Hallo Anna!
Ich kann mir gut vorstellen, dass es irritierend ist, wenn dein Paco plötzlich aggressiv zu werden scheint und dich sogar anknurrt.
Das kann, wie meine Vorrednerinnen schon sagten, mehrere Gründe haben. Vielleicht fühlt er sich wirklich als Herr im Schwarm und will dir zeigen, wo's langgeht. Oder er fühlt sich überfordert und braucht noch Eingewöhnungszeit. Oder umgekehrt: Er langweilt sich so allein in seinem Käfig und vertreibt sich mit Hacken und Fauchen die Zeit. Oder er gehört von Natur aus zu jenen Amazonen, die sowieso gern den dicken Macker markieren, selbst wenn sie's nicht böse meinen.
Ich kenne alle Verhaltensweisen, die du von deinem Paco beschrieben hast, von meinen Amazonen, sogar von Max, der auch eine
Handaufzucht ist. Er hat mittlerweile gelernt, auf meine Hand zu steigen, und das macht er auch vorbildlich - aber nur, wenn
er selbst weg will und zu faul ist zum Fliegen. Möchte
ich ihn aber transportieren, weil er vielleicht in die
Voliere zurück soll, und er ist mit anderem beschäftigt, dann grunzt er mich unverschämt an und hackt auch nach meiner Hand. Allerdings ist das mehr Show, richtig weh tut es nicht; es kneift höchstens ein bisschen. Solche Attacken sind bei uns ganz normal. Sie gehören in die Kategorie: Lass mich in Ruhe, und wenn du nicht von allein deine Hand wegziehst, dann erschreck ich dich jetzt ganz fürchterlich, indem ich so tue, als würde ich sie dir abbeißen! Jawohl, und fauchen tu ich dazu auch noch! Bei Freunden, die zu Besuch kommen und über diesen Mechansimus nicht Bescheid wissen, funktioniert das ganz phantastisch: Alles zieht erschreckt die Hand zurück - und mein Max hat erreicht, was er wollte. Außerdem darf er sich als King fühlen.
Was ich damit sagen will: Man muss sich als Ama-Halter darauf einstellen, dass eine gewisse Ruppigkeit im Umgang mit unseren Händen immer bleiben wird. Es gibt Amazonen, die eher sanftmütig sind, und andere, die es richtig toll finden, ihren Schnabel zu gebrauchen. Auch mein Max grunzt, faucht und hinterlässt seine Schnabelabdrücke in meinem Fleisch, wenn wir toben und ich ihn ordentlich durchknuddele. Da sind
Handaufzuchten auch nicht anders als Naturbruten. Es ist eher eine Charaktersache als eine Frage der Zähmung. Insofern hat es meiner Meinung nach auch nicht viel zu sagen, wenn der Züchter meint, Paco sei bei ihm ganz anhänglich gewesen. Na und, ist es ein Wunder? In ein paar Monaten, wenn Paco endgültig verstanden hat, dass
du jetzt seine neue Bezugsperson bist und dein Wohnzimmer sein neues Zuhause ist, dann wirst vermutlich
du diejenige sein, die ihn allein anfassen darf, während er Fremden aus dem Weg gehen wird oder sie sich mit Fauchen und Hacken vom Leibe zu halten versucht.
Wie gesagt, ich kann verstehen, dass du irritiert bist. Aber mir kommt Pacos Verhalten eigentlich ganz normal vor. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass es so bleiben wird. Er braucht vermutlich noch ein bisschen Zeit, um sich einzugewöhnen; auch in dieser Beziehung ist jedes Tier anders. Gönn ihm die Ruhe, fummel nicht unnötig an den Gitterstäben herum, sondern rede sanft mit ihm und halte ihm ein Leckerli hin. Und wenn er das alles auch nicht mag? Ja, dann bleib doch mal ein paar Tage ganz von seinem Käfig weg. Komm ihm auch nicht zu nahe beim Saubermachen, respektiere seine Grenzen. Der Rest wird dann schon kommen, da bin ich mir sicher. Du musst dich nur auf sein Tempo einstellen und nicht das Umgekehrte von ihm verlangen.
Wann man seine Amazone am besten zum ersten Mal rauslässt - ja, das ist auch so eine Frage, für die es wohl kein Patentrezept gibt. Das ist eine Sache des Instinktes und der Experimentierfreudigkeit. Wenn es dir nichts ausmacht, dass so ein grüner Brummer womöglich kopflos durch dein Wohnzimmer rudert und dabei alles umfegt, was ihm im Weg steht, ja, dann könntest du theoretisch heute schon die Käfigtür öffnen.
Wichtig ist, dass du vorher alles wegräumst, was dir lieb und teuer ist (Vasen, Blumenübertöpfe). Wenn's geht, mach die Jalousie runter (und die Lamellen auf für genügend Licht), damit der Vogel sieht, dass dort ein Hindernis ist. Erfahrungsgemäß fliegen die Grünen immer in Richtung Fenster, und wenn nichts davor ist, knallen sie böse dagegen. Zu empfehlen ist außerdem ein zweiter Landeplatz im Zimmer (ein Schrank tut's auch), sonst muss der Vogel im Kreis fliegen, und nicht jeder findet in der ersten Orientierungslosigkeit das Dach seines Käfigs so schnell wieder.
Ach ja, und viel Zeit solltest du mitbringen. Du musst nämlich unter Umständen ziemlich lange warten, bis dein Paco wieder von allein in den Käfig geht. Manche Amas verweigern sich sogar ganz in dieser Hinsicht, wie mein Max zum Beispiel. Der fand Mias
Voliere viel schöner als seinen dummen (Übergangs-) Käfig und ist beim ersten Freigang gar nicht mehr davon zu trennen gewesen. Da musste ich dann in die Trickkiste greifen, um ihn wieder einzufangen.
Vielleicht wird dein Paco aber auch erst mal gar nicht rauswollen aus seinem Käfig. Auch das kann passieren. Nicht jede Amazone findet nämlich die Freiheit attraktiver als ihre "Schutzhöhle". Doch auch das wird sich nicht lange halten. Irgendwann wollen
alle Amazonen durchs Zimmer fliegen oder zumindest aufs Käfigdach klettern, um mal zu gucken, was es da alles Interessantes gibt. Die Neugier wird deinen Paco schon Beine machen. Nur, wie gesagt, lass ihm Zeit!
Mach dir nicht so viel Sorgen - das wird sich schon alles einrenken!
Viele Grüße
Rinus.