MEINE Kommunikation durch Clickertraining

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Stephanie

Stephanie

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Hallo,
ich habe mal das Bedürfnis, meinen "Werdegang" mit dem Thema Kommunikation mit Tieren (später: durch Clickertraining) allg. aufzuschreiben.

Wie die Überschrift sagt, geht es um MEINE ganz persönlichen Erfahrungen und Ansichten, nicht darum, dass und warum jeder clickern, oder mit seinen Vögeln clickern sollte oder dass es keine Alternativen dazu gäbe!



Aber es kommt in letzter Zeit immer wieder zu Missverständnissen, glaube ich, wenn ich das Thema erwähne, also würde ich es als Gral FÜR ALLE betrachten.
Dem ist nicht so, nur kenne ICH keine Alternative, deren Regeln für alle bekannt und durchführbar wären.

Ich fange mal an.;)

Und zwar ganz am Anfang.
Ich war als Kind wie viele Kinder von diesen Kinderbüchern und -filmen begeistert, in denen es um eine ganz besondere Beziehung zwischen einem Tier und einem Menschen geht.
Allerdings merkte ich natürlich schnell, dass dies in der Realität eigentlich nicht vorkommen kann.
In den Geschichten gab es drei Möglichkeiten:
1. Besonderes Tier trifft Menschen und entschließt sich, mit ihm eine Freundschaft einzugehen.

2. Besonderer Mensch trifft Tier und zähmt es, so dass das Tier nur zu diesem Menschen zahm ist oder

3. Besonderer Mensch trifft besonderes Tier...

Meine erste Begegnung mit einer realen besonderen Beziehung waren die Wellensittichbücher von Annette Wolter.
Dort beschrieb sie spärlich aber sehr charmant ihre Beziehung zu ihrem Wellensittich Manky.
Der verbrachte seine ersten beiden Jahre oder so in einem Minikäfig alleine und kam dann zufällig nach Tod des Besitzers zu ihr.
Er lag, laut Buch, "zitternd vor Angst buchstäblich auf dem Bauch".
Später wurde er dann sehr zahm - mit "Geduld und Liebe" - lernte Sprechen, sagte öfter mal das Passende zu einer Situation und hatte auch sonst charmante Eingenschaften, die man Wellensittichen nicht so zugetraut hätte (ließ sich am Kopf kraulen, flog los, damit sein Weibchen das auch tat und vom Lieblingsfutter weg ging...).
Die Beispiele dafür waren über die Bücher verstreut, aber leider verriet sie nicht wirklich, wie sie denn das Vertrauen dieses Vogels erlangte, der laut Züchterin schon zu alt war, um noch mal zahm zu werden.

So glaubte ich lange, dass es so abliefe:
Man holt sich einen Wellensittich - ich bekam einen geschenkt - zähmt ihn innerhalb der ersten 3 Monate oder so und dann holt man sich einen Vogelpartner,
Der wird dann so zahm, wie er das vom ersten abschaut, also werden alle weiteren Partner immer nur so zahm, wie sie das vom vorherigen abschauen, also nimmt die Zahmheit immer weiter ab und man kann nichts dagegen machen.
Hatte der Vogel ein Schockerlebnis, ist sein Vertrauen in den Menschen auf ewig zerstört, es sei denn man kennt Frau Wolters Zauberformel, die sie uns ja lieder nicht verraten wollte.
So hatte ich einen Vogel, Racoby, der naturzahm war, dann einmal von mir angeschubst wurde, damit er in den Käfig ging, als er gerade 3 Monate alt war und dann die restlichen 9 Jahre seines Lebens so scheu blieb...

Ende der 90er Jahre hatte ich 2 Wellensittiche, die wenig Kontakt zu mir pflegten.
Tierarztbesuche oder "Verschiffungen" in kleinere Transportkäfige waren eine Qual für alle; in einem Extremfall habe ich mal eine Woche den ganzen Tag - anfangs nur stundenweise - den Tranpsortkäfig Tür an Tür mit dem Wohnkäfig gestellt und später Futter und Äste entfernt, bevor ein Vogel rechtzeitig rüber wechselte (ich wollte Weihnachten zu meinen Eltern und in der wohnung hätte keiner die Vögel betreut); später wurde dann mal der TA ins Haus gerufen, weil die Vögel net rüber wechseln wollten...der konnte sie aus dem großen Käfig dann nicht fangen....

Ende der 90er Jahre las ich ein Buch von Monty Roberts mit dem lustigen Titel "The man who listens to horses talks to people".:p

Die Methode ist heute natürlich fragwürdig, da im Gegensatz zu den Behauptungen doch Gewalt im Spiel ist (Pferd wird geänstigt und kann halt nicht weg).
Interessant fand ich die Idee, mit Tieren in ihrer Sprache zu kommunizieren, hatte aber keinen Plan, wie ich das bei Wellensittichen, die meist ja nur meine Hand direkt vor sich hatten, ausprobieren könnte.

Fastinierend fand ich aber die Idee, dass man tatsächlich mit Tieren "reden" konnte, was ja vorher nur als Fantasie in Kindergeschichten vorgekommen war!


Als ich das erste mal etwas vom Clickern hörte, hatte ich leider schon vorher Berührung mit Tiererziehung bekommen durch eine Hundeerziehungssendung die besagte, dass Erziehung darin besteht, dem Tier mit Schreckmitteln zu vermitteln, was es NICHT darf.
Zu dem Zeitpunkt hatte ich 2 nicht zahme, aber auch nicht ängstliche Wellensittichweibchen, von denen eines das andere arg mobbte.
Dies versuchte ich leider auch prompt durch Strafe - schön rütteln mit einer mit Kleingeld gefüllten Flasche :nene: - zu unterbinden, denn das Opfer fiel dabei immer wieder auf den Boden etc.

In diese Zeit fiel mein erster Kontakt mit CT und der Möglichkeit, das auch bei Vögeln anzuwenden.

Baustellen gab es genug:
So biss Calsey mich öfter mal blutig, nachdem sie frewillig auf meinen Arm geflogen war oder biss, wenn ich den Wassernapf auswechseln wollte, ging dort aber extra dann hin, wenn ich eben mit der Hand in den Käfig langte...
Zudem gab es den Zickenkrieg, der so heftig war, dass ich eigentlich Calsey abgeben wollte (aber nicht wusste, wohin).

Meine ersten Versuche waren dann recht stolpernd, weil ich vieles nicht richtig verstanden hatte.
Aber auch hier zeigte sich schon Interesse der beiden Vögel (es vergingen 2 Jahre zwischen erster Info und dem ersten richtigen Training, so dass das Mobbingopfer inzwischen verstorben war und an seine Stelle der extrem ängstliche Twitch getreten war).

Twitch hatte ja auch Baustellen:
Angst bei allen Alltagsaufgaben, nicht aus dem Käfig Kommen, wenn, dann nicht weit Fliegen, obwohl er gekonnt hätte.

Mit dem Clickertraining schaffte ich es dann mit der Zeit, die Vögel in die Box, weg vom Wassernapf und mehr aus dem Käfig zu bekommen, Calsey das Beißen abzugewöhnen, Tagesroutinen zu festigen (abends in den Käfig, morgens aber erst mal raus, mehr fliegen etc.).
Vor allem aber bemerkte ich ein Schema, dass sich so oder ähnlich bei ALLEN inzwischen 6 "Clickervögeln" wiederholte:

1. Anfangsphase: Kondi, Vogel bemerkt die Routine, ist leicht interessiert.
2. Routine, Vogel wird motivierter, traut sich ein wenig zu probieren
3. Erster Durchbruch: Vogel macht außerhalb der Clickerübungen etwas, das er dort gelernt hat um zu zeigen, dass er clickern möchte (Twitch: sitzt ganz freiwillig auf seinem Trainingsplatz in der Käfigtür, obwohl er vorher nicht mal freiwillig aus dem Käfig kam, wenn es sich verhindern ließ...)
4. Vogel imitiert sehr schnell das Verhalten des Partnervogels und überspringt ganze Lernschritte, fasst schnell Vertrauen, weil der Partnervogel dafür belohnt wird.
5. Vogel fängt an, selbst Ideen zu entwickeln und mit mir zu kommunizieren; er zeigt mir, was er möchte, und weil wir vorher intensiv interagiert haben, verstehe ich das auch.
6. Vogel findet seine eigene "Redewendung" um mir zu sagen, dass er clickern oder etwas anderes, z.B. nur Aufmerksamkeit, oder etwas Bestimmtes will:
Bei meinen Vögeln war das
- Sitzen an einem bestimmten Ort
- Flügelheben
- leise Piep sagen.
7. Vogel initiiert eine Interaktion mit mir, bspw. indem er mir ungefragt zufliegt oder sich ein Spiel ausdenkt!
8. Vogel besteht auf die Interaktionen mit mir, auch, wenn wir nicht clickern und er keine Belohnung dafür bekommt.
Vogel bezieht mich in die Interaktionen mit (dem) anderen Vogel/ Vögeln mit ein, bspw. indem ich "geholt" werde: Vogel fliegt über mich weg, damit ich zum Käfig komme und die Vögel dann mit mir "Fangen spielen" = Zuflug/ Auspowern können.
9. Es entsteht eine Zutraulichkeit, auf die nicht hin trainiert wurde, der Vogel weiß, dass ich auch noch zuverlässig bin, wenn er sich mal erschreckt hat und kommt dann immer wieder (was beim Zähmen nur mit Hirse nicht unbedingt so war, s. Racoby).

Warum nun gerade Clickern?


Warum nicht eine andere Methode?

Ich selbst muss zugeben, dass ich nur wenige Möglichkeiten kenne, das Vertrauen eines Vogels derart auf- und auszubauen:

1. Vogel ist mal intensiv gezähmt worden oder ist schon zahm oder hat ein Grundvertrauen, das in seinem Charakter bedingt ist (Finn, Calsey).
Bei Störungen dieses Grundvertrauens kann ich dann nichts weiter tun....:+keinplan
(= evtl. "Besonderes Tier")

2. Der Halter hat halt eine gute Intuition. Er kann oder will aber nicht erklären, wie das Vertauen zwischen ihm und dem Vogel zustande kommt, so dass der Vogel nur bei ihm so zutraulich ist; andere können das nicht reproduzieren.
Oder der Halter hat eine bestimmte Ausbildung...
In beiden Fällen kann Ottonormalhalter das nicht mit seinen Vögeln erreichen.
(= "Besonderer Mensch/ Halter").

3. Eine Kombi aus beidem: Besonderer Mensch trifft besonderen Vogel: In keinem Fall für anderen reproduzierbar...:~

4. Positive Verstärkung à la Niemann: Locken mit Futter statt Click.
Fixiert das Tier sehr auf Futter, in Stresssituationen, wenn kein Futter da ist, macht das Tier evt. nicht mit.

5. Clickertraining UND Routine:
- hat klare festgelegte Regeln (die man wohl auch dehnen kann; das Leben besteht nicht nur aus Regeln. Wenn aber was schief läuft, weiß man, worauf man sich zurück besinnen sollte...)

- kann von jedem Menschen erlernt werden

- kann bei jedem Tier klappen (besonderes tier und besonderer Mensch und besondere Ausbildung fallen aus!)

- macht dem Tier Spaß, motiviert das Tier, und fördert Kreativität, das Tier lernt, mehr Verhaltensweisen in seinen Alltageinzubauen als vorher, das Tier lernt denken, Problemelösen

- auch nach Misserfolgen kann man (auf) das Grundvertrauen immer wieder aufbauen.

Was spricht gegen das Clickern (bekannte Argumente)?
- Dressur: Tier wird vorgeführt.
KANN sein, MUSS nicht sein, liegt nicht an der Methode.

- Tier wird seiner Natur entwöhnt, indem es unbekannte Verhaltensweisen lernen muss; dies ist auch entwürdigend.

Meine Ansicht:
Ist es nicht eher bereichernd für Tiere, wenn sie Neues lernen, mehr Verhaltensweisen zur Verfügung haben, Spaß am Lernen haben?
Was könnten wir, wenn wir uns nur auf uns selbst beziehen müssten und nur das machen könnten, was wir natürlicherweise können oder was unser einer Partner uns vermittelt - ohen Medien bspw.?
Clickern vermitteln den Vögeln die Möglichkeit, zu lernen, wie sie Neues lernen können.
Das setzten sie auch in ihrer "Freizeit" ein.

- Vogel lernt das auch ohne Clicker.

Sicher.
Möglicherweise.
Aber nicht bei jedem.
Clickern gibt aber Menschen, deren Intuition nicht so intensiv ist oder die kein besonderes Tier und keine besondere Ausbildung haben, die Möglichkeit, auch mit ihren Tieren zu kommuniziere.
Alternative Methoden, die im Forum genannt wurden, hatten immer etwas mit positiver Verstärkung ohne Marker, Intuition oder einem "magischen" Moment ("es klappt halt") zwischen Halter und Tier zu tun.
Das ist zwar schön, aber lässt die im Regen stehen, die dieses magische Moment nicht erleben durften...

Leider wird das magische Moment auch immer wieder von professionellen Trainern oder "Gurus der Szene" herangezogen:
Es klappt halt, aber ich kann nicht sagen, wie.

Das Wissen, das dann bei guter Beobachtung und Nachvollziehen der Beziehung zum Tier für alle zur Verfügung stünde, geht so verloren oder wird gehütet, damit Guru noch etwas Geld verdienen kann (nach dem Motto, staunt, was ICH mit MEINEN Tieren kann).

Mich faszinieren allg. Themen wie Denken, Lernen, Kommunikation.
Tieren wurde vieles davon lange und noch bis vor gar nicht allzu langer Zeit abgesprochen.
Ich selbst habe in der Schule noch gelernt, dass Konditionierung unbewusstes Verhalten hervorbringt, im Gegensatz zu Lernen durch Einsicht, das nur der Mensch könnte.
Dass operatante Konditionierung auch Denken hervorbringen kann, wäre zu meiner Schulzeit schon bekannt gewesen ("Lads before the wind" - Creative porpoise experiment), war aber dem Lehrer nicht bekannt.

Faszination Clickertraining:

Die Faszination liegt für mich nicht (nur) darin, dass ich meinen Vögeln beibringen kann, etwas entspannt und freiwillig zu machen, vor dem sie sonst Angst hätten (sich berühren, greifen zu lassen, in die Box zu gehen, Medikamente zu nehmen), sondern vor allem darin, dass eine Kommunikation auf beiden Seiten zustande kommt und dass der Vogel lernt, kreativer zu werden, etwas, das Menschen auch meist sehr bewusst lernen müssen und nicht immer von sich aus können!
Auch darin, dass man aus meiner Sicht beim Clickern viel mehr vom Vogel mit bekommt, ihn besser als Individuum kennen lernt, merkt, ob er eher ernst oder vielleicht sogar humorvoll, hinterlistig oder "brav" ist.
Und darin, dass aus all dem, ohne Clicker und Leckerli, dann doch hin und wieder magische Momente entstehen, in denen der Vogel etwas "vorschlägt" und man darauf eingehen kann, ohne bewusste Kommunikation, rein durch minimale Körpersprache, wie bei einem alten Ehepaar.
(Blcik zum Käfig: Finn, solltest du jetzt nicht mal reingehen? Blick zur Anflugstange: Einmal Zuflug noch? - Er fliegt ein paar mal zwischen Anflugstange und meiner Hand hin und her, lässt sich auf den Rücken drehen und hüpft dann in den Käfig...:dance:).

Fotos:

Twitch auf seinem Trainingsplatz = freiwillig außerhalb des Käfigs & auf meiner Hand:
Wäre das MIR und IHM ohne CT möglich gewesen?
 

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Hallo Stephanie,

Du hast in Deinem Beitrag glaube ich ganz gut deutlich gemacht, dass Kommunikation nicht einseitig sein kann, d.h. dass Kommunikation immer zwei Seiten betrifft und dass Kommunikation nicht stattfinden kann, wenn eine Seite die Kommunikation der anderen Seite nicht beachtet oder nicht kennt.

Die Kommunikation von Dir zu Deinen Piepern ist das Clickertraining und durch das Clickertraining, durch den Zwang für Dich als Trainer Dein Tier lesen zu lernen, wann hat es Angst oder wann fühlt es sich wohl, verstehst Du die Kommunikation Deiner Tiere, z.B. durch Gefieder anlegen, Pupillen weiten, in einer bestimmten Art zu piepen/sabbeln/..., div. andere Aktionen/Reaktionen, deutlich besser und schneller und kannst dann auch entsprechend darauf reagieren.

Danke für Deine schöne Zusammenfassung.
 
Thema: MEINE Kommunikation durch Clickertraining

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