kön-nen sich zwar sehen, sind aber voneinander getrennt. Wie in der freien Wildbahn würde auch hier im Park der größere den kleineren tothacken, wenn er eine Gelegenheit dazu bekä-me.

Der Kranich legt meist zwei Eier. Man nimmt an, als Versi-cherung , sollte eines nicht zum Schlupfe kommen. Denn zwei Junge bekommt er nicht satt und aufgezogen. Deshalb ist eines stets größer und beißt gleich nach dem Schlupf den anderen tot. So ist die Aufzucht des stärksten Junges gesichert, sicherlich auch ein Evolutions-faktor.


http://daniela-walch.bei.t-online.de/Grafiken/walsrode/silberklaffschnabel.JPG
Jungvogel des Silberklaffschnabels.
 
Flugshow!! zuerst Text

6. Flugshow und Training mit Greifvögeln

Für eine Woche erhielt ich Gelegenheit, hinter die Kulissen der Flugshow zu blicken und auch mit Greifvögeln zu trainieren. Dabei durfte ich auch bei der Show mitwirken und bekam einen Einblick in den Trainingsablauf der Tiere, von den ersten Schritten bis zum Starauftritt.

6.1 Flugshow und was dazugehört

Die Flugshow zeigt in erster Linie Greifvögel, wie Wüstenbussarde, Lannerfalke oder Sekretär. Es werden aber auch andere Tiere vorgestellt. Dass Pelikane auch fliegen können glauben manche erst, wenn sie es sehen. Eben-falls gezeigt wird die Intelligenz der Rotschnabelkitta, der Elster Asiens. Für einen Mehlwurm tanzt diese Kitta fünf Kindern, die in Reih und Glied aufgestellt werden, munter auf den Köpfen herum. Nach ihrem Auftritt folg-te dann immer der Andenkondor Luzie als Abschluss der Flugshow. Andenkondore sind Aasfresser, und so durfte Else, das ist der Name der Kitta, immer noch ein Weilchen draußen herumfliegen. Es gehörte mit zu mei-nen Aufgaben, Else nach Beendigung der Show wieder einzufangen. Das ist in Anbetracht der Schlauheit dieser Vogelart gar nicht so einfach.

Die ersten zwei Tage schaute ich den drei Falknern Thomas, German und Corinna von den Besucherbänken aus zu und lernte den groben Ablauf der Show kennen. Doch dann wurde ich voll integriert. Die Falkner zeigten zwei Flugshows am Tag. Meistens wurden jeweils zwischen fünf und sechs Tiere geflogen. Ich half mit die Vögel von ihren Gehegen zum Anbindeplatz hinter die Bühne zu bringen; und nach Beendigung der Show wie-der zurück. Jedes Tier hat hinter der Bühne seinen angestammten Platz, wo es angebunden wird. Die Planung der Choreographie der Auftritte ist sehr wichtig. Man muss immer erst ein Tier wieder angebunden haben, bevor man das nächste fliegen lassen darf. Es kann z. B. passieren, dass die Tiere in Revierstreitigkeiten ausbrechen; oder ein Vogel in das Beuteschema eines anderen passt.

Die Tiere haben um die Beine dünne Lederbändchen, die „Geschüh“ genannt werden. Der Falkner hat an der linken Hand einen Handschuh an, an dem eine Kette mit einem Riemen befestigt ist. Gut trainierte Vögel kom-men auf Zuruf auf den Handschuh. Jüngere Tiere muss man animieren, zu einem auf dem Handschuh zu kom-men, z. B. mit einem lecker Küken. Zeigt der Vogel daran kein Interesse, geht man zu ihm hin und hält den Handschuh vor die Beine. Dann stupst man leicht mit dem Handschuh gegen die Brustregion (je nachdem von vorne oder auch von hinten, beides ist möglich); und der Vogel wird automatisch auf den Handschuh aufsteigen. Sitzt der Vogel, so ist man bestrebt, die Hand waagrecht zu halten, wie etwa beim Reiten. Das Geschüh wird von hinten ergriffen (das gibt Sicherheit vor den scharfen Greiffüssen) und im Idealfall zwischen Daumen und Zeige-finger durchgeführt, so dass man die Bändchen mit dem Daumen festhalten kann. Mit der freien rechten Hand befestigt man die Lederbändchen an der Riemenkette des Handschuhs. Jetzt hat man den Vogel sicher befestigt. Wichtig ist das Geschüh so locker zu lassen, dass der Vogel entspannt sitzen kann. Aber man darf auch nicht zu locker lassen, denn dann steigt das Verletzungsrisiko im Falle des Springens des Vogels.

Wenn der Vogel springt, so bedeutet das, das er versucht wegzufliegen. Da er angebunden ist, ist sein Versuch ergebnislos, und der Vogel wird unter dem Handschuh hängen. Wenn der Vogel es nicht schafft, sich aus eigener Kraft wieder auf den Handschuh zu setzen, muss man ihn darin unterstützen. Hat man den Vogel nun zu locker gehalten, so hat er die Möglichkeit, mit seinen Füßen um sich zu schlagen – und im Normalfall wird der Vogel dies auch tun. Es ist nicht ratsam, in Kontakt mit den Fängen eines Greifvogels zu kommen.

Immer wieder wurde von Besuchern gefragt, ob die Tiere denn nicht das Bedürfnis hätten, einfach wegzufliegen. Ganz auszuschließen ist es sicherlich nie. German antwortete dann immer, dass das Tier jeden Tag vor der Wahl steht „flieg ich weg oder bleib ich hier.“ Ich selber habe den Erstflug eines Jungvogels miterlebt; und wie ge-spannt die Falkner waren, wie sich der Vogel entscheidet. Doch das Training war erfolgreich, und der Vogel kam wieder zurück. Es gab auch zwei Shows, in denen Tiere auf einmal aus dem Flugprogramm ausbrachen, und später wieder zurückkehrten. In einem Fall platzte das Tier in die Vorführung eines anderen Vogels und landete auf der ungeschützten rechten Hand des Falkners. In so einem Fall heißt es für den Falkner die Zähne zusammenbeissen, das Tier festheben und schnell hinter die Bühne bringen.

Je nach Wegflug-Wahrscheinlichkeit bekommen die Tiere Sachen an ihr Geschüh gehängt. Fast alle haben klei-ne Glöckchen. Wenn der Vogel in einem Baum sitzt, und man ihn nicht sieht, dann kann man ihn wenigstens hören. Stufe zwei ist dann Glöckchen plus Adresstäfelchen mit der Telefonnummer des Vogelparks. Verirrt sich das Tier und landet auf einer Grillparty, so kann man den Park anrufen, und die Falkner kommen und holen das Tier dann wieder von der Bratwurst runter . Die letzte Sicherheitsstufe besteht in einem Minipeilsender, mit dem das Tier dann geortet werden kann.

6.2 Training von Greifvögeln

Da die Flugshow im Vogelpark Walsrode erst seit Februar läuft, sind viele der eingesetzten Vögel noch relativ jung. Insgesamt hat die Falknerabteilung 23 Vögel, von denen aber noch nicht alle einsatzbereit sind. Mit diesen muss noch intensiv trainiert werden. Man arbeitet mit den Tieren zwar nicht sofort nach dem Schlüpfen, aber doch in einem sehr jungen Alter. Der Grund ist einfach. Es ist fast unmöglich, ein ausgewachsenes Tier dazu zu bekommen, für sein Futter das zu machen, was der Tierpfleger gerne von ihm hätte. Corinna drückte das immer treffend so aus: „... da denkt sich der Vogel doch, was soll’n das? Jahrelang ging’s so, und jetzt soll ich hier den Hampelmann machen?“

Die Jungvögel gewöhnen sich erst mal an den Menschen. Sie werden jeden Tag von Hand gefüttert. Das Ziel besteht darin, das sie herfliegen und sich das Futter selber vom Handschuh holen. Aber bis es soweit ist, braucht es viel Geduld. In meiner Praktikumszeit durfte ich mit Schneeeulen trainieren. Bei Eulen dauert das Training generell etwas länger. Das Weibchen Hedwig erzielte gute Fortschritte, aber ihr Bruder Ole kapierte es nicht, auf den Handschuh zu klettern. Er saß nur auf der Erde und fiepte, kam aber nicht näher, um sich das Küken zu holen. Hedwig aber lernte auf einen Block zu springen, auf dem meine Hand lag, in der das Küken war. War sie dann erst einmal oben, fütterte ich sie vor lauter Begeisterung gleich satt. So lernte sie aber, dass der Handschuh „gut“ und „essen“ bedeutet. Am Freitag dann blieb sie auf meinem Handschuh sitzen, auch nachdem sie satt war. Sie hatte begriffen, dass dieser Ort „gut“ ist.

Eine weitere Trainingseinheit besteht im Gewöhnen an das Herumtragen. Für das Tier ist es gar nicht so einfach, wie es sich vielleicht anhört. Es muss lernen, das Gewackel auszugleichen. Es muss lernen, ruhig und gelassen sitzenzubleiben. Und es muss lernen, nicht vom Handschuh springen zu wollen. In diesem Fall wird es unter dem Handschuh hängen. Gemeinsam mit Corinna trug ich jeden Tag die Schnee-Eulen ab. Nicht nur für die beiden Eulen, sondern auch für mich war das nicht einfach, denn so eine Schnee-Eule ist nicht leicht. Ole wog 1,3 Kilo und Hedwig 1,6 Kilo. Und das trägt man auf einer Hand! Wenn der Vogel springt und nach unten wegzieht mit aller Kraft, muss man diese erhöhte Kraft auffangen und darf nicht nachgeben.

Hedwig und Ole waren zwar schon relativ relaxed auf dem Handschuh, aber die Sache mit dem Sitzenbleiben hatten sie noch nicht so ganz kapiert. Sie schafften es auch meistens nicht, von selber wieder auf den Handschuh zu kommen. Dann muss man warten bis sie aufgehört haben, mit den Flügeln zu schlagen. Ist das Tier dann ruhig, greift man mit der rechten Hand an die Brustregion, unterstützt mit zwei Fingern den Kehlbereich (nicht Hals!) und setzt den Vogel wieder nach oben. Wie schon erwähnt muss man dabei aufpassen, dass man nicht mit der Hand in die Nähe der Fänge gerät.

Wenn die Vögel auch diesen Lernprozess gemeistert haben, so werden sie mit allem vertraut gemacht, was der Park zu bieten hat: Elektrofahrzeuge, andere Vögel, Besucher, Fotoapparate... Man nennt das „abtragen“ und es fördert die Nervenstärke des Vogels. Eine Nervenstärke, die er bei der Show braucht; denn ein in Panik gerate-nes Tier ist erstens unberechenbar und zweitens untragbar.

Ich trug jeden Tag Pitty und Paule ab. Pitty ist ein Turmfalke, und Paule ein Malaienkauz. Dabei musste ich mich bemühen, den beiden Kleinen zwar genügend Anregungen zu geben. Aber den Stress auch nicht zu groß werden zu lassen. Man muss den Vogel gut beobachten, um dann auch rechtzeitig wieder in den Schutz des vertrauten Geheges zurückbringen zu können, bevor die Aufregung zu groß wird. Aber im Allgemeinen kamen sie mit den Eindrücken gut klar, Jungtiere sind ja immer neugierig.
 
foto greifvögel

http://daniela-walch.bei.t-online.de/Grafiken/walsrode/pitty.JPG
Das ist der kleine Pitty. 800 Gramm leicht und soooo goldig. Ein ganz lieber. Mit ihm bin ich jeden Tag eine Stunde durch den Park gelaufen. Mit Pitty unterwegs zu sein hat super Spaß gemacht. Und zu laufen bevor die Besucher kamen und sich alles in Ruhe anzuschauen hat noch mehr Spaß gemacht!


http://daniela-walch.bei.t-online.de/Grafiken/walsrode/turmfalke.JPG
Pitty demonstriert, wie ein guter Greifvogel auf dem Handschuh sitzt: locker aber konzentriert. Man er-kennt den Haken der das Geschüh festhält. Ich hebe ihn zwischen Daumen und Zeigefinger. Am Haken ist auch das Sicherungseil, welches fest am Handschuh befestigt ist.
Ist dieser Vogel nicht einfach liebenswert? Pitty ist übrigens ein Turmfalke, ich weiß nicht, ob ich's schon erwähnt habe...


http://daniela-walch.bei.t-online.de/Grafiken/walsrode/Paule.JPG
So, und das ist Paule. Ein Malaienkauz. Er war schwerer wie Pitty, über ein Kilo auf jeden Fall, aber wieviel genau weiß ich leider nicht mehr. Paule führte ich während der Besucherzeit spazieren. Das gab jedesmal einen Menschenauflauf. Manchmal waren die Leute so dicht, dass wir kaum durchkamen. Eine schwierige Situation. Wenn zuviele Menschen zu dicht an Paule waren, bekam er leicht Angst. Ich merkte das dann immer, versuchte ihn zu beruhigen. Wenn gar nichts mehr half, sprang er.

Die Leute vor allem: Also, man hat wieder einen Menschenauflauf verursacht, alle gebeten, in Entfernung zu stehen; beantwortet Fragen von einigen Leuten, posiert für Fotos usw. Das macht ja auch Spaß. Leider ist es mehr als einmal vorgekommen, dass sich Menschen von hinten oder der Seite angeschlichen haben, um den Vogel zu streicheln! Ich dachte dann immer, es darf nicht wahr sein! Das ist ein Greifvogel! Ein Raubtier! Und ein Falkner trägt auch nicht umsonst Handschuh! Unfassbar! Ohne zu Fragen ein fremdes Wildtier zu betatschen. Ich weiß nicht, haltet ihr das für normal? Erstens kann man fragen (die Antwort lautet zwar NEIN), und dann fasst man ein Wildtier nicht einfach so von hinten an. Paule hätte sich ganz schnell bedroht fühlen können und zubeissen können! Und dann aber gute Nacht, marie...
Ich hatte mich echt so aufgeregt!
 
noch mehr fotos

http://daniela-walch.bei.t-online.de/Grafiken/walsrode/hedwig.jpg
Das ist Hedwig, die Schneeeule. Ich fand, dass Schneeeulen zwar dumm wie Brot, aber dafür auch äußerst líebenswert waren. So ein Tier lehrt einen Geduld und Rücksichtnahme.
3,8 Kilo auf einem Arm spazierenzutragen eine halbe Stunde lang, und wenn sie springt noch mehr, weil dann die Kraft nach unten zieht. Der Wahnsinn.

Aber ein äußerst imposantes Tier, und obwohl ich ihr Gewicht verflucht habe, hab ich jede Sekunde der Arbeit auch genossen.

:-)

http://daniela-walch.bei.t-online.de/Grafiken/walsrode/kole_in_baum.JPG
Das ist Columbus, ein Ara Macao wie vermutlich jeder sehen kann, beim Ausflug in eine Eiche.
Papageien sind einfach das Größte! Und Kolumbus war der Beste! Ein Jugendfoto von ihm ist übrigens mal in einem Herz für Tiere zu finden gewesen.



http://daniela-walch.bei.t-online.de/Grafiken/walsrode/andenkondor.JPG
Und hier kommt Andenkondor Luzie.
Zu Luzie gibt es übrigens eine lustige Geschichte.

Also, wie jeder weiß sind Andenkondore ja Aasfresser. Luzie ist nicht wirklich gefährlich, aber noch jung und leicht abzulenken. Wenn die Show vorbei war, wurde sie darum auch ganz schnell in ihren Käfig hinter den Kulissen gebracht. Ich musste mich dann immer aus Sichtweite hinter einem Baum stellen, damit sie mich nicht sieht, mir hinterher läuft und nicht in den Käfig geht.
Nun, German war damit beschäftigt, Luzie von der Wiese zu holen; Thomas ging hinter die Kulissen um irgendwas zu putzen oder so. Thomas bemerkte, dass Luzie im Anmarsch ist, versteckte sich und rief mir zu, dass gleiche zu machen. Wir erwarteten also, dass Luzie durch das Törchen käme. Stattdessen kommt da eine Dame mittleren Alters, die hinter Thomas herlief, um ihn etwas zu fragen. Thomas schiesst vor, greift die Frau bei der Hand und rief "Schnell, verstecken, der Andenkondor kommt". Die Frau bekam einen Mordsschrecken, versteckte sich mit Thomas hinter einem Gebüsch, denn da kam auch schon Luzie. Thomas erzählte der, dass Luzie gerne auf fremde Leute losginge - und die Frau verging fast vor Schreck und klammerte sich in namenslosen Schrecken an Thomas fest. Ich fiel vor Lachen beinah von der Treppenstiege, auf der ich mich gestellt hatte.
 
Sekretär

Ein Tier, welches mir auch sehr gefallen hatte, war der Sekretär. Das Bewegungsmuster dieser Tiere ist einfach unglaublich. Sollte jeder mal gesehen haben!

7.3 Ein Sekretär macht Beute

Auch der Sekretär gehört zu den Greifvögeln, obwohl die meisten Leute ihn aufgrund seiner langen Beine wohl eher in die Nähe der Störche stecken würden. Die Lieblingsspeise des afrikanischen Sekretärs sind Schlangen. Der Sekretär hat einen unglaublichen Drang auf alles draufzutreten was sich bewegt. So wird die Schlange mit kräftigen Fußtritten zu Tode geschlagen. Dabei bewegt der Sekretär seine Flügel rechts und links über die Schlange, um sie abzulenken. Wenn die Schlange dann tot ist, würgt sie der Jäger runter.

Auch ein Sekretär ist nicht immun gegen Schlangengift. Deshalb hat er aus Schutz vor Schlangenbissen lange Beine. Die Beine sind unbefiedert und mit dichten Schuppen besetzt.

Sekretäre sind gute Renner. Locker können sie 30 km/h erreichen. Sie können fliegen, auch wenn sie nur selten davon Gebrauch machen. Aber ihr Nest bauen sie auf hohen Bäumen – das gibt Schutz vor Feinden.


http://daniela-walch.bei.t-online.de/Grafiken/walsrode/sekretaer_beine.JPG
Dieser Sekretär heißt Socke, weil es beinah so aussieht als trage er welche. In Wirklichkeit sind es Hornschuppen, die vor Schlangenbissen schützen sollen


http://daniela-walch.bei.t-online.de/Grafiken/walsrode/sekretaer_schlange.JPG
Socke zeigt, wie ein Sekretär Beute macht:
zur Ablenkung mit den Flügeln schlagen und fest auf die Schlange treten. Die ist hier aus Stoff und wird von Falkner German bewegt.
 
Harris Hawks

So, zum Schluss meine Lieblingsbilder, einfach einmalig waren nämlich die Harris Hawks; und vor allem mein Liebling ZORRO! *schwärm_und_vermiss*

zuerst wieder ein bischen Info:
7.5 Harris Hawk’s – sozial auf der Jagd

Die Harris Hawk’s haben ein einmaliges soziales Jagdverhalten. Eine Jagd in Amerika, ihrem Verbreitungsge-biet, läuft in etwa so ab:

Irgendwo in einem Maisfeld sitzt die Beute, z. B. ein Hase. Ein Harris Hawk’s fliegt nun immer wieder knapp über das Maisfeld. Die anderen Bussarde postieren sich um das Feld. Dabei halten sie ständigen Kontakt durch Rufe.

Nervlich hält der Hase das nicht lange aus und rennt aus dem Feld raus. Darauf haben aber die Harris Hawk’s nur gewartet und der Hase wird geschlagen. Alle Jagdteilnehmer bekommen von der Beute ab.

In so einer sozialen Gruppe herrscht natürlich auch eine strenge Rangordnung. Dabei sind die Weibchen in der Regel höher eingestuft als die Männchen. Die Weibchen sind größer und stärker als die Männchen. Die Gruppe wird auch von einer Chefin angeführt.


und dann die Fotos:
http://daniela-walch.bei.t-online.de/Grafiken/walsrode/zorro_bock.JPG
Wüstenbussard Zorro wartet an-gebunden auf seinen Auftritt in der Show. Meine Aufgabe bestand darin, ihn auf Kommanda fliegen zu lassen und nachher wieder einzufangen, sprich herzulocken, und dann zu belohnen. Eine schöne Aufgabe!!


http://daniela-walch.bei.t-online.de/Grafiken/walsrode/zorro_wiese.JPG
Ein richtig edles Tier, so ein Wüstenbussard, oder? Jede Feder zeugt von Eleganz!!!!!!!!!!!
 
Ela,
das ist einfach super. Die Bilder und dein Bericht dazu! Vor allem der letzte! Ich könnt mich totlachen bei deiner Beschreibung. Das war bestimmt eine interessante Zeit. Beneidenswert!
So nun werde ich mir deine Berichte ausdrucken und ganz genüßlich nochmals durchlesen.
Danke:)
 
Hallo Ela !

Boah, wirklich sehr schöner Text !!!!!

Kann mir sehr gut vorstellen, das dir die Zeit deines Praktikums gefallen hat.

Und Greifvögel sind ja auch was feines :D ;)


PS: So schlecht finde ich dir Bilder gar nicht.....
 
Hi Ela
toller Bericht, gratuliere. Letztes Jahr war ich ja auch beim Forentreffen in Walsrode dabei und habe natürlich zweimal die Flugshow bewundert mit Socke, dem Lannerfalken, der Eule, den Harris Hawk's usw. Dein Bericht hat das nochmal so richtig in Erinnerung gerufen. Und die Bilder sind doch prima!
 
hallo!

tolle bilder - toller bericht! du hast bestimmt ne menge im park gelernt und ich beneide dich glühend!:D

wie bist du denn an die praktikumsstelle gekommen? so sehr viele praktikanten nehmen die da doch bestimmt nicht!
 
Danke

Danke für die Antworten.
Find ich schön, dass es euch allen gefallen hat.
:)

@Kuni - ich habe per e-mail und Telefon angefragt. Sie nehmen immer Praktikanten - aber nicht unter 4 Wochen. Ich hab dann 5 Wochen gemacht. Aber sie bezahlen kein Geld und Zimmer muss man sich alleine suchen, und Walsrode ist 900 km weit weg von mir; ich wohne in Karlsruhe; und nach den 5 Wochen war ich dann total pleite. Aber es hat sich gelohnt.

Also, wer auch ein Praktikum machen will: einfach nachfragen

Arbeitsbeginn war jeden Morgen um 6:30 Uhr! Aber nie zuvor und nie danach bin ich so gern so früh aufgestanden :)
 
hallo ela´chen

klasse bericht und klasse fotos. war sicher sehr interressant dort.. so ein praktikum würde mir auch mal gefallen :) ...nur wer verdient solange mein geld? :D

hast vielleicht noch paar mehr fotos??
wär schön.
 
Thema: Praktikum in Walsrode

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