Hallo!
Ich kenne die Vorgeschichte von deinem Jockel nicht. Aber bist du dir sicher, dass es ein flugunfähiger Vogel sein muss? Schlugen Versuche mit flugfähigen Amazonen bereits fehl oder was führt dich zu der Annahme?
Ich habe in meiner Amazonentruppe eine Blaustirnamazone, die früher (totaler Anfängerfehler, den ich mir selber nie verzeihen werde können) gestutzt war und zwar so drastisch, dass die neu nachgewachsenen Federn - so sie denn nach dem Ziehen der Federkiele einige Jahre später endlich nachwuchsen - praktisch bei jeder Belastung wieder ausfielen. Die Flugmuskulatur ist dementsprechend ebenfalls nicht sehr trainiert. Die Amazone ist jetzt knappe 5 Jahre alt und lernt etwa die letzten zwei Jahre sehr langsam, wieder etwas mit ihren Flügeln anzufangen. Mittlerweile schafft sie bis zu 5 Meter, aber fast im Sturzflug. Es wird aber (wenn`s auch sicher noch lange dauert). Der Vogel ist jetzt zwar zum Glück nicht irreperabel flugunfähig, aber mit dem Zusammenleben in der Gruppe und mit seinem voll flugfähigen Partnervogel gab und gibt es keine Probleme. Er muss eben alles kletternd erreichen können, das ist aber schon der einzige Unterschied. Die Amazone ist recht dominant und gehört ohne weiteres zu den "Anführern" in der Gruppe. Flugunfähigkeit heisst also nicht gleich, dass der Vogel sich automatisch unterdrücken lässt und mit flugfähigen Artgenossen nicht zurecht kommen würde.
Mein Gelbbrustarahahn ist ebenfalls flugunfähig, das leider wohl dauerhaft. Er ist 10 Jahre alt und sowohl bei den Vorbesitzern als auch bei mir in den ganzen Jahren keinen Meter weit geflogen. Gelangt er in brenzliche Situationen (wackelige Äste, sonstige Missgeschicke, die hie und da mal vorkommen können) fällt er zu Boden wie ein Stein, ohne die Flügel auch nur auszubreiten. Das hindert ihn aber - zumindest nach langer Gewöhnungsphase (in dem Fall wesentlich problematischer als bei der Amazone, was aber nicht ausschließlich auf die Flugunfähigkeit zurückzuführen ist) - nicht daran, mit seiner flugfähigen und auch sehr flugaktiven Henne zusammen zu leben, im Sommer zu balzen was das Zeug hält und die Henne zu verteidigen. Nachdem er die Angst vor flugfähigen Aras abgelegt hat (was aber recht lange dauerte) und endlich mit seiner Henne zusammen war kann man auch ihn ohne weiteres als "normalen" Ara bezeichnen, auch wieder natürlich mit der Einschränkung, dass die Einrichtung den Bedürfnissen des Vogels gerecht werden muss und es keine Plätze gibt, die für ihn nicht kletternd erreichbar wären.
Das sind jetzt nur meine Erfahrungen mit zwei vorübergehend oder dauerhaft flugunfähigen Vögeln. Es gibt sicher auch flugunfähige Papageien, die absolut nicht mit fliegenden Artgenossen zu vergesellschaften sind, weil sie z.B. höllische Angst haben oder sich nicht behaupten können. Das bestreite ich auch nicht. Aber es ist nicht immer so, ich denke sogar in den seltensten Fällen. Der Charakter der Vögel ist wesentlisch entscheidender als die Frage flugfähig ja oder nein. Setzt du z.B. zu einem voll aktiven, dominanten, ruppigen und draufgängerischen Vogel eine zurückgezogene, scheuere und ruhigere Amazone kann das genauso gut schief gehen. Besonders dominante Vögel würde ich zur Vergesellschaftung mit einem flugunfähigem Tier sicherheitshalber nicht in Betracht ziehen (es sei denn, der flugunfähige Vogel ist auch von der Wesensart). Aber das heißt nicht, dass der Partnervogel ebenfalls flugunfähig sein muss!
Zur Goldmaskenamazone würde ich bedenken, dass das eine in Menschenobhut sehr seltene Amazonenart ist. Handelt es sich um die Unterart Amazona dufresniana rhodocorytha (Granada-Amazone) steht sie auf WA-I mit allen damit verbundlichen gesetzlichen Vorschriften. Wieso der Züchter sie allein in einen Käfig setzt würde ich gerne wissen, das ist bis auf besonders schwere Fälle nämlich nicht wirklich notwendig und genauso wenig angebracht wie bei flugfähigen Amazonen. Der Bewegungsdrang flugunfähiger Papageien ist nicht gerade geringer als der von flugfähigen, er äußert sich aber mehr in Klettern und Herumtollen. Auch geglückte Nachzuchten mit flugunfähigen Papageien sind keine Seltenheit, so lange es sich nicht gerade um den Hahn handelt (der braucht zur Begattung seine Flügel, um bei diesem Balanceakt das Gleichgewicht zu halten). Hatte die Amazone vor dem Umfall bereits einen Partner und falls ja, wieso wurden sie getrennt? Wie verhält sie sich, also hockt sie nur trist herum oder ist sie wieder lebhaft und neugierig wie vor dem Unfall (obwohl man das wahrscheinlich im Käfig nicht beobachten wird können)? Das sind alles Dinge, die ich natürlich nicht weiß und deshalb nicht in der Lage bin, das richtig einzuschätzen, aber vielleicht ist es ein Denkanstoß. Wenn im Verhalten der beiden Vögel nicht irgendetwas ist, dass sie zur Vergesellschaftung mit flugfähigen Artgenossen ungeeignet macht (Angst, Stress, etc.), würde ich mir das mit der artungleichen Konstellation nochmal überlegen. Im Zweifelsfall, wenn die zwei doch nicht harmonieren, hast du dann eine einzelne Dufresnes-Amazone und eine einzelne Gelbscheitelamazone, und zumindest für erstere wird jede weitere Partnersuche wahrscheinlich sehr, sehr schwierig werden. Amazonen dieser Art in Europa zu finden ist eine Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen.
Auf alle Fälle viel Glück, dass dein Grüner bald einen Partner hat (ob nun flugunfähig oder nicht)! Ich hoffe, egal wie du dich entscheidest, du berichtest über den weiteren Verlauf. Sowas ist für andere Halter "behinderter" Papageien nämlich oft sehr aufschlussreich und interessant, viel findet man ja an Infos zu solchen Problemen nicht.
Mfg,
Doris