Ernährung und Temperatur, Gefieder

Diskutiere Ernährung und Temperatur, Gefieder im Forum Greifvögel und Eulen im Bereich Wildvögel - Hallo, ich habe zwei Fragen an die Praktiker und Profis unter Euch. Die erste bezieht sich auf die Temperaturabhängigkeit der Nahrungsmenge...
toxamus

toxamus

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Hallo,

ich habe zwei Fragen an die Praktiker und Profis unter Euch.

Die erste bezieht sich auf die Temperaturabhängigkeit der Nahrungsmenge. Es heisst, je tiefer die Temperatur, desto höher die erforderliche Nahrungsaufnahme. Lässt sich diese Aussage quantifizieren, anders gesagt, um welchen Prozentsatz ändert sich die Nahrungsmenge bei einem bestimmten Temperaturunterschied?
Mir ist klar, dass dies von Vogel zu Vogel variiert und sich auch nicht so einfach in eine Formel pressen lässt, mich interessieren einfach Eure Erfahrungswerte.

Und auch die zweite Frage hat mit Temperaturen zu tun: Ist jemand bekannt, ob sich das Gefieder saisonal verändert (damit mein ich nicht die "normale" Mauser)? Viele Säugetiere haben ein Winterfell, das sich auch temperaturabhängig mehr oder weniger stark ausbildet. Beim Vogel ist das ja nicht so leicht zu erkennen, was mit dem Untergefieder passiert. Gibt es da temperaturabhängige Veränderungen?

Beste Grüsse,
toxamus
 
Sehr interessante Fragen, die aber gar nicht so leicht zu beantworten sind (es sei denn von den Praktikern, die einfach Erfahrungswerte nennen).

Prinzipiell sollte der Nahrungsbedarf mit der Temperaturdifferenz (Körpertemperatur minus Außentemperatur) zunehmen. Je nach Wärmeübertragungsmechanismus (Abstrahlung sowie Konvektion) ist das nicht mehr linear.
Während der Mensch etwa 80 - 100 Watt Wärmeleistung über die nackte Haut abgibt, dürften das bei einem Vogel mittlerer Größe noch einige, wenige Watt sein.
Da das Gefieder sehr gut isoliert - und zwar sommers wie winters - ist der Wärmeverlust relativ gering. Dass die Vögel im Winter ein wesentlich dichteres Gefieder haben, kann ich nicht bestätigen. Vielleicht ein wenig, die Spätsommermauser fällt doch etwas kräftiger aus als die Frühjahrsmauser. Aber ein richtig dickes "Wintergefieder"? Eher nicht ...

Für den Energiehaushalt ist jedoch ein ganz anderer Parameter entscheidend, und das ist die Flugleistung. Beim Flug (Rüttelflug, nicht energiesparendes Segeln, aber gestartet werden muss da auch erst einmal) steigt der Energieverbrauch auf ein Vielfaches.
Da zudem die Nahrungsquellen für die meisten Vögel im Winter knapper werden bzw. schwerer erreichbar, steigt der energetische Aufwand für die gleiche Nahrungsmenge (oder sogar noch etwas höher aufgrund der stärkeren Wärmeverluste), und die Gefahr des Verhungerns steigt, vor allem wenn die Kräftereserven alters- oder krankheitsbedingt nicht mehr so hoch sind.
Der entscheidende Punkt ist somit das erforderliche Aktivitätsniveau. Die Wärmeverluste dürften ebenfalls eine Rolle spielen, aufgrund der guten Isolation aber nur eine zweitrangige.
Bei in Gefangenschaft gehaltenen Vögeln dürfte daher der wirkliche Nahrungsbedarf in der kühlen Jahreszeit nur marginal zunehmen.

P.S.: Eine entscheidende Rolle für den Temperaturhaushalt spielen - neben gelegentlichem Hecheln und erhöhter Wasserabgabe über die Atmung - übrigens die Füße (!). Nicht umsonst wird ein Bein v.a. im Schlaf gerne eingezogen - um den Wärmeverlust über die nackte Haut zu reduzieren. Die Durchblutung kann hier stark angepasst werden. Und bei drohender Überhitzung kann der Vogel Wärme über die Beine abgeben - sie "glühen" dann regelrecht, sind also wirklich gut warm, was man leicht spürt, wenn der Vogel auf der eigenen, nackten Haut sitzt. Das ist ein zentraler Regelmechanismus, daneben finden sich auch Flügel- und Gefiederspreizen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Besten Dank für Deine ausführliche Antwort!

Du hast umrissen, was für Faktoren generell eine Rolle spielen, und ich muss meine Frage präzisieren - worauf ich eigentlich hinaus wollte, das ist die Umstellung im Nahrungsbedarf bei einer kurzfristigen Temperaturänderung, also z.B. einer Wärmeperiode im Winter oder wenns, wie derzeit, nach ein paar Wochen Kälte wieder kurzfristig warm wird.
Die aktiven Falkner müssten es wissen, weil dann für ein paar Übergangstage die Kondition nicht mehr stimmt. Wie gross ist dieser Unterschied?
Und wie ändert sich das Ernährungsverhalten eines Vogels, der in der Voliere gehalten wird, also nicht in Jagdkondition ist? Nach Deinen Überlegungen dürfte es da keinen so grossen Unterschied machen.

Beste Grüsse,
toxamus
 
Die Temperatur ist ein riesen großer Faktor bei der Kondition des Vogels. Man merkt es sofort...da wars tagelang kalt und der Vogel hat entsprechende Atzung erhalten, dann wird es schlagartig mild, wie gerade eben und schon stimmt das Gewicht hinten und vorne nicht mehr.
Gut , bei meinem Harris ist das nicht so schlimm, sie fliegt auch in hoher Kondition absolut zuverlässig, aber bei einem Jagdfalken oder Habicht könnte das Probleme machen.
Das Kröpfverhalten in der Mauserkammer ändert sich natürlich. Wenn man in Mauserkondition ist, kann man sich auch erlauben, "schnäkisch" zu werden. Da gibts welche, die mögen keine Taube, wozu rupfen oder sich anstrengen und andere mögen keine Küken... wieder andere sehen gar nicht ein, Kaninchen zu kröpfen und so weiter.
 
Eine Art "Wintergefieder" gibt es bei den Greifvögeln nicht. Gleichwohl zieht sich die Dunenmauser weitgehend über die Sommermonate hin. Ob es ein verzögertes Nachwachsen der Dunen gibt und daraus über die heiße Jahreszeit hinweg ein "dünnerer Pelz" resultiert, weiß ich nicht. Wäre aber in der Tat eine hochinteressante Fragestellung.

Bei Singvögeln kennen wir im Winterhalbjahr das Schlichtkleid. Teils resultiert es aus hellen Federrändern, die sich zum Frühjahr hin abnutzen, teils findet eine Teilmauser statt. In jedem Fall sind die Schlichtkleider weniger kräftig und heller, haben also höhere Anteile Luft und dürften dadurch auch besser isolieren. Ob dies wirklich relevante Ausmaße erreicht oder im wesentlichen nur die Optik beeinflußt, wäre ebenfalls interessant, weiß ich aber auch nicht.

Wie buteo schon schrieb, macht die Temperatur enorm viel aus. Natürlich ist das größenabhängig: Bei kleineren Vögeln kann sich der Nahrungsbedarf bei Temperaturabfall von einem Tag auf den anderen locker verdoppeln, bei großen Vögeln sind die Unterschiede weit geringer - jeweils bei gleicher Aktivität.

VG
Pere ;)
 
Ein Licht ist mir schon mal aufgegangen beim Lesen von Kasimirs Beitrag. Schon oft hab ich bemerkt, dass die Hände meines Uhus sehr unterschiedlich warm sind (von "glühend heiss" bis eiskalt"), und das zumindest nicht direkt abhängig von der momentanen Aussentemperatur und dem aktuellen Sitzplatz/Untergrund. Mit dem Stichwort "Thermoregulierung" wird da natürlich sofort ein Schuh draus! Die Mechanismen bei Enten, Gänsen oder Pinguinen zur thermischen Anpassung der Füsse/Paddel waren mir schon bekannt, dass auch bei Greifvögeln da ein Wärmeaustausch stattfindet, das wusste ich nicht.

@Peregrinus
Mit Singvögeln kenn ich mich nicht so gut aus. Von Enten weiss ich, dass sie im Winterhalbjahr (bzw. mit der Herbstmauser) ihr Prachtkleid tragen, ist das bei Singvögeln nicht so? Eine hellere Federfarbe im Winter würd ich vom Gefühl her eher einem besseren Tarneffekt zurechnen als einer besseren Isolation, aber wissen tu ich es auch nicht. Ich denke, thermisch relevante Änderungen müssten sich eher in den körpernahen Gefiederschichten abspielen.
Danke auch für den Hinweis auf die Abhängigkeit von der Grösse des Vogels, ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang!

Der Vogel reguliert seine Betriebstemperatur über die Stellung des Gefieders (Aufplustern), über hecheln und über die Ständer (danke, Kasimir ;-). Ich frag mich halt, ob diese Mechanismen (bei gleichem Gefiederaufbau) ausreichen, die Temperaturdifferenz Sommer/Winter auszugleichen, oder ob es vielleicht doch saisonale Unterschiede beim Gefieder gibt.

Beste Grüsse,
toxamus
 
Das Schlichtkleid der Enten ist mit demjenigen der Singvögel zeitlich nicht zu vergleichen. Die Enten mausern im Sommer ins Schlichtkleid und bereits im Herbst wieder ins Prachtkleid. Singvögel legen mit der Herbstmauser ihr Schlichtkleid an, überwintern mit diesem und zeigen erst im Frühjahr wieder das Prachtkleid. Wie gesagt teils durch Teilmauser, teils durch Abnutzung heller Federränder.

Bei beiden Vogelgruppen dürfte es sich ökofunktionell um eine Art „Harmoniekleid“ handeln, welches ein enges Zusammenleben in Zeiten außerhalb der Brutperiode ermöglicht. Buch- und Bergfinken sind im Winter viel schlichter gefärbt und schließen sich zu großen Schwärmen zusammen (weil im Schwarm die Überlebensrate größer ist). Im Prachtkleid wäre das vermutlich nicht möglich, weil dieses - in Verbindung mit dem Hormonhaushalt - distanzierend und aggressionsfördernd wirkt. Mit Tarnung dürfte das nichts zu tun haben.

Greifvögel, Falken und Eulen kennen keine Teilmauser, sie haben kein Schlichtkleid. Sie tragen ganzjährig dasselbe Gefieder. Die Sache mit der Dunenmauser dürfte aber recht gut mit der Temperatur zusammenpassen. Im Frühjahr beginnt sie, im Herbst wird sie abgeschlossen. Dazwischen ist das Dunengefieder lückig und dürfte demnach schlechter isolieren.

Das beschriebene Einziehen eines Fanges unter das Bauchgefieder wird nicht nur bei Kälte gemacht. Auch im Sommer bei großer Hitze oder in beheizten Räumen ist es zu beobachten. Es wird eigentlich stets in Ruhephasen praktiziert und dürfte auch der Entspannung dienen. Die Läufe und Zehen können auch bei beidfüßigem Sitzen vollständig durch das Bauchgefieder abgedeckt werden.

VG
Pere ;)
 
Thema: Ernährung und Temperatur, Gefieder

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