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Norbert Adler
Guest
Norbert Adler, Tierpsycholge
Rupfer - Schreier - Federfresser
„Spricht der Papagei auch?“
Diese Frage kennt wohl jeder Papageienhalter gut, wenn der gefiederte Hausgenosse neuen Besuchern vorgestellt wird!
Aber gerade diese Begabung, unsere menschliche Stimme zu imitieren, sowie ihr oft farbenprächtiges Gefieder und ihr imposantes Benehmen werden diesen hochintelligenten und sensiblen Vögeln häufig zum Verhängnis.
Aus falsch verstandener Papageienliebe werden sie oft, ohne vorherige Informationen - als Einzelvögel, im Zoohandel, von Züchtern - oder von Privatpersonen erworben. Bei letzteren oft aus zweiter oder gar dritter Hand.
Leider machen wir seit Jahren immer noch die Erfahrung, dass fachlich qualifizierte Auskünfte über diese Vögel bei vielen Züchtern und im Fachhandel nicht die Regel sind. Nach dem Motto „lieber ein einzeln verkauftes Tier als kein verkauftes Tier“ werden sie in eine nicht artgerechte Haltung gezwungen, ohne dass der Halter davon weiß oder dies gar will! Das gilt für die leider immer noch unsinnige Einzelhaltung bei Wellensittichen, mit Plastikvogel und Spiegel als Partnerersatz, sowie für die meisten Papageien. So gesehen, werden die Halter dieser Vögel nicht richtig informiert und mit den anstehenden Problemen allein gelassen. Bei der zum Teil recht hohen Lebenserwartung von Papageien - Kakadus können bis zu 100 Jahre werden - kann man sich nicht vorstellen, was selbst nach Jahren für Schwierigkeiten auf die Halter zukommen.
Händler und Züchter von Sittichen und Papageien sind meines Erachtens verpflichtet, solche Schäden von den Tieren sowie von ihren Kunden abzuwenden, für eine sinnvolle Paarhaltung zu plädieren und keine Einzelvögel zu verkaufen.
Ist am Anfang die Freude über den zahmen oder auch „sprechenden“ Papagei noch groß, kann sich nach Eintritt der Geschlechtsreife, häufig aber auch schon früher, leicht das Gegenteil einstellen. Der hohe Intelligenzgrad dieser Vögel verführt den Menschen gern dazu, den Papagei in die Ecke eines verständigen „beinahe - Menschen“ zu rücken, der sich dann schon meldet, wenn ihm etwas nicht passt! Leider zeigt sich dieses „Nicht-Passen“ dann in verändertem Verhalten, dessen Ursache oft nicht oder nicht gleich erkannt wird. Der erstaunte Tierhalter muss mit Ansehen, wie sein Vogel beginnt, sich die Federn auszurupfen oder sie anzuknabbern. Häufig beginnt das an den Beinen, den Schultern und an der Brust. Dies wird schnell zur Gewohnheit und nachwachsende Federn werden an den betroffenen Stellen ständig oder periodisch immer wieder angefressen oder mit dem gesamten Kiehl herausgezogen.
Mehr noch, das permanente Rupfen geht auch auf andere Gefiederteile über und kann bis zur völligen Nacktheit des Vogels führen, wo nur noch der Kopf befiedert ist, da er von ihm nicht erreicht werden kann!
Unsere Erfahrenswerte der letzten fünfundzwanzig Jahre, in denen wir uns gerade mit Rupfen aber auch anderen „psychischen Störungen“ bei Papageien befassen, zeigen auf, dass besonders Graupapageien, Kakadus und Aras von den oben genannten Rupfbildern betroffen sind.
Eine vom Tierarzt angelegte Halskrause oder gar das Eingipsen im Kopfbereich hilft überhaupt nichts, sondern führt zur völligen Panik und Stress der Tiere. Ebenso warne ich vor Psychopharmaka als Therapie!
Anders verhält es sich bei Amazonenpapageien. Nur ganz selten hatten wir es hier mit Rupfern zu tun. Dafür zeigten diese Vögel eine Hyper***ualität, verbunden mit lautem und anhaltendem Geschrei. Ihre Zuneigung zu einer bestimmten Pflegeperson ging oft in ein ausgesprochenes Besitzrecht über, mit gesteigerter Aggression in Form von Flug - und Beißattacken gegen Fremde, aber auch dem Pfleger gegenüber. Die Liste von abnormen Verhaltensmustern bei den verschiedenen Papageienarten ließe sich so weiter fortsetzen, z.b. Federfressen, Selbstverstümmelung, ständige Masturbation an Gegenständen oder am Pfleger, stereotype Bewegungsabläufe, Lethargie, oder der gefürchtete „Gattenmord“ bei Kakadus, durch fehlgeleitetes Aggressionspotential!
Ein ebenso großes Problem sehen wir in den immer mehr angebotenen Handaufgezogenen Papageien! Aus gut gemeinten Tier - und Artenschutzrelevanten Gründen, greifen immer mehr Liebhaber auf solche Vögel zurück, um keine Tiere aus der freien Natur zu entnehmen. Andererseits werden diese, als „besonders zahm", von Züchtern und Händlern für viel Geld angepriesen!
Da diese Handaufzuchten leider viel zu wenig oder überhaupt keine Sozialisation
erfahren haben, haben wir mit solchen Vögeln die größten Schwierigkeiten bei Vergesellschaftung und Verpaarungen. Sie sind restlos auf Menschen fixiert, oftmals zusätzlich noch auf Männer bzw. Frauen, bestimmte Haarfarben wie dunkelhaarig oder blond, oder einer besonderen Stimmlage. So entwickeln sie sich schon vor der Geschlechtsreife zu wahren „Katastrophenvögeln“ mit großen Rupfproblemen oder extrem aggressiven Verhaltensweisen, nicht nur anderen Papageien, sondern in der Regel auch ihren Haltern gegenüber, wenn diese nicht ständig anwesend sind oder um bestimmte Wünsche lautstark und permanent durchzusetzen. Hier entsteht nicht nur eine extreme Abhängigkeit zur Pflegeperson, sondern auch eine regelrechte Versklavung der Tierhalter! In solchen schwierigen Situationen werden leider viele Papageien aus Unkenntnis wieder abgegeben und wandern noch gestörter zum nächsten Besitzer.
Dem Vogelliebhaber, der dies immer noch nicht verstehen will, sei gesagt - weder Plastikvogel und Spiegel, noch der Mensch - sind ein Partnerersatz für Papageien u. Sittiche. Der Mensch bietet diesen Tieren eine Liebesbeziehung an, die er auf Dauer gar nicht einhalten kann. Gerade Papageien leben absolut monogam und suchen sich ihren Partner sehr sorgfältig aus. Bei ihnen wird Treue wörtlich genommen, soll die Beziehung doch viele Jahre von Bestand sein. Alles, aber auch wirklich alles wird gemeinsam unternommen. Jahrelange Beobachtung dieser Vögel, auch in ihren Heimatländern, bestätigen mir das. Wie will der Mensch dies bewerkstelligen? Ist doch der Vogel abhängig von ihm und seiner Anwesenheit. Die soziale Gefiederpflege durch den Menschen reicht hier nicht aus! Ein natürliches Aggressionspotential bei allen Papageien und Sittichen wird leider von vielen Tierhaltern missverstanden und mit erworbenen, gesteigerten Aggressionen verwechselt. Ein daraus resultierender falscher Umgang mit ihnen, ist oft der Anfang eines unendlichen Leidensweges vieler Papageien!
Der wirkliche Vogelliebhaber überdenke seine Sittich - und Papageienhaltung daher kritisch und stelle egoistische Wünsche und Vorstellungen zugunsten einer artgerechteren, Paar oder Gruppenhaltung dieser sensiblen und hochintelligenten Vögel hinten an!
Was kann nun der Papageienhalter tun, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist, bzw. kann ein bereits geschädigter Vogel überhaupt therapiert werden?
Ja, wenn nach einer Untersuchung beim Tierarzt eine medizinische Erkrankung ausgeschlossen wurde, mit Zeit und Geduld und unter Berücksichtigung folgender Punkte:
· Paar oder Gemeinschaftshaltung
· Genug Raum in Form einer großzügigen Voliere - Käfige oder viele sog. Zimmer - Volieren sind als Aufenthalt zu klein
· Papageienfreisitz mit viel Platz und Klettermöglichkeiten
· Schaffung von Außenreizen gegen Langeweile -Spiel und Beobachtungsmöglichkeiten
· Einbringen von Zerstörungsmaterial zum Abbau eines natürlichen Aggressionspotentials
· Wenn möglich, die Nutzung von Außenaufenthalt- Balkon, Terrasse o. Garten
· Genaue Überprüfung der Ernährung und Fressgewohnheiten
· Genaue Analyse der Vorgeschichte, des Charakters und der Lebensgewohnheiten des Tieres
· Aktive Mitarbeit der Tierhalter durch Einsicht und Änderung ihres Verhaltens
· Die Lockerung von starken Bindungen an den Menschen beinhaltet für den Vogel hohe physische und psychische Risiken. Aus diesem Grunde muss, unter fachkundiger Begleitung, ein individueller Therapieplan erstellt werden
In laufe der Zeit haben wir verschiedene Therapieformen entwickelt die nicht nur individuell auf das jeweilige Tier abgestimmt werden, sondern auch seine menschlichen Bezugspersonen mit allen Spannungsfeldern und Bindungen mit einbezieht. So konnten wir viele Verhaltensstörungen beheben oder zumindest in ihrer Weiterentwicklung stoppen oder eingrenzen. Selbst bei Verpaarung von lange gehaltenen Einzelvögeln, Zwangsverpaarungen oder starken Prägungen, hatten wir erstaunliche Erfolge aufzuweisen. Auf Vorträgen und in einem neuen Buch „Vorsicht Papageien – ein Buch zum Umdenken“ werden wir näher auf die verschiedenen Therapiemöglichkeiten eingehen und versuchen neue Wege in der Papageienhaltung aufzuzeigen.
Ist bereits ein Papagei oder Sittich vorhanden, der noch keine oder erste Verhaltensauffälligkeiten aufweist, sollte man nicht lange warten, einen geeigneten Partner für seinen Vogel zu finden. Da lebende Tiere von Händlern und Züchtern meistens nicht zurück genommen werden, kann man sich nicht einfach einen zweiten Vogel kaufen und ihn dazu setzen. Denn, verstehen sich die beiden nicht, hat man schnell zwei Vögel und zwei Probleme und es kann zu erheblichem Stress und zu Verletzungen durch Beißereien kommen, oftmals mit Todesfolge!
Hatten wir früher noch dem Kompromiss der Vergesellschaftung von zwei verschiedenen Papageienarten zugestimmt, so lehnen wir ihn heute, bei Einzelverpaarungen kategorisch ab.
Wir stellten schnell fest, dass nach Eintritt der Geschlechtsreife, oder Brut - und Paarungsstimmung, artgleiche Verhaltensmuster fehlten und das unweigerlich zu Missverständnissen und daraus resultierenden Aggressionen führen kann. Daher ist eine Art - und geschlechtsspezifische Haltung immer die beste Lösung. Anders verhält es sich bei größeren Gruppen oder Gemeinschaftshaltung, auch mit verschiedenen Arten. Hier sind Bindungen an artfremde oder gleichgeschlechtliche Vögel eher möglich und oft auch von Dauer.
Es muss also sorgfältig ausgewählt werden, welcher Partner vom Alter, vom Geschlecht und vor allem vom Charakter dazu passen könnte. Letzteres halte ich für besonders wichtig, um einen gesunden Ausgleich im Spiel von Distanz und Nähe zu erreichen. Kann sich der Vogel einen Partner aus einer Gruppe mehrerer artgleicher Tiere heraussuchen, wäre das der Idealfall! Andernfalls, bei Einzelvögeln, müssen beide Tiere getrennt erst in Hör – dann in Sichtweite untergebracht werden, um den Reiz zu erhöhen und sie so langsam aneinander zu gewöhnen.
Dann erst sollte man mit der eigentlichen Verpaarung beginnen. Der Faktor Zeit spielt hier eine untergeordnete Rolle, denn anfängliche Zuneigung oder gar Leidenschaft der Vögel zueinander, kann bei unsachgemäßem Vorgehen der Verpaarung schnell umschlagen in Aggression! Und bitte, denken sie auch an die Seele ihrer Papageien! Eine Vergesellschaftung jeglicher Form, bedeutet immer Aufregung und Stress für Ihre Vögel. Auch die momentane Trennung oder Isolierung vom oft stark geliebten menschlichen Partner, kann zu schweren Veränderungen des Verhaltens mit echten Krankheitsbildern führen! Eine genaue Beobachtung ist daher wichtig. Leider finden sich nur wenig Händler oder Züchter bereit, solch eine Verpaarung für Tierhalter durchzuführen, obwohl es ein wichtiger Beitrag zum Tier - und Artenschutz wäre. Unsinniges Kompetenzgerangel, Vorwürfe oder schwere Schuldzuweisungen an unwissende oder falsch informierte Tierhalter, von manchen Papageienhilfsorganisationen, irritieren leider viele Hilfesuchende. Sie sollten ein Ende haben zugunsten eines sinnvollen Austauschs und einer Zusammenarbeit mit gleichen Zielen! .Die Suche nach einem geeigneten Partnervogel, aus privater Hand, durch Anzeigen in Tages - oder Fachzeitungen bieten sich ebenfalls an, lassen sich doch hier eher die Möglichkeit des Ausprobierens mit ausreichender Zeit, im Interesse beider Vögel und deren Halter bewerkstelligen.
Bei vielen Tierhaltern hat längst schon verändertes Bewusstsein bei der Pflege ihrer Heimtiere eingesetzt. Sie sind gern bereit, nach einer fachlich qualifizierten Beratung, ihre Tierhaltung zu verändern, und den Tieren ein möglichst artgerechteres, besseres Leben zu bieten.
Norbert Adler
Originaltext hier
Rupfer - Schreier - Federfresser
„Spricht der Papagei auch?“
Diese Frage kennt wohl jeder Papageienhalter gut, wenn der gefiederte Hausgenosse neuen Besuchern vorgestellt wird!
Aber gerade diese Begabung, unsere menschliche Stimme zu imitieren, sowie ihr oft farbenprächtiges Gefieder und ihr imposantes Benehmen werden diesen hochintelligenten und sensiblen Vögeln häufig zum Verhängnis.
Aus falsch verstandener Papageienliebe werden sie oft, ohne vorherige Informationen - als Einzelvögel, im Zoohandel, von Züchtern - oder von Privatpersonen erworben. Bei letzteren oft aus zweiter oder gar dritter Hand.
Leider machen wir seit Jahren immer noch die Erfahrung, dass fachlich qualifizierte Auskünfte über diese Vögel bei vielen Züchtern und im Fachhandel nicht die Regel sind. Nach dem Motto „lieber ein einzeln verkauftes Tier als kein verkauftes Tier“ werden sie in eine nicht artgerechte Haltung gezwungen, ohne dass der Halter davon weiß oder dies gar will! Das gilt für die leider immer noch unsinnige Einzelhaltung bei Wellensittichen, mit Plastikvogel und Spiegel als Partnerersatz, sowie für die meisten Papageien. So gesehen, werden die Halter dieser Vögel nicht richtig informiert und mit den anstehenden Problemen allein gelassen. Bei der zum Teil recht hohen Lebenserwartung von Papageien - Kakadus können bis zu 100 Jahre werden - kann man sich nicht vorstellen, was selbst nach Jahren für Schwierigkeiten auf die Halter zukommen.
Händler und Züchter von Sittichen und Papageien sind meines Erachtens verpflichtet, solche Schäden von den Tieren sowie von ihren Kunden abzuwenden, für eine sinnvolle Paarhaltung zu plädieren und keine Einzelvögel zu verkaufen.
Ist am Anfang die Freude über den zahmen oder auch „sprechenden“ Papagei noch groß, kann sich nach Eintritt der Geschlechtsreife, häufig aber auch schon früher, leicht das Gegenteil einstellen. Der hohe Intelligenzgrad dieser Vögel verführt den Menschen gern dazu, den Papagei in die Ecke eines verständigen „beinahe - Menschen“ zu rücken, der sich dann schon meldet, wenn ihm etwas nicht passt! Leider zeigt sich dieses „Nicht-Passen“ dann in verändertem Verhalten, dessen Ursache oft nicht oder nicht gleich erkannt wird. Der erstaunte Tierhalter muss mit Ansehen, wie sein Vogel beginnt, sich die Federn auszurupfen oder sie anzuknabbern. Häufig beginnt das an den Beinen, den Schultern und an der Brust. Dies wird schnell zur Gewohnheit und nachwachsende Federn werden an den betroffenen Stellen ständig oder periodisch immer wieder angefressen oder mit dem gesamten Kiehl herausgezogen.
Mehr noch, das permanente Rupfen geht auch auf andere Gefiederteile über und kann bis zur völligen Nacktheit des Vogels führen, wo nur noch der Kopf befiedert ist, da er von ihm nicht erreicht werden kann!
Unsere Erfahrenswerte der letzten fünfundzwanzig Jahre, in denen wir uns gerade mit Rupfen aber auch anderen „psychischen Störungen“ bei Papageien befassen, zeigen auf, dass besonders Graupapageien, Kakadus und Aras von den oben genannten Rupfbildern betroffen sind.
Eine vom Tierarzt angelegte Halskrause oder gar das Eingipsen im Kopfbereich hilft überhaupt nichts, sondern führt zur völligen Panik und Stress der Tiere. Ebenso warne ich vor Psychopharmaka als Therapie!
Anders verhält es sich bei Amazonenpapageien. Nur ganz selten hatten wir es hier mit Rupfern zu tun. Dafür zeigten diese Vögel eine Hyper***ualität, verbunden mit lautem und anhaltendem Geschrei. Ihre Zuneigung zu einer bestimmten Pflegeperson ging oft in ein ausgesprochenes Besitzrecht über, mit gesteigerter Aggression in Form von Flug - und Beißattacken gegen Fremde, aber auch dem Pfleger gegenüber. Die Liste von abnormen Verhaltensmustern bei den verschiedenen Papageienarten ließe sich so weiter fortsetzen, z.b. Federfressen, Selbstverstümmelung, ständige Masturbation an Gegenständen oder am Pfleger, stereotype Bewegungsabläufe, Lethargie, oder der gefürchtete „Gattenmord“ bei Kakadus, durch fehlgeleitetes Aggressionspotential!
Ein ebenso großes Problem sehen wir in den immer mehr angebotenen Handaufgezogenen Papageien! Aus gut gemeinten Tier - und Artenschutzrelevanten Gründen, greifen immer mehr Liebhaber auf solche Vögel zurück, um keine Tiere aus der freien Natur zu entnehmen. Andererseits werden diese, als „besonders zahm", von Züchtern und Händlern für viel Geld angepriesen!
Da diese Handaufzuchten leider viel zu wenig oder überhaupt keine Sozialisation
erfahren haben, haben wir mit solchen Vögeln die größten Schwierigkeiten bei Vergesellschaftung und Verpaarungen. Sie sind restlos auf Menschen fixiert, oftmals zusätzlich noch auf Männer bzw. Frauen, bestimmte Haarfarben wie dunkelhaarig oder blond, oder einer besonderen Stimmlage. So entwickeln sie sich schon vor der Geschlechtsreife zu wahren „Katastrophenvögeln“ mit großen Rupfproblemen oder extrem aggressiven Verhaltensweisen, nicht nur anderen Papageien, sondern in der Regel auch ihren Haltern gegenüber, wenn diese nicht ständig anwesend sind oder um bestimmte Wünsche lautstark und permanent durchzusetzen. Hier entsteht nicht nur eine extreme Abhängigkeit zur Pflegeperson, sondern auch eine regelrechte Versklavung der Tierhalter! In solchen schwierigen Situationen werden leider viele Papageien aus Unkenntnis wieder abgegeben und wandern noch gestörter zum nächsten Besitzer.
Dem Vogelliebhaber, der dies immer noch nicht verstehen will, sei gesagt - weder Plastikvogel und Spiegel, noch der Mensch - sind ein Partnerersatz für Papageien u. Sittiche. Der Mensch bietet diesen Tieren eine Liebesbeziehung an, die er auf Dauer gar nicht einhalten kann. Gerade Papageien leben absolut monogam und suchen sich ihren Partner sehr sorgfältig aus. Bei ihnen wird Treue wörtlich genommen, soll die Beziehung doch viele Jahre von Bestand sein. Alles, aber auch wirklich alles wird gemeinsam unternommen. Jahrelange Beobachtung dieser Vögel, auch in ihren Heimatländern, bestätigen mir das. Wie will der Mensch dies bewerkstelligen? Ist doch der Vogel abhängig von ihm und seiner Anwesenheit. Die soziale Gefiederpflege durch den Menschen reicht hier nicht aus! Ein natürliches Aggressionspotential bei allen Papageien und Sittichen wird leider von vielen Tierhaltern missverstanden und mit erworbenen, gesteigerten Aggressionen verwechselt. Ein daraus resultierender falscher Umgang mit ihnen, ist oft der Anfang eines unendlichen Leidensweges vieler Papageien!
Der wirkliche Vogelliebhaber überdenke seine Sittich - und Papageienhaltung daher kritisch und stelle egoistische Wünsche und Vorstellungen zugunsten einer artgerechteren, Paar oder Gruppenhaltung dieser sensiblen und hochintelligenten Vögel hinten an!
Was kann nun der Papageienhalter tun, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist, bzw. kann ein bereits geschädigter Vogel überhaupt therapiert werden?
Ja, wenn nach einer Untersuchung beim Tierarzt eine medizinische Erkrankung ausgeschlossen wurde, mit Zeit und Geduld und unter Berücksichtigung folgender Punkte:
· Paar oder Gemeinschaftshaltung
· Genug Raum in Form einer großzügigen Voliere - Käfige oder viele sog. Zimmer - Volieren sind als Aufenthalt zu klein
· Papageienfreisitz mit viel Platz und Klettermöglichkeiten
· Schaffung von Außenreizen gegen Langeweile -Spiel und Beobachtungsmöglichkeiten
· Einbringen von Zerstörungsmaterial zum Abbau eines natürlichen Aggressionspotentials
· Wenn möglich, die Nutzung von Außenaufenthalt- Balkon, Terrasse o. Garten
· Genaue Überprüfung der Ernährung und Fressgewohnheiten
· Genaue Analyse der Vorgeschichte, des Charakters und der Lebensgewohnheiten des Tieres
· Aktive Mitarbeit der Tierhalter durch Einsicht und Änderung ihres Verhaltens
· Die Lockerung von starken Bindungen an den Menschen beinhaltet für den Vogel hohe physische und psychische Risiken. Aus diesem Grunde muss, unter fachkundiger Begleitung, ein individueller Therapieplan erstellt werden
In laufe der Zeit haben wir verschiedene Therapieformen entwickelt die nicht nur individuell auf das jeweilige Tier abgestimmt werden, sondern auch seine menschlichen Bezugspersonen mit allen Spannungsfeldern und Bindungen mit einbezieht. So konnten wir viele Verhaltensstörungen beheben oder zumindest in ihrer Weiterentwicklung stoppen oder eingrenzen. Selbst bei Verpaarung von lange gehaltenen Einzelvögeln, Zwangsverpaarungen oder starken Prägungen, hatten wir erstaunliche Erfolge aufzuweisen. Auf Vorträgen und in einem neuen Buch „Vorsicht Papageien – ein Buch zum Umdenken“ werden wir näher auf die verschiedenen Therapiemöglichkeiten eingehen und versuchen neue Wege in der Papageienhaltung aufzuzeigen.
Ist bereits ein Papagei oder Sittich vorhanden, der noch keine oder erste Verhaltensauffälligkeiten aufweist, sollte man nicht lange warten, einen geeigneten Partner für seinen Vogel zu finden. Da lebende Tiere von Händlern und Züchtern meistens nicht zurück genommen werden, kann man sich nicht einfach einen zweiten Vogel kaufen und ihn dazu setzen. Denn, verstehen sich die beiden nicht, hat man schnell zwei Vögel und zwei Probleme und es kann zu erheblichem Stress und zu Verletzungen durch Beißereien kommen, oftmals mit Todesfolge!
Hatten wir früher noch dem Kompromiss der Vergesellschaftung von zwei verschiedenen Papageienarten zugestimmt, so lehnen wir ihn heute, bei Einzelverpaarungen kategorisch ab.
Wir stellten schnell fest, dass nach Eintritt der Geschlechtsreife, oder Brut - und Paarungsstimmung, artgleiche Verhaltensmuster fehlten und das unweigerlich zu Missverständnissen und daraus resultierenden Aggressionen führen kann. Daher ist eine Art - und geschlechtsspezifische Haltung immer die beste Lösung. Anders verhält es sich bei größeren Gruppen oder Gemeinschaftshaltung, auch mit verschiedenen Arten. Hier sind Bindungen an artfremde oder gleichgeschlechtliche Vögel eher möglich und oft auch von Dauer.
Es muss also sorgfältig ausgewählt werden, welcher Partner vom Alter, vom Geschlecht und vor allem vom Charakter dazu passen könnte. Letzteres halte ich für besonders wichtig, um einen gesunden Ausgleich im Spiel von Distanz und Nähe zu erreichen. Kann sich der Vogel einen Partner aus einer Gruppe mehrerer artgleicher Tiere heraussuchen, wäre das der Idealfall! Andernfalls, bei Einzelvögeln, müssen beide Tiere getrennt erst in Hör – dann in Sichtweite untergebracht werden, um den Reiz zu erhöhen und sie so langsam aneinander zu gewöhnen.
Dann erst sollte man mit der eigentlichen Verpaarung beginnen. Der Faktor Zeit spielt hier eine untergeordnete Rolle, denn anfängliche Zuneigung oder gar Leidenschaft der Vögel zueinander, kann bei unsachgemäßem Vorgehen der Verpaarung schnell umschlagen in Aggression! Und bitte, denken sie auch an die Seele ihrer Papageien! Eine Vergesellschaftung jeglicher Form, bedeutet immer Aufregung und Stress für Ihre Vögel. Auch die momentane Trennung oder Isolierung vom oft stark geliebten menschlichen Partner, kann zu schweren Veränderungen des Verhaltens mit echten Krankheitsbildern führen! Eine genaue Beobachtung ist daher wichtig. Leider finden sich nur wenig Händler oder Züchter bereit, solch eine Verpaarung für Tierhalter durchzuführen, obwohl es ein wichtiger Beitrag zum Tier - und Artenschutz wäre. Unsinniges Kompetenzgerangel, Vorwürfe oder schwere Schuldzuweisungen an unwissende oder falsch informierte Tierhalter, von manchen Papageienhilfsorganisationen, irritieren leider viele Hilfesuchende. Sie sollten ein Ende haben zugunsten eines sinnvollen Austauschs und einer Zusammenarbeit mit gleichen Zielen! .Die Suche nach einem geeigneten Partnervogel, aus privater Hand, durch Anzeigen in Tages - oder Fachzeitungen bieten sich ebenfalls an, lassen sich doch hier eher die Möglichkeit des Ausprobierens mit ausreichender Zeit, im Interesse beider Vögel und deren Halter bewerkstelligen.
Bei vielen Tierhaltern hat längst schon verändertes Bewusstsein bei der Pflege ihrer Heimtiere eingesetzt. Sie sind gern bereit, nach einer fachlich qualifizierten Beratung, ihre Tierhaltung zu verändern, und den Tieren ein möglichst artgerechteres, besseres Leben zu bieten.
Norbert Adler
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