Hallo allerseits,
ich habe die ganze Zeit mitgelesen und überlegt und überlegt. Ich denke, man kann das alles nur wirklich beurteilen, wenn man den Vogel vor Augen hat.
Heike schrieb:
Dabei wurde festgestellt das dem Kleinen an der einen Seite der Fuß komplett fehlt und an dem anderen Fuß nur kleine Stümpfe sind
Man müßte in diesem Fall sehen, wie groß die Stümpfe der Zehen des einen Fußes noch sind. Wenn sie wenigstens einige Millimeter lang sind, wird sich an der Wurzel eine Hornhaut bilden und diese kann dem Vogel Halt geben. Er könnte lernen, den anderen Unterschenkel als Fuß zu verwenden. Auch dort könnte sich eine Hornhaut bilden. Durch den Druck des Körpergewichtes könnte sich der Unterschenkel leicht verformen und dem Vogel auf dem Ast Halt geben. Dies entwickelte sich bei einigen meiner Behinderten, die allerdings jeweils den Vorteil eines gesunden Beinchens haben.
Ich schreibe "könnte". Vogel-Mami: Ich denke schon, dass es für einen Vogel wichtig ist, auf der Stange/dem Ast zu sitzen. Ich vermute außerdem, dass sich durch die Fehlhaltung des Körpers, die sich zwangsläufig bei einem derart behinderten Vogel entwickelt, Verformungen des Skelettes und Beeinträchtigungen der Muskulatur entwickeln, so dass der Arme eventuell Schmerzen bekommt. Dies kann auch erst nach Jahren der Fehlhaltung auftreten. Der Vogel befindet sich ja jetzt erst mal noch im Nest, und wird daher sicher auf dem Bauch liegen. Kritisch wird es dann, wenn er flügge ist - und lernt, wie er sich fortbewegen muss.
Ich könnte mich jetzt nicht für oder gegen Einschläfern entscheiden, sondern erst dann beurteilen was richtig wäre, wenn ich das Baby beobachten könnte.
Bei diesem Fall muß ich immer an eine Begegnung denken, die mir in bleibender Erinnerung ist. Ich habe vor einiger Zeit einige vom Veterinäramt beschlagnahmte Vögel übernommen und bin zu diesem Zweck ins Tierheim gefahren um sie abzuholen. Es handelte sich damals um einige Halsbandsittiche und einen Pennantsittich. Diese Vögel kamen aus einem Bestand, dessen Besitzer ermordet wurde. Sie lebten alle zusammen in einer Scheune, viele sich nicht vertragende Vogelarten mit Kaninchen und Meerschweinchen. Der Tod des Besitzers wurde erst nach einer Woche bemerkt - die Vögel wurden deshalb während dieser Zeitspanne nicht gefüttert. Als dann der Tierschutzverein eintraf, waren viele Tiere bereits tot, einige hatten sich gegenseitig angefressen. So zogen die kleineren Arten in dieser schlimmen Zeit natürlich den Kürzeren. Einem Glanzsittich wurden die Beine abgebissen. Er verblutete nicht, sondern es bildete sich ein Wundverschluß. Die Frage "einschläfern oder nicht" stellte sich damals nicht...allein aus dem Grund, dass der Tierarzt keine Handhabe hatte. Es handelte sich um einen ungeklärten Mordfall. Solange so ein Vorgang nicht abgeschlossen ist (es dauerte ein halbes Jahr) ist es dem Tierarzt untersagt, ein Tier aus ethischen Gründen einzuschläfern! Die Mitarbeiter sind also in so einem Fall gezwungen, nach dem Motto zu handeln "leben um jeden Preis". Das sind die Vorschriften. Als ich den armen Vogel sah, der jämmerlich aus den Augen schaute und auf dem Bauch lag - denn er konnte sich nicht fortbewegen - verfluchte ich diese Vorschriften. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte das arme Tier sofort eine Spritze bekommen damit er nicht mehr leiden muß...
Einige Monate später fuhr ich wieder ins Tierheim, um Vögel abzuholen. In einer
Voliere saß dieser Glanzsittich mit seiner Partnerin. Er war putzmunter! Die Tierpfleger hatten die
Voliere behindertengerecht eingerichtet, und der Kleine hatte inzwischen gelernt, mit seiner Behinderung umzugehen. Es waren Leitern vorhanden, die aus kleineren Brettchen stufenweise angebracht wurden. So konnte er hinaufkommen. Er hatte auch gelernt, dass er zwar fliegen kann, aber nicht unbedingt von oben nach unten, da er sonst aufs Brustbein fällt. Ansonsten hatte er auch gelernt, seine Stümpfe als Füßchen zu benutzen und ging zu Fuß auf dem Boden entlang. Schmerzen hatte er keine.
Als ich den Glanzsittich so munter laufen sah, wurde mir klar, dass meine damalige Entscheidung, ihn am liebsten einzuschläfern, sehr falsch gewesen wäre! In diesem Fall...
Auch bei dem von Heike geschilderten Fall sollte man meiner Meinung nach abwarten, wie er sich entwickelt und mit seiner Behinderung zurecht kommt.