Rabenkrähen-Heimkehrer "Herr Meyer"
Hallo Snoopyrudi,
ich kann's gut verstehen, daß Du an Deinem "Freddy" hängst. Deine Geschichte ähnelt dem, was wir mit unserer Rabenkrähe "Frau Meyer" erlebt haben. Ich will's Dir in wenigen Sätzen erzählen:
"Frau Meyer" wurde als fast nacktes und wahrscheinlich von seinen Eltern verstoßenes und aus dem Nest geworfenes Findelkind am 15. Mai 2003 bei uns abgeliefert. Es stellte sich rasch heraus, daß es sich zu einem Teilalbino entwickeln wird. Das Krähenkind war ziemlich mickrig und sein Schnabel war ein wenig mißgestaltet, was aber seine Freßlust nicht beeinträchtigte. So wuchs das Rabenküken ohne größere Probleme heran. Und es hatte sich auch gefügt, daß uns noch eine Rabenkrähe gebracht worden war, die schon etwas weiter entwickelte war. Es war der "Bonifaz". Nachts wohnte Frau Meyer in unserer Küche und Bonifaz in unserem Badezimmer, die Tage verbrachten beide im Garten in nebeneinander liegenden und transportablen
Volieren. Im Sommer waren die zwei Rabenkrähen dann fertig befiedert und wohnten da schon gemeinsam in einer relativ großen
Voliere. Bonifaz konnte schon fliegen wie ein Weltmeister und wurde deshalb in die grenzenlose Krähenfreiheit entlassen. Er war ein sehr lieber Kerl und hatte, solange er bei uns lebte, ständig Unsinn im Sinn. Trotzdem aber zog er es vor, nach seiner Entlassung umgehend zu verschwinden. Es blieb ihm auch nichts anderes übrig, da ihn die hier ansässige Rabenkrähen-Familie nicht in ihrem Revier duldete. Dem schwarzweißen Teilalbino Frau Meyer konnten wir nicht die Freiheit schenken, da ihr Gefieder nicht stabil genug war und sie höchstens 20 Meter Flugstrecke ohne Zwischenlandung schaffte. Die weißen Flügelfedern waren zu brüchig und fransten immer mehr aus, bis schließlich fast nur noch die Federkiele übrig blieben. Da konnte sie dann nur noch 2 Meter weit flattern und das bedeutete auch, daß Frau Meyer 1 1/2 Jahre in unserer Obhut mit engstem Familienanschluß verbrachte: tagsüber in der
Voliere im Garten und nachts frei herumhopsend in unserer Küche. Endlich im Spätsommer 2004 hatte sie dann gemausert und sich neu eingekleidet. Sie hatte ihre weißen Federn abgelegt und sich zu einer vom Kopf bis zu den Schwanzspitzen ganz normalen und kohlrabenschwarzen Krähe verwandelt. Und nun konnte sie auch perfekt fliegen und wurde deshalb ebenfalls in die Freiheit entlassen. Im Gegensatz zu Bonifaz zog es Frau Meyer aber vor, auch weiterhin unsere Gesellschaft zu genießen. Sie war meistens im Bereich unseres Gartens und ließ sich von uns verköstigen. Vorallem genoß sie regelmäßiges und ausgiebiges Baden. Sobald sie mich mit der Gießkanne sah, war sie schon zur Stelle. Häufig übernachtete sie auf einer der hohen Fichten in unserem und im Nachbarsgarten. Oft zog sie es auch vor, in unserer Küche zu nächtigen. Das verband sie dann zur großen Freude meiner Frau stets mit wilden Wasserspielen im gefüllten Spülbecken. Anschließend sah es immer so aus, als hätte eine Wasserschlacht in der Küche stattgefunden. Im Spätherbst und Winter duldete das in unserem Garten seit Jahren ansässige Rabenkrähen-Pärchen außer Frau Meyer auch andere Rabenkrähen in seinem Revier. Es waren stets 10 - 12 Krähen irgendwo in der Nähe und warteten darauf, daß irgendetwas Eßbares für sie abfällt. Frau Meyer suchte zwar ihren Kontakt, mußte aber dennoch immer eine Außenseiterrolle spielen. Wenn ich sie rief, kam sie sofort her und benützte meinen Kopf als Landeplatz. Sie wurde natürlich verwöhnt und bekam immer ein paar Leckerbissen, die sie besonders schätzte: ca. 20 - 25 Mehlwürmer, ein kleines Stückchen Butter, Hähnchenherzen oder ein wenig Brombeer-Gelee. Ab ca. 8. November 2004 lag dann schon Schnee bei uns und da machte ich mir schon Sorgen, ob Frau Meyer mit diesen winterlichen Verhältnissen als im Grunde genommen noch sehr unerfahrene Krähe zurecht kommt. In der Silvesternacht ließ ich sie vorsichtshalber in unserer Küche übernachten und sie hatte auch große Angst, als die Ballerei begann. Vorallem das Zischen der Raketen versetzte sie in Panik. Und dann am 2. oder 3. Januar trat das ein, was ich insgeheim schon immer befürchtete. Frau Meyer war und blieb von einem Tag auf den anderen spurlos verschwunden. Nur ein einziges Mal meinte ich, sie auf einem Alleebaum sitzen zu sehen. Frau Meyer ließ nämlich beim Sitzen den rechten Flügel immer ein wenig hängen und die Krähe auf dem Alleebaum ließ auch den rechten Flügel hängen. Sie reagierte aber überhaupt nicht, als ich nach ihr rief. Und so fand ich mich schließlich damit ab, daß Frau Meyer wahrscheinlich den heuer bei uns wieder einmal sehr harten und langen Winter nicht überstanden hat. So gegen Anfang/Mitte März verließen nun auch die ca. 10 - 12 Krähen-Kumpane, denen sich Frau Meyer nach ihrer Entlassung in die Freiheit angeschlossen hatte, unseren Garten. Das heißt, sie wurden ganz rabiat von den Revierbesitzern vertrieben, als diese mit dem Nestbau begannen. Das Rabenpärchen, das unseren Garten als Reich besitzt, bewegt sich darin ganz ungeniert und kennt keinerlei Scheu. Es weiß seit Jahren, daß von uns keine Gefahr ausgeht. Vor ca. 2 Wochen viel mir beim Blick aus dem Küchenfenster plötzlich eine fremde Krähe im Garten auf, die den rechten Flügel ein wenig hängen ließ. Das beunruhigte mich und ich ging hinaus. Die Krähe flog weg, blieb aber dann auf einem Baum in der Nähe sitzen. Bald darauf erschien sie wieder im Garten und flog aber wieder weg, als ich mich näherte. Da rief ich ein paar Mal wie früher "Frau Meyer, Frau Meyer, komm, komm!". Und siehe da, die Krähe kam und es war tatsächlich unsere Frau Meyer. Sie hatte den Winter auch ohne unsere Hilfe gut überstanden! Sie war schön und von den anderen Rabenkrähen kaum wegzukennen, außer dem manchmal leicht hängenden rechten Flügel. Doch nun kommt erst die richtige Überraschung: Frau Meyer hat in der kurzen Zeit ihrer Abwesenheit von Anfang Januar bis jetzt einen Partner gefunden und ganz in der Nachbarschaft unseres Hauses auf einer großen Linde ein Nest gebaut. Und sie ist nicht mehr die "Frau Meyer" sondern in Wirklichkeit ein "Herr Meyer". Seine Herzallerliebste sitzt seit Tagen brav im Nest und brütet und er wacht in der Nähe, setzt sich gelegentlich auch zu ihr ins Nest, genießt die Vorzüge unseres Gartens mit einem abwechslungsreichen Verpflegungsangebotes und kommt auf Zuruf sofort her. Er kommt zwar nicht mehr auf die Hand oder den Kopf, schätzt aber anscheinend unsere Anwesenheit und Gesellschaft. Jetzt bin ich schon ganz neugierig auf den Nachwuchs unserer "Familie Meyer".
Dies, Snoopyrudi, wollte ich Dir als wahre Begebenheit zum Trost erzählen. Meine Geschichte ist nun doch ein bißchen länger geworden, aber kürzer konnte ich die Geschichte mit Frau Meyer nicht bringen.
Wahrscheinlich hat Dein Freddy auch Anschluß an ein paar Junggesellen gefunden oder gar schon eine zweisame Partnerschaft begründet. Freue Dich mit ihm darüber!
Gruß / Rabenvater