Hallo Helmut,
offensichtlich hast Du großes Glück gehabt und einen der wenigen Graupapageien erwischt, die sich auch ohne Partner zumindest wohl genug fühlen, um nicht zur Selbstverstümmelung überzugehen.
Dein Graupapagei hat weniger Glück gehabt, muß er sich doch mit einem menschlichen Partner zufrieden geben.
Das ist für ihn mit Sicherheit die gleiche Situation, wie es für Dich wäre, wenn besagter Papagei Dein einziger Sozialpartner wäre.
Sicher würdest Du ihn auch dann innig lieben und an ihm hängen, ein Ersatz für eine Ehefrau oder auch nur für die Skatrunde unter Nachbarn wäre er Dir dennoch nicht.
Der Papagei merkt davon nur, daß Du Dich freust, wenn er sich mit Dir beschäftigt-so wie Du nur merkst, wie er sich freut, wenn Du Dich mit ihm abgibst.
Wärst Du sensibel, würdest Du in einer solchen Situation sicher arge Hospitalismen entwickeln-und dennoch Deinen Papageienpartner innig lieben.
Wärst Du seelisch robust, würde man Dir nicht viel anmerken. Dein Papagei würde aber sicher ebenfalls die Freude bemerken, die Du am Umgang mit ihm hast.
Glücklich, wage ich zu sagen. wärst Du dennoch nicht.
In ebendieser Situation befindet sich Dein Grauapagei. Bei der hohen kognitiven Intelligenz dieser Vögel ist übrigens selbst ein solch gewollt anthropomorphistscher Vergleich auch gar nicht mal so abwegig.
Fazit sollte also sein, auf jden Fall zu versuchen, den Vogel noch zu verpaaren.
Vorneweg: Wie so viele Halter hier kann ich Dir nur bestätigen, dass es an Zahmheit und "Sprachfreude" nur in seltenen Fällen viel ändert, wenn ein Partner hinzukommt.
Das Männchen meines Paares hat durchaus auch einen Wortschatz von 300 Wörtern, dabei viele längere Sätze, und er wendet sehr viel stets situationsgerecht an.
All das hat er gelernt, während er mit seiner Partnerin zusammenwohnt udn nur weniges haben wir ihm aktiv beigebracht. Das meiste ist aufgeschnappt.
Zahm und "schmusig" sind beide. Mit dem Weibchen darf ich ALLES machen, ohen das es je zu beissen versuchten würde.
So etwas sollte dem Halter zwar zweitrangig sein, aber zur Beruhigung erwähne ich es dennoch.
Nun wieder zu Deinem Vogel: Auf jeden Fall solltest Du sein Geschlecht bestimmen lassen und nur einen gegengeschlechtlichen Partner erwerben, der auch schon mindestens 8-10 Jahre alt ist-mit einem temperamentvollen Baby oder halbwüchsigen wird Dein Tier nicht viel anfangen können.
Dein Papagei wird sowieso jeden Artgenossen zunächst als Konkurrenten um sein Heim und Deine Gunst betrachten und aufs heftigste zu bekämpfen versuchen.
Nichts ist normaler als das.
Woher soll er auch wissen, dass das ein potentieller partner ist, der viel mehr zu bieten hat als der gewohnte und geliebte federlose Zweibeiner?
Der Neuling braucht also unbedingt einen eigenen Käfig und Du musst immer und überall Deinen alten papageien bevorzugen, um ihm möglichst wenig Grund zur Eifersucht zu bieten. Ihn zuerst füttern, zuerst kraulen, etc etc.
Dann bist Du auch in der Pflicht, Deinem Papagei in den nächsten Monaten etwas weniger Beachtung zu schenken als bisher.
Ein wenig Langeweile macht neugierig auf neues!
Irgendwann wird er dann merken, daß der eklige Kerl im Käfig nebenan doch einige interessante Verhaltensweisen drauf hat und eine irgendwie vertraute Sprache spricht.
Gibts erste akustische Kommunikationen kannst Du erste gemeinsame Freiflüge unter strikter Aufsicht versuchen.
Sehr wahrscheinlich wird das erst Chaos geben und es kann lange dauern, bis die zwei sich tolerieren und noch länger, bis sie sich mögen.
Aber ein bis zwei Jahre solltest Du ihnen dafür schon Zeit lassen.
Nur, wenn auch nach dieser Zeit noch absoluter Hass herrscht, sollterst Du entweder zur Einzelhaltung zurückkehren oder besser , einen anderen Partner versuchen.
Es kann so lange dauern und schwierig werden-muss aber nicht. In den meisten Fällen von über 10 Jahre einzeln gehaltenen Grauen, die ich kenne, klappte es mit einem Partner nach 3-6 Monaten mit der gemeinsamen Unterbringung und fast immer wurde Liebe oder zumindest große Zuneigung daraus.
Sollte Deiner eine Naturbrut oder ein Wildfang sein, stehen die Chancen wirklich gut! Isolierte
Handaufzuchten sidn schwieriger-aber wo gabs die schon vor über 20 Jahren?
Ausnahmen gibt es leider dennoch und eine Garantie, daß die Zwangsverpaarung mit einem willkürlich ausgesuchten Partner klappt, gibt es nicht.
Solltest Du die Möglichkeit haben, Deinen Vogel einem Züchter mit einem Schwarm in Pflege zu geben, wo der Vogel mit seinem Käfig eine Zeit lang in der Flugvoliere stehen kann, erhöht das die Chance, daß er Interesse an einem der dort fliegenden findet-selbst, wenn das ein Jungspund sein sollte.
Fazit: Nicht garantiert einfach, aber auf jeden Fall einen Versuch wert, den Vogel noch zu verpaaren.
Aber nicht überfordern und forcieren, sonst besteht das Risiko, daß er WEGEN des neuen zukünftigen Partners mit Frustrupfen beginnt.
Hättest Du 20 Jahre nur mit einem Papagei zusammengelebt, würdest Du auch nicht gleich mit der erstbesten Dir vermittelten Frau sofort eine harmonische Beziehung führen können.
Also Geduld.
Und nicht vergessen: Auch nach 25 Jahren ohne Probleme (für den Menschen), kann ein einzeln gehaltener Papagei noch schwere Verhaltensstörungen entwickeln. So etwas passiert oft nach Änderungen im persönlichen Umfeld oder Zeitregime des menschlichen "Partners" -und seien sie noch so gering