Nach artenschutzrechtlichen Bestimmungen (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG - ) ist es untersagt, wild lebende Tiere der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören.
Dieses Verbot umfaßt auch Einzelaktivitäten von Personen, ist aber "nicht etwa auf Einzelaktivitäten von Personen beschränkt (...)." (Trautner, J. & R, Jooss (2008 ): Die Bewertung "erheblicher Störung" nach § 42 BNatSchG bei Vogelarten, in: Naturschutz und Landschaftsplanung – Zeitschrift für angewandte Ökologie, Ausgabe 9/2008, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, S. 265 – 272)
Mit Urteil(en) vom 31.07.2007 (Az. RN 11 K 06.1930 und RN 11 K o7.0275) hat das Verwaltungsgericht Regensburg die Rechtmäßigkeit einer Untersagung der Aufstiegserlaubnis von Modellflugzeugen "wegen Störung der Nist-, Brut- und Wohnstätten von Vögeln und Vorliegen eines nicht zulassungsfähigen Eingriffs in Natur und Landschaft" und die "rechtmäßige Versagung eines (...) erlaubnisfreien Modellflugbetriebes aus naturschutzrechtlichen Gründen" bestätigt.
Aus den Gründen:
"Dabei gelten die Ausführungen zu § 42 BNatSchG entsprechend. Die Eingriffsregelung unterscheidet sich aber in zweifacher Hinsicht von § 42 BNatSchG: (1.) Die konkrete Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung der Vögel reicht aus (Art. 6 Abs. 1 BayNatSchG). (...) (2.) Eine erhebliche Beeinträchtigung der Vogelwelt als Teil des Naturhaushalts i.S.v. Art. 6 Abs. 1 BayNatSchG kann daher auch darin liegen, dass die Tiere (...) bei der Nahrungssuche gestört und dadurch ihre Reproduktions- und Überlebensfähigkeiten (ihre "Fitness") verringert werden." (Anmerkung: Markierungen durch Fettdruck und Unterstreichung von mir)
Bitte nicht an der nur sehr indirekten Vergleichbarkeit von Modellflugzeugen und Großpapageien Anstoß nehmen. Wesentlich an/in der Urteilsbegründung ist die Aussage, daß
a.
bereits die konkrete Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Vögel zur Verbotsbegründung ausreicht und es keiner Beweisführung hinsichtlich tatsächlich eingetretener (respektive: anderweitig festgestellter) Beeinträchtigungen bedarf,
b.
daß eine konkrete Beeinträchtigung schon isoliert (ohne Berücksichtigung weiterer Störfaktoren) in einer Störung der Tiere (Vögel) bei der Nahrungssuche liegen kann.
Ausnahmemöglichkeiten von den Regelungen des § 42 BNatSchG sind eng reglementiert. Hierzu nochmals Trautner & Jooss (Quelle siehe 2. Abschnitt d. Postings): "Ist eine erhebliche Störung nicht zu vermeiden oder auf ein unerhebliches Maß zu mindern, so ist für Vorhaben öffentlichen Interesses eine Realisierung nur im Ausnahmeregime des § 43 möglich."
Es liegt auf der Hand, daß für "konkrete Möglichkeiten einer Beeinträchtigung" (Störung) durch praktizierten Freiflug von Großpapageien keinerlei "öffentliches Interesse" (im Sinne der Gesetzgebung), sondern nur Partikularinteressen einer kleinen Gruppierung herleitbar sind. Das potenzielle Risiko einer Störung (bzw. die Störung) ist vermeidbar (Rechtsbegriff: "vermeidbare Störung") bzw. im Umkehrschluß: nicht unvermeidbar.
Zum Begriff der Störung: Störungen sind Ereignisse, die "ausgelöst durch einen natürlichen oder anthropogenen Störreiz (...) bei einem Tierindividuum eine (...) Veränderung auf physiologischer Ebene (...) oder eine (sichtbare) Verhaltensänderung (...) bewirken (...)." (Roth, M. & J. Ulbricht (2006): Anthropogene Störungen als Umweltfaktor, in: Bauer, H. et al., Freiraum und Naturschutz, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg, S. 152 / fast gleichlautend bei: M. Stock et al. (1994): Der Begriff Störung in naturschutzorientierter Forschung: ein Diskussionsbeitrag aus ornithologischer Sicht, Zeitschrift für Ökologie und Naturschutz 3. (1), S. 49-57)
Der Charakter (die Einstufung) des Gebietes, in welchem Freiflug mit Großpapageien praktiziert wird (werden soll), ist zwar anderweitig nicht unwesentlich (Stichwort: FFH-Richtlinien), spielt aber hinsichtlich der Bewertung von Zulässigkeiten/Unzulässigkeiten im Sinne des BNatSchG keine Rolle. Hierzu Trautner & Jooss: "Im Gesetzestext wird das Verbot der erheblichen Störung nicht auf bestimmte Räume oder Habitate beschränkt, sondern zeitbezogen definiert (BNatSchG § 42 Abs. 1 Nr. 2: während der Fortpflanzungs-, Aufzuch-t, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten)."
Unterschiedliche "Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten" bei zudem nicht zu erwartender Kenntnis der in den vorgesehenen "Freifluggebieten" zu den jeweiligen Zeiten vorhandenen Vertreter der heimischen Avifauna* lassen (wenn überhaupt) ein bestenfalls ganz enges (kaum bestimmbares und daher für die Praxis irrelevantes) Zeitfenster für "Freiflüge" zu, die bei großzügigster Auslegung und unter Außerachtlassung weiterer (zu beachtender) rechtlicher Regularien (u. a. des TSchG) den Vorgaben des § 42 BNatSchG entsprechen könnten.
Um eine kleine Vorstellung darüber zu vermitteln, mit dem Vorkommen wie vieler Arten auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu rechnen ist, nachstehend ein kleiner Teil der Ergebnisse des DDA-Birdrace 2008 (Birdrace ist ein bundesweiter Wettkampf des Dachverbandes Deutscher Avifaunisten, bei dem verschiedene Teams an einem Tag zwischen 0 und 24 Uhr innerhalb eines Landkreises die dort vorkommenden Vogelarten beobachten und dokumentieren):
Nordfriesland-Team (Zählergebnis): 161 Arten, Schwalm-Eder-Kreis-Team (Zählergebnis): 126 Arten, Lahn-Dill-Kreis-Team (Zählergebnis): 120 Arten, Mainz-Bingen-Team (Zählergebnis): 112 Arten, Merzig-Wadern-Team (Zählergebnis); 93 Arten. (veröffentlicht in: Flieg und Flatter – Aktuelles aus der Vogelschutzwarte, Ausgabe 15 / August 2008, Staatl. Vogelschutzwarte f. Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, S. 4)
Es sollte (von rechtlichen Aspekten abgesehen) jedem/jeder "Natur- und Vogelfreund/in" einleuchten, daß das Interesse an weitgehender Störungsfreiheit der vielen heimischen Arten über den Partikularinteressen von "Freiflugenthusiasten" stehen muß.
Von der Nichtbeschränkung der Regelungen des § 42 BNatSchG auf "bestimmte Räume oder Habitate" abgesehen, ist (rein "informatorisch") festzuhalten, daß auch in vermeintlich "minderwertigen" Gebieten durchaus mit der Anwesenheit störempfindlicher Arten gerechnet werden kann (so u. a. A. Garnel et al. (2007): Vögel und Verkehrslärm: Quantifizierung und Bewältigung entscheidungserheblicher Auswirkungen von Verkehrslärm auf die Avifauna, Schlussbericht November 2007 / Langfassung FuE-Vorhaben 02.237 / 2003 / LR des Bundesmin. f. Verkehr, Bau u. Stadtentwicklung, Bonn / Kiel).
Einige (ausweitbare) Beispiele für "konkrete Möglichkeiten einer erheblichen Beeinträchtigung der Vögel" durch ein oder mehrere freifliegende/s Exemplar/e sog. Großpapageien:
a.
Einhalten von Effektdistanzen seitens heimischer Vögel, ausgelöst durch akustische und/oder optische Wahrnehmung beispielsweise eines Ara in (oder in unmittelbarer) Nähe einer Nahrungsquelle (Baum, Strauch etc.).
b.
Beibehaltung von Effektdistanzen durch besonders störanfällige Arten über den Zeitpunkt der Präsenz artfremder Freiflieger hinaus.
c.
Erhebliche Beeinträchtigung heimischer Arten zu erhöht störungsrelevanten Zeiten (wie zum Beispiel: Brut, Jungenaufzucht). Mögliche Folge: Fernbleiben futtertragender Altvögel.
d.
Erhöhte Beeinträchtigung revierbesetzender heimischer Arten des Offenlandes (wie zum Beispiel: Feldlerche). Mögliche Folge: Verlassen angestammter Reviere* (und Brutreviere) bei mehrmaliger (respektive: längerfristiger) "Freiflugnutzung" im gleichen Areal. Brutausfälle.
*Jeromin hat in einer Arbeit eine Reviergröße der Feldlerche von 1,0 bis 1,3 Hektar für Ackerflächen in Schleswig-Holstein ermittelt (Jeromin, K. (2002): Zur Ernährungsökologie der Feldlerche (Alauda arvensis L. 1758 ) in der Reproduktionsphase, Diss. Math,-Naturwiss. Fakultät der Christian-Albrechts-Universität, Kiel).
Gruß
MMchen