Dann will ich mal den Anfang machen:
Wichtige Überlegungen beim Anbringen von Abwehrmaßnahmen, wenn sie denn sein müssen:
Trotz Öffentlichkeitsarbeit und - im Einzelfall der Anwendung konsequenter Maßnahmen nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht können Gebäudeeigentümer und deren Verwaltungen auch aus mietrechtlichen Gründen gezwungen sein, mittels verschiedener Abwehrsysteme die Gebäude vor Taubenbesatz und der damit verbundenen Verschmutzung zu schützen.
Da die Angebote sehr vielfältig und von unterschiedlicher Qualität sind, sollen im Folgenden Hinweise gegeben werden, um die Auswahl zu erleichtern.
Maßnahmen und deren Ausführungen
Grundsätzlich gilt, dass bei der Gestaltung von Simsen und Sockeln ab einem Winkel von >55° die Tauben i.d.R. nicht mehr aufsitzen können. Ist dies bauseitig nicht zu gewährleisten, müssen ggf. Abwehrsysteme angebracht werden.
Die nachfolgenden Ausführungen zielen auf die Vertreibung von Tauben von Gebäuden oder Gebäudeteilen, wobei sie auf andere, nicht geschützte Gebäude verdrängt werden. Die hierfür zur Verfügung stehenden Abwehrsysteme werden beschrieben.
Rahmenbedingungen
Bei der Auswahl der geeigneten Abwehrmaßnahmen sollen vier Rahmenbedingungen beachtet werden:
1. Alle Maßnahmen müssen unter strikter Beachtung des Tierschutzes erfolgen.
2. Alle Arbeiten sollten immer die absolute Effektivität, d. h. die dauerhafte und vollständige Verdrängung der Tauben zum Ziel haben.
3. Die Abwehrsysteme sollten immer im Einklang mit der Ästhetik der Architektur und den Zielen des Denkmalschutzes stehen.
4. Alle Abwehrmaterialien und Befestigungstechniken sind vor Beginn der Arbeiten auf ihre Brauchbarkeit (Gebäudeverträglichkeit, Statik, Brandschutz usw.) zu prüfen und abzustimmen.
Die Realität
Vorab sei gesagt, es gibt keine einfache Lösung für die Ratsuchenden!
Aus Kostengründen werden Abwehrarbeiten häufig nur für Teile von Gebäuden in Auftrag gegeben. Solche Teilarbeiten gestatten den Tieren jedoch, in unmittelbarer Nähe ihres angestammten Heimatquartieres zu bleiben. Stadttauben werden demzufolge immer wieder versuchen, die alten Aufsitzflächen zurückzuerobern. Hierdurch werden die Abwehrsysteme rasch beschädigt und überwunden.Wenn zunächst nur Teile eines Gebäudekomplexes geschützt werden sollen, empfiehlt sich, die Maßnahme für gesamtheitliche Abschnitte anzuwenden; so z. B. eine ganze Fassadenseite oder - hälfte zu schützen. In jedem Fall müssen alle Arbeiten an der Dachkante beginnen, da sonst die Gebäude auch weiterhin von oben verschmutzt werden.Ein wesentliches Qualitätskriterium ist sicherlich auch die Dauer der erfolgreichen Abwehrleistung. Häufig wird jedoch vergessen, für größere Abwehranlagen eine Wartung zu vereinbaren. Damit wird selbst bei guter Arbeitsausführung unter Verwendung bester Materialien die Anlage schneller unwirksam als gedacht und - im Falle von Vernetzungen -rasch auch tierschutzrechtlich bedenklich. Bei der Wartung werden kleinere Schäden (z. B. durch Fassadenarbeiten anderer Gewerke) rechtzeitig erkannt und größere Folgekosten vermieden.
Vier Abwehrmethoden
Unter den Abwehrsystemen haben sich vier verschiedene Methoden als brauchbar herausgestellt. Abhängig von der Gebäudestruktur und den Wünschen der Auftraggeber werden die Systeme häufig auch miteinander kombiniert. Nachfolgend werden die Systeme und Materialien kurz beschrieben und Empfehlungen nach dem derzeitigen Stand der Technik ausgesprochen.
1. Vernetzung
Dieses Verfahren besitzt die höchste Abwehrleistung und ist bei fachlich guter Ausführung das langlebigste System, das besonders bei Großflächenanwendung kostengünstig und am wenigsten sichtbar ist. Gegen Tauben sollten Netze mit 5 cm Maschenweite eingesetzt werden. Die Netze sollten aus geeigneten Materialien bestehen (z.B. ist bei Polyäthylen die Feuchtigkeitsaufnahme und damit die Gewichtzunahme gering) und UV-beständig sein. Die Netzstränge sollten mehrfach gedreht und geknotet sein. Die auf allen Gebäuden am wenigsten sichtbare Farbe ist schwarz! Alle Netze sollten möglichst senkrecht verarbeitet werden. Die Maschenstränge müssen horizontal und vertikal verlaufen. Das Netz muss immer straff gespannt sein und darf an keiner Stelle größere Öffnungen als die Maschenweite aufweisen. Eine regelmäßige Wartung ist dringend zu empfehlen. Bei Beachtung dieser Hinweise und guter Arbeitsausführung bestehen gegen Vernetzungen keine tierschutzrechtlichen Bedenken.
2. Verspikung
Diese Abwehrmethode ist universell einsetzbar und daher das am häufigsten verwendete System. Mit den passenden Spikesystemen können alle Fassadenteile wie Gesimse, Skulpturen, Nischen, Ornamente, Regenrinnen, Schneefanggitter und sonstige Flächen geschützt werden. Professionell eingesetzte Spikesysteme bestehen aus Kunststoff oder Edelstahl oder einer Kombination von beiden Materialien. Die Kombination von Kunststoffschiene und Edelstahlpins hat sich mittlerweile als das unauffälligste System etabliert. Dabei ist auf die UV-Beständigkeit des Kunststoffes und die dauerhafte Befestigung der Spikepins zu achten. In der Regel werden die Spikeschienen mit einem UV-beständigen Kleber auf sauberen, trockenen und frostfreien Untergründen befestigt. Bei breiteren Flächen sollte die Anwendung immer vollflächig geschehen, so dass der Abstand zwischen den Pinreihen dem Abstand der Pins einer Reihe entspricht. Eine ausreichende Wirkung ist gegeben, wenn die Pinhöhe zwischen 10 und 11 cm liegt und die Pin-Reihenabstände seitlich max. 4 - 5 cm betragen. Bei effektiven Spikesystemen sind die Pins V-förmig angeordnet und verfügen über hohe Spannkraft und gute Federwirkung des Stahlmaterials: Hierdurch reduziert sich die Verletzungsgefahr für die Tiere bei gleichzeitiger Erhöhung der Abwehrwirkung. Aus Tierschutzgründen müssen die Pin-Enden stumpf sein, damit sich die Tiere nicht an ihnen verletzen. Flächen, die vormals als Nist- und Schlafplätze dienten, sollten gegen erneuten Anflug vorübergehend durch zusätzliche Maßnahmen geschützt und einige Zeit beobachtet werden.
Bei größeren Anlagen ist eine Wartung zu empfehlen. Tiefliegende Systeme in Bodennähe sind regelmäßig zu reinigen.
Spikesysteme werden heute in Dutzenden von Variationen angeboten. Einige davon sind zu weich (unwirksam) oder tierschutzrechtlich z. B. wegen mangelnder Federwirkung bedenklich. Auch bei der Ausführung der Arbeiten werden häufig Fehler gemacht.
3. Spanndrahtsysteme
Dieses Verfahren besteht aus straff zwischen zwei Pinstäben und Federn gespannten Drähten, die in einer Höhe von mindestens 10 cm und in einem Abstand von maximal 5 cm über ganze Flächen verteilt montiert werden. Der Vorteil dieses Systems besteht darin, dass Mensch und Tier von ihm kaum verletzt werden können. Ob das System im Vergleich zu Spikesystemen weniger sichtbar ist, ist allerdings umstritten. Die Schwächen des Systems liegen darin, dass der Baukörper bei seiner Anbringung beschädigt wird (Gebäudekanten aus Sandstein können wegplatzen usw.). Bei stark befallenen Objekten mit starker Bindung der Tauben an bevorzugte Stellen (Nist-, Schlaf- und Ruheplätze) wird das Spanndrahtsystem schnell von den Tieren überwunden und zerstört. Zur dauerhaften Lösung des Taubenproblems bei solchen Objekten kann das System daher nicht empfohlen werden. Bei sonstigen, für Tauben weniger wichtigen Anflugplätzen kann das System noch sinnvoll sein. Es ist tierschutzrechtlich unbedenklich.
4. Elektrosysteme
Diese Verfahren basieren auf dem Weidezaunprinzip. Kommen Tauben mit den elektrisch geladen Drähten in Berührung, erfahren sie einen leichten Stromschlag, der sie nicht verletzt. Die Wirkung gegen Tauben ist bei intakten und korrekt ausgebrachten Systemen gesichert. Das System gilt besonders für Gebäude mit ausladenden, breiten Gesimsen als kostengünstig und wenig blickstörend.
Es kommen unterschiedliche Ausführungen zur Anwendung, z. B. als Drahtsystem, Leitungsröhrensystem oder Drahtkontakt mit Kunststoffträger. Das Verfahren gilt als versicherungstechnisch (brandschutztechnisch und Unfallhaftung), bauordnungstechnisch (Elektromontage) und tierschutzrechtlich (Gefährdung kleinerer Vögel, insbesondere bei Nässe) als umstritten. Es wird jedoch europaweit außer in Großbritannien verwendet.
Weitere VerfahrenAndere, bisher bekanntgewordene Abwehrmethoden, wie die Anwendung von Substanzen mit abstoßendem Geruch, hatten keinen Erfolg. Distanzsysteme wie Ultraschall -und Magnetpulsverfahren sind nach bisherigen Prüfergebnissen ebenfalls als nicht oder wenig erfolgreich einzuschätzen.In Strängen aufgebrachte Gele, die das Absetzen von Tauben durch unangenehme Berührungsreize verhindern sollen, werden selbst bei korrekter Versiegelung der Oberfläche (Lackierung, Aufbringen von Puder) rasch von den Vogelkrallen aufgerissen und führen dann insbesondere auch bei Kleinvögeln zur Verklebung des Gefieders. Sie sind daher tierschutzwidrig.
Vor der Auswahl der Maßnahmen sollte in jedem Fall eine intensive Beobachtung der gegebenen Situation (handelt es sich z. B. um Ruhe-, Schlaf- oder Nistplätze?) erfolgen, damit ein optimaler Abwehreffekt erzielt werden kann.
Die Anwendung auch wirkungsvoller Abwehrsysteme bleibt eine reine Symptombekämpfung.