Wieviel Pflege ist gerechtfertigt oder Das traurige Ende eines Bussardpfleglings

Diskutiere Wieviel Pflege ist gerechtfertigt oder Das traurige Ende eines Bussardpfleglings im Forum Greifvögel und Eulen im Bereich Wildvögel - Am 15. Juli diesen Jahres fand ich einen Mäusebussard. Der Vogel war in äußerst schlechten Zustand und zeigte ( wieder mal ) keine Gegenwehr beim...
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Turmfalke

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Am 15. Juli diesen Jahres fand ich einen Mäusebussard. Der Vogel war in äußerst schlechten Zustand und zeigte ( wieder mal ) keine Gegenwehr beim Aufnehmen.

Nachfolgend eine kurze Zustandsbeschreibung:

- Gewicht 380 gr
- Am Kopf- und Brustbereich zahlreiche Zecken
- Massenhafter Lausfliegenbefall
- Federlinge, Gefieder total zerfressen
- Sohlenballengeschwür rechts, ca. tischtennisballgroß
- Trichomonadenbefall im Anfangstadium erkennbar (durch TA bestätigt)

Eigentlich war der Vogel schon fast ein Todeskandidat. Da aber bei mir einfach nicht gestorben werden darf, habe ich den Kampf halt aufgenommen. Zuerst wurde Bioserien gegeben, dann die Zecken, Lausfliegen und Federlinge mit Frontline bekämpft. Der TA hat mehrfach das Sohlenballengeschwür operativ behandeln müssen. Gegen den Trichomonadenbefall wurde durch den TA „Metronidazol“ gegeben.

Am Ende der ersten vollen Pflegewoche wurde folgender Sachstand erreicht:

- Gewicht 670 gr
- die Bekämpfung der Parasiten war erfolgreich
- das Sohlenballengeschwür beginnt abzuheilen
- Trichomonaden … kein Thema mehr

… aber, der Vogel fiel am letzten Behandlungstag mit „Metronidazol“ einfach um, d.h. er konnte sich trotz großer Anstrengung einfach nicht mehr auf den Beinen halten. Nachdem dieser Zustand 2 Tage unverändert anhielt, habe ich beim Befragen der “netten Inder“ als Ursache eine Nebenwirkung des Medikamentes „Metronidazol“ finden können. Da sich die Parästhesie der Extremitäten reversibel innerhalb von ca. 2 Wochen zurückbilden soll, haben wir beschlossen den Bussard weiter zu pflegen.

Folgenden Tatsachen standen zu diesen Zeitpunkt zweifelfrei fest:

- bereits am 3 Tag stand der Vogel vollkommen sicher und ruhig auf der Faust (erster Versuch)
- bereits vom ersten Tag an lief mir der Vogel ständig hinterher
- einer Spritze (Bioseringabe und Medikamente) lief der Mäusebussard mit sperrenden Schnabel nach
- Atzung nehmen wir ausschließlich aus der Hand
- Eintagskücken werden Mäusen vorgezogen (?!)
- bei ärztlichen Untersuchungen bzw. beim Aufnehmen des Vogel erfolgte nie irgendeine Gegenwehr
- er ging vollkommen selbstständig auf Kinder zu und „verteidigte“ diese gegen erwachsene Personen, d.h., beim Nähern von Erwachsenen, fächerte der Bussard vor den Kinder stehend auf und fauchte mit vorgestreckten Schnabel, die sich nähernden Personen an :?

Die UJB erteilte zu diesen Zeitpunkt bereits Auswilderungsverbot, weil hier (schon wieder mal) eine massive Fehlprägung anzunehmen war. Das Verhaltensmuster des Mäusebussards und meines Turmfalkenterzels war, bis auf eine kleine Ausnahme vollkommen identisch.

Der Zustand des Tieres besserte sich nach Ablauf von ca. 20 Tagen nach Behandlungsende mit „Metronidazol“ rasch. Er stand wieder aufrecht, lief mir ständig hinterher (bzw. unseren Kater) oder „flüchtete“ zu den Kindern unseres Nachbarn.

läuft wieder.jpg

Geplant war den Mäusebussard eventuell bei der Aufklärungsarbeit über Greifvögel und Eulen mit Kindern einzusetzen. So wurde das von den entsprechenden staatlichen Stellen angeregt. Das Flugtraining machte Fortschritte, so konnten wir die ersten kurzen Flüge sehen.

Eigentlich nach 8 Wochen Kampf doch ein respektables Resultat. Doch leider fand ich unseren Bussard vorgestern nachmittag, sitzend (!) auf seinen Lieblingsplatz starr und tot vor.

Diva tod.jpg

Sch…. war ein schönes, kluges und extrem liebes Tier, aber leider ne gewaltige Fehlprägung. Aber damit habe ich ja nun im laufe der letzten Jahre Erfahrung.

Leider habe ich am Fundtag des Vogels keine Bilder gemacht, da mir eine ärztliche Versorgung wichtiger war und ich Stress vermeiden wollte.


PS: Ganz vielen Dank an ein paar "Falknerdamen", die mir per PN, Chat und Telefon immer wieder Mut gemacht haben, NICHT aufzugeben.
 
Ach sch....,
da hast Du Dich so toll drum gekümmert und er hats leider doch nicht überlebt.:traurig:

Eine Schande ist es, dass immer wieder Laien Greifvögel einfach aufziehen uns sie bei aufkommenden (hausgemachten) Problemen einfach "aussetzen". 8( 0l
 
das tut mir so leid. Nach so viel Mühe, das Tier mit Liebe und Sachverstand aufgepeppelt.
LG
Solveig
 
Ach nee... tut mir sehr leid, dass es dieser arme Kerl nach dem langen Kampf nicht geschafft hat - obwohl es zwischenzeitlich doch so positiv aus sah.
Ich habe keine Ahnung von Greifvögeln und wie lange es sich lohnt um ein Tier zu kämpfen, aber Genausogut hätter der Mäusebussard es auch schaffen können und da käme die obige Frage in dem Maße nicht auf.

Gruß Cosima
 
Manchmal gehts, manchmal nicht. Ich habe ja auch vor kurzem ein Wanderfalkenweib wieder auswildern können, das zwei Jahre brauchte bis es wieder fit war. Nach Veterinäramt hätte es längst getötet werden müssen. Da musste ich mich einfach weigern.

Soeben kam gerade ein altes prachts Habichtsweib rein. Es hat eine Beinverletzung und geht morgen früh erstmal zum Röntgen.
 
Hallo Turmfalke,

wirklich schade, dass es am Ende nicht geklappt hat.
Was mich interessieren würde - hast Du eine Vermutung, warum er es nicht geschafft hat, nachdem alles schon relativ gut aussah?
Auch dann hatte es seinen Zweck, wenn man etwas daraus lernen kann.
Und: Meine Anerkennung für Dein Engagement!

Beste Grüsse,
toxamus
 
Was mich interessieren würde - hast Du eine Vermutung, warum er es nicht geschafft hat, nachdem alles schon relativ gut aussah?
Auch dann hatte es seinen Zweck, wenn man etwas daraus lernen kann.

Nachdem ich mich wieder gefasst habe, noch einen kurzen Abschlußbericht.

Da mir der Tod des Vogels doch etwas merkwürdig vorkam, habe ich den Bussard von unseren TA untersuchen lassen.
Ausschliesen kann man mit absoluter Sicherheit irgendeine Vergiftung, dafür gab´s nicht den geringsten Anhaltspunkt.
.. aber, die anfängliche Flugunfähigkeit, beruhte, neben einer extremen Abmagerung, auf einen schlecht verheilten Bruch des Flügels, darüber hinaus, ebenfalls, ein alter Bruch des linken Standers. Damit erklärt sich wohl der Zustand des Bussard´s beim Auffinden. Ob der Vogel jemals wieder voll flugfähig geworden wäre, ist vom TA bezweifelt worden. Also geht der TA (und auch ich) davon aus, dass die kurzen Hopser wohl das äußerste war, zu denen der Bussard fähig war.
Wir vermuten mal ganz pauschal und einfach gesagt, der Bussard wird wohl einfach einen Herzschlag erlitten haben. Dafür spricht eigentlich auch, dass der Vogel noch gestanden hat. Der Tod müsste eigentlich ganz plötzlich eingetreten sein.

Aber ein paar Fragen sind geblieben. ... und darauf werde ich wohl erst einmal keine Antwort bekommen.
Vier Vögel in 3 Jahren, die komplett mit dem Menschen vertraut sind und alle hatten Verletzungen, inklusiv ein absolut übereinstimmendes Verhaltensmuster. Das ist schon eine merkwürdige Kombination.

Trotz alle dem, bekomme ich wieder einen Vogel in solch schlechten Zustand, ich würde wieder meine ganze Kraft für das Tier einsetzen ... und für das Tier alles geben.
 
Thema: Wieviel Pflege ist gerechtfertigt oder Das traurige Ende eines Bussardpfleglings

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