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Detlev
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Moin, Moin,
also bis jetzt habe ich erst Fragmente zusammen, die einige wichtige Teilaspekte beleuchten - einiges scheint auch innerhalb der Biologie als Wissenschaft nicht gelöst zu sein.
Zunächst ein paar Zahlen, Grundlage ist: Luther, D. (1995): Die ausgestorbenen Vögel der Welt. Magdeburg 4. unveränderte Auflage der 3. Auflage von 1986
Das Buch ist zwar nicht mehr ganz aktuell (es sind weiter Arten ausgestorben, andere Arten werden als nicht mehr gültig aufgefasst, die Situation hat sich teilweise verschärft) aber es liefert interessante Zahlen, die sich zum Vergleich auf einer einheitlichen Grundlage anbieten. Von den seit dem Jahr 1600 ausgestorbenen 74 Vogelarten entfallen ganze 4 Arten auf die Paläarktis. Eine Karte der Bioregionen:
http://www.cicindela.com/zooreg.jpg
45 Arten entfallen auf ozeanische Inseln. Zwischen je 3 und 6 Arten auf die jeweils anderen Regionen der Erde. Nimmt man die Unterarten hinzu sieht es nicht wesentlich anders aus: von 135 Formen entfallen 76 auf die ozeanischen Inseln und 5 auf die Paläarktis. Aussterbensursache ist meist das Zusammenwirken mehrerer Faktoren, von denen der wichtigste die Besiedlung mit Menschen - mit anschließenden Habitatveränderungen (Rodungen, Aufbau von Landwirtschaft, zerschneiden von Vorkommen, Einbringen von Prädatoren, Jagt ...) ist. Vögel spielen dabei keine entscheidende Rolle und bei allen Arten die ich angesehen habe nicht mal als Ursache in Verdacht. Zu Inselvögeln unten etwas mehr.
Noch eine Zahl. Von den rund 450 Vogelarten die auf Sri Lanka - einem der Heimatländer der Halsbandsittiche - kommen 180 Arten auch in Europa vor. Andere Arten besitzen gleichwertige Entsprechungen. So sind in Europa wie auch in Sri Lanka die Brutzeiten der Spechte zeitlich von denen der Halsbandsittiche (und anderer Papageien) getrennt: Das bewirkt hier wie dort eine entscheidende Minderung der Konkurrenz um Nisthöhlen, wobei diese sowohl von Halsbandsitichen als auch von Spechten angelegt, gepflegt und genutzt werden.
Und noch eine weiter Zahl: die Zehnerregel. Grob gesagt schaffen von 100 Arten die dank dem Menschen fremde Gebiete erreichen 10 Arten eine dauerhafte Ansiedlung. Von diesen Zehn Arten besitzt eine ein Gefahrenpotential.
Machen wir noch mal einen Sprung: Bezzel nennt 4 mögliche konkrete Probleme mit Vogelneozoen:
1. direkte Aggression;
2. Überlegen Konkurrenz um Ressourcen;
3. Verbrauch von Ressourcen und damit Veränderungen oder Vernichtungen von Habitaten;
4. Hybridisierung mit heimischen Arten;
Fangen wir hinten an.
4. Bei Halsbandsittichen unmöglich, da es keine heimischen kreuzungsfähigen Arten gibt. (Immer wieder angeführtes Beispiel: Schwarzkopf vs Weißkopfruderente. Hierzu gibt es einen umfänglichen Expertenstreit - führt zu weit das hier zu bringen, derzeit scheint in GB ein umstritttenes Ausrottiungsprogramm anzulaufen).
3. Veränderungen oder Vernichtungen von Habitaten sind nicht zu bemessen, da die Habitate nicht natürlichen Ursprungs sind und der Mensch als Faktor dominiert. Zum Verbrauch von Ressourcen besonders von Nahrung wäre einiges zu sagen. Wichtig sind vor allem gebietsfremde Arten und Züchtungen, zahlreiche Arten besitzen zumindest unter den Vögeln (da hab ich es Nachgeschlagen) keine bekannten heimischen Nutzer. In sofern ist es keinesfalls irrelevant was Halsbandsittiche fressen und woher die Nahrungspflanzen stammen.
2. Überlegen Konkurrenz um Ressourcen ist soweit bisher klar nicht gegeben. Das Nähere auf Anfrage oder in der durchaus vorhandenen Fachliteratur. Problematischte Arten in bezug auf Nisthöhlen wären hier Dohle und Hohltaube - zu beidem gibt es in der wissenschaftlichen Literatur (die Richi kennen sollte bevor er darüber urteilen kann) Aussagen, zu Dohlen kann ich aus eigenen Beobachtungen etwas beisteuern und es gibt gute Literatur über deren Brutbiologie, die allenfalls punktuelle Auswirkungen möglich erscheinen lassen.
1. Aggressives Verhalten ist bei Halsbandsittichen im Freiland im wesentlichen auf die nähere Umgebung des Nestes beschränkt, eventuell gibt es Agressives Verhalten an künstlichen Futterstellen oder gegenüber Prädatoren (z.B. Greifvögel oder Eichhörnchen und Buntspechte als Fressfeinde von Eiern und Nestlingen). Solches Verhalten ist normal und führt in Bezug auf Halsbandsittiche nicht zur grundsätzlichen Überlegenheit der einen oder anderen Art.
So und jetzt noch mal zu den Inselarten. Inselarten besitzen einige Eigenschaften, die sie besonders anfällig für Ausrottung machen. Und die in Kombination schnell ein erlöschen einer Art bewirken können. Sie besitzen eventuell störanfällige kleine Populationen und/oder sie sind ökologisch naiv. Unter ökologischer Naivität versteht man z.B. eine verminderten Abwehrbereitschaft gegen Feinde. Flugunfähigkeit kann z.B. eine gute Sache sein, wenn man energiearme Nahrung verdauen muss und so einen langen und schweren Darm braucht (man denke etwa an den Eulenpapagei). Erreichen dann aber Ratten, Katzen oder hunrigie Seefahrer und Siedler die Insel ist die Art nahe am Aussterben, Festlandarten sind dagegen aufgrund des immer vorhandenen Selektionsdruckes von Feinden nicht ökologisch naiv.
Folglich ist auch keine der Arten die In Halsbandsittichhabitaten in Europa leben ist ökologisch naiv. Ökologisch naiv war allerdings eine der in Europa ausgerotteten Vogelarten: der Riesenalk. Ihm wurde - vermutlich durch natürliche Umstände eh schon angeschlagen - sein mangelnder Widerstand gegen Einfangen zum Verhängnis. Nachdem er jahrhundertelang als Nahrung von Menschen genutzt wurde, gaben im der Verlust einer Brutinsel und die Armut der Jager gepaart mit den immer höhere Preise zahlenden Vogelsammlern den Rest.
Listet man das Ausstreben von Vogelarten nach Jahren angefangen bei 1800 auf, so fällt auf, dass die Höhepunkte mit menschlicher Landnahme zusammenfallen. Man geht davon aus, das grob gesprochen auf ein Zehntel der Fläche nur die Hälfte der Tierarten einer bestimmten Gruppe z.B. Vögel passen. Wobei diese Fläche insofern zusammenhängen muss dass z.B. Straßen, Staudämme, Städte nicht zu einer Trennung der Populationen führen. Im Augenblick sind wir bei einer dramatischen Umwandlung von Flächen in Siedlungs- und Ackerland. Das führt auch in diesem Moment zu einem Artenschwund.
So ich denke das ist zunächst genug Theorie und Fakten. Stadtökologie bei Vögeln scheint als Thema gerade ins Laufen zu kommen, ich denke auch da werden sich sicher Dinge ergeben, die einiges zur Biologie der Halsbandsittiche in Deutschland beitragen.
Literaturhinweis:
Bezzel, E. (1996): Neubürger in der Vogelwelt Europas: Zoogeographische-ökologische Situationsanalyse - Konsequenzen für den Naturschutz. In: Gebhardt, H./ Kinzelbach, R./ Schmidt-Fischer, S. Hrsg. (1996): Gebietsfremde Tierarten. Landsberg
Wer Literatur zum Thema sucht, mag einen Blick auf die Literaturliste meiner Webseite werfen. Ich denke das Spektrum ist breit und ausgewogen - ein Paar Bücher fehlen noch aber das kommt sicher. Und noch einen Spezialtipp für Richi: Das "Franz 2000 " auf der von ihm empfohlenenen Webseite, das bin ich.
Gruesse,
Detlev
also bis jetzt habe ich erst Fragmente zusammen, die einige wichtige Teilaspekte beleuchten - einiges scheint auch innerhalb der Biologie als Wissenschaft nicht gelöst zu sein.
Zunächst ein paar Zahlen, Grundlage ist: Luther, D. (1995): Die ausgestorbenen Vögel der Welt. Magdeburg 4. unveränderte Auflage der 3. Auflage von 1986
Das Buch ist zwar nicht mehr ganz aktuell (es sind weiter Arten ausgestorben, andere Arten werden als nicht mehr gültig aufgefasst, die Situation hat sich teilweise verschärft) aber es liefert interessante Zahlen, die sich zum Vergleich auf einer einheitlichen Grundlage anbieten. Von den seit dem Jahr 1600 ausgestorbenen 74 Vogelarten entfallen ganze 4 Arten auf die Paläarktis. Eine Karte der Bioregionen:
http://www.cicindela.com/zooreg.jpg
45 Arten entfallen auf ozeanische Inseln. Zwischen je 3 und 6 Arten auf die jeweils anderen Regionen der Erde. Nimmt man die Unterarten hinzu sieht es nicht wesentlich anders aus: von 135 Formen entfallen 76 auf die ozeanischen Inseln und 5 auf die Paläarktis. Aussterbensursache ist meist das Zusammenwirken mehrerer Faktoren, von denen der wichtigste die Besiedlung mit Menschen - mit anschließenden Habitatveränderungen (Rodungen, Aufbau von Landwirtschaft, zerschneiden von Vorkommen, Einbringen von Prädatoren, Jagt ...) ist. Vögel spielen dabei keine entscheidende Rolle und bei allen Arten die ich angesehen habe nicht mal als Ursache in Verdacht. Zu Inselvögeln unten etwas mehr.
Noch eine Zahl. Von den rund 450 Vogelarten die auf Sri Lanka - einem der Heimatländer der Halsbandsittiche - kommen 180 Arten auch in Europa vor. Andere Arten besitzen gleichwertige Entsprechungen. So sind in Europa wie auch in Sri Lanka die Brutzeiten der Spechte zeitlich von denen der Halsbandsittiche (und anderer Papageien) getrennt: Das bewirkt hier wie dort eine entscheidende Minderung der Konkurrenz um Nisthöhlen, wobei diese sowohl von Halsbandsitichen als auch von Spechten angelegt, gepflegt und genutzt werden.
Und noch eine weiter Zahl: die Zehnerregel. Grob gesagt schaffen von 100 Arten die dank dem Menschen fremde Gebiete erreichen 10 Arten eine dauerhafte Ansiedlung. Von diesen Zehn Arten besitzt eine ein Gefahrenpotential.
Machen wir noch mal einen Sprung: Bezzel nennt 4 mögliche konkrete Probleme mit Vogelneozoen:
1. direkte Aggression;
2. Überlegen Konkurrenz um Ressourcen;
3. Verbrauch von Ressourcen und damit Veränderungen oder Vernichtungen von Habitaten;
4. Hybridisierung mit heimischen Arten;
Fangen wir hinten an.
4. Bei Halsbandsittichen unmöglich, da es keine heimischen kreuzungsfähigen Arten gibt. (Immer wieder angeführtes Beispiel: Schwarzkopf vs Weißkopfruderente. Hierzu gibt es einen umfänglichen Expertenstreit - führt zu weit das hier zu bringen, derzeit scheint in GB ein umstritttenes Ausrottiungsprogramm anzulaufen).
3. Veränderungen oder Vernichtungen von Habitaten sind nicht zu bemessen, da die Habitate nicht natürlichen Ursprungs sind und der Mensch als Faktor dominiert. Zum Verbrauch von Ressourcen besonders von Nahrung wäre einiges zu sagen. Wichtig sind vor allem gebietsfremde Arten und Züchtungen, zahlreiche Arten besitzen zumindest unter den Vögeln (da hab ich es Nachgeschlagen) keine bekannten heimischen Nutzer. In sofern ist es keinesfalls irrelevant was Halsbandsittiche fressen und woher die Nahrungspflanzen stammen.
2. Überlegen Konkurrenz um Ressourcen ist soweit bisher klar nicht gegeben. Das Nähere auf Anfrage oder in der durchaus vorhandenen Fachliteratur. Problematischte Arten in bezug auf Nisthöhlen wären hier Dohle und Hohltaube - zu beidem gibt es in der wissenschaftlichen Literatur (die Richi kennen sollte bevor er darüber urteilen kann) Aussagen, zu Dohlen kann ich aus eigenen Beobachtungen etwas beisteuern und es gibt gute Literatur über deren Brutbiologie, die allenfalls punktuelle Auswirkungen möglich erscheinen lassen.
1. Aggressives Verhalten ist bei Halsbandsittichen im Freiland im wesentlichen auf die nähere Umgebung des Nestes beschränkt, eventuell gibt es Agressives Verhalten an künstlichen Futterstellen oder gegenüber Prädatoren (z.B. Greifvögel oder Eichhörnchen und Buntspechte als Fressfeinde von Eiern und Nestlingen). Solches Verhalten ist normal und führt in Bezug auf Halsbandsittiche nicht zur grundsätzlichen Überlegenheit der einen oder anderen Art.
So und jetzt noch mal zu den Inselarten. Inselarten besitzen einige Eigenschaften, die sie besonders anfällig für Ausrottung machen. Und die in Kombination schnell ein erlöschen einer Art bewirken können. Sie besitzen eventuell störanfällige kleine Populationen und/oder sie sind ökologisch naiv. Unter ökologischer Naivität versteht man z.B. eine verminderten Abwehrbereitschaft gegen Feinde. Flugunfähigkeit kann z.B. eine gute Sache sein, wenn man energiearme Nahrung verdauen muss und so einen langen und schweren Darm braucht (man denke etwa an den Eulenpapagei). Erreichen dann aber Ratten, Katzen oder hunrigie Seefahrer und Siedler die Insel ist die Art nahe am Aussterben, Festlandarten sind dagegen aufgrund des immer vorhandenen Selektionsdruckes von Feinden nicht ökologisch naiv.
Folglich ist auch keine der Arten die In Halsbandsittichhabitaten in Europa leben ist ökologisch naiv. Ökologisch naiv war allerdings eine der in Europa ausgerotteten Vogelarten: der Riesenalk. Ihm wurde - vermutlich durch natürliche Umstände eh schon angeschlagen - sein mangelnder Widerstand gegen Einfangen zum Verhängnis. Nachdem er jahrhundertelang als Nahrung von Menschen genutzt wurde, gaben im der Verlust einer Brutinsel und die Armut der Jager gepaart mit den immer höhere Preise zahlenden Vogelsammlern den Rest.
Listet man das Ausstreben von Vogelarten nach Jahren angefangen bei 1800 auf, so fällt auf, dass die Höhepunkte mit menschlicher Landnahme zusammenfallen. Man geht davon aus, das grob gesprochen auf ein Zehntel der Fläche nur die Hälfte der Tierarten einer bestimmten Gruppe z.B. Vögel passen. Wobei diese Fläche insofern zusammenhängen muss dass z.B. Straßen, Staudämme, Städte nicht zu einer Trennung der Populationen führen. Im Augenblick sind wir bei einer dramatischen Umwandlung von Flächen in Siedlungs- und Ackerland. Das führt auch in diesem Moment zu einem Artenschwund.
So ich denke das ist zunächst genug Theorie und Fakten. Stadtökologie bei Vögeln scheint als Thema gerade ins Laufen zu kommen, ich denke auch da werden sich sicher Dinge ergeben, die einiges zur Biologie der Halsbandsittiche in Deutschland beitragen.
Literaturhinweis:
Bezzel, E. (1996): Neubürger in der Vogelwelt Europas: Zoogeographische-ökologische Situationsanalyse - Konsequenzen für den Naturschutz. In: Gebhardt, H./ Kinzelbach, R./ Schmidt-Fischer, S. Hrsg. (1996): Gebietsfremde Tierarten. Landsberg
Wer Literatur zum Thema sucht, mag einen Blick auf die Literaturliste meiner Webseite werfen. Ich denke das Spektrum ist breit und ausgewogen - ein Paar Bücher fehlen noch aber das kommt sicher. Und noch einen Spezialtipp für Richi: Das "Franz 2000 " auf der von ihm empfohlenenen Webseite, das bin ich.
Gruesse,
Detlev