29 Stunden in Freiheit

Diskutiere 29 Stunden in Freiheit im Forum Edelpapageien im Bereich Papageien - Hier der versprochene Bericht von damals, geschrieben hab ich das am 19.05.2002, nachts. Damals gab es erst Mara und Kira. 19.05.2002...
Hedi

Hedi

Foren-Guru
Beiträge
563
Hier der versprochene Bericht von damals, geschrieben hab ich das am 19.05.2002, nachts.

Damals gab es erst Mara und Kira.


19.05.2002, 23:34 Uhr
Hallo an alle,

die letzten Tage mußte ich oft an Iveta denken! Beim Lesen ihres Berichtes damals dachte ich noch "das passiert uns nicht".

Und jetzt ist uns unsere Mara selber abhanden gekommen.

Letzten Donnerstag, ca. 19:00 Uhr, entflog unser Edelpapagei Mara in die vermeintliche Freiheit.

Wir haben - wie so oft - unsere Terassentür zum Lüften geöffnet, die Gardinen vorgezogen, Kira (unser Bergsittich) blieb zur Sicherheit im Käfig. Mara durfte heraußenbleiben, weil sie im Freien immer Angst hat (wir haben mal den Käfig mit ihr rausgestellt, das ging gründlich schief).

Dann ging Peter in den Garten, Mara setzt sich ans Fenster (wie immer). Peter geht um die Ecke, Mara sieht ihn nicht mehr, will zu ihm, wurschtelt sich durch die Gardinen, sitzt im Garten, erschrickt, fliegt auf und weg.

Wir - in Pantoffeln und Joggingzeug, "Mara-Hemden" an - laufen los und hinterher. Die ersten Nachbarn geben die Richtungen an. Wir rennen in sämtliche Gärten, stören alle Leute, hinterlassen unsere Handynummer. Zwischendrin such ich Peter, weil er die Tür noch zugemacht hat und ich weder Schlüssel noch Handy habe.

Nach 10 min. der erste Anruf, wir hin zu einem älteren Ehepaar, in deren rückwärtigem Garten Mara in einer Kiefer sitzt. Wir kriegen von den Leuten eine Leiter, Mara kommt nicht, will nicht auf die fremde Stange. Jetzt klettere ich in den Baum, zerre mir ganz gewaltig den Oberschenkel. Mara will immer noch nicht kommen. Sie ganz mißtrauisch, weil alles so wackelt, die Nadeln pieksen sie, der Wind weht, das findet sie alles sehr suspekt. Sie fliegt wieder weg.
Wir lassen die Leiter stehen, die Dame des Hauses gibt mir einen Korb, damit ich Mara im Zweifelsfall transportieren kann.

Wir suchen weiter. Langsam wirds etwas dunkler. Schließliche finden wir Mara wieder in einer Tanne. Ca. 8 Meter hoch, recht weit draußen, von der Zufahrtsstraße abgewandt. Die Anwohner sind sehr nett, ein kleiner Junge leiht uns seine Taschenlampe, offensichtlich ein großer Schatz.

Zwischendrin:
Wir wohnen in München-Forstenried. Unser Haus steht an der Ecke einer befahrenen Hauptverkehrsstraße (zumindest in unserem Viertel) ganz in nächster Nähe zur Garmischer Autobahn mit dem Eingang in einer recht ruhigen Seitenstraße. Geht man die Seitenstraße hoch und schlägt sich da links und rechts in alle Sträßchen und Wege, ist man in einer wunderschönen, ruhigen Gegen, viele große Grundstücke, viele Tannen und Kiefern und Laubbäume, und alles nur in höchstens 2 Stockwerke hoch.

Man kann hier zu Fuß ein großes Gebiet abgrasen, und hier gibts noch Nachbarschaft und gegenseitiges Helfen. Dafür sind wir sehr, sehr dankbar.

Weiter:

Die Taschenlampe achten wir natürlich hoch. Leider trauen wir uns nicht, sie zu benutzen, um unseren Vogel nicht aufzuschrecken. Wir rufen die Feuerwer. Die FFW hat leider eine Sitzung, es kommt die BerufsFW. Die benutzen jetzt einen Scheinwerfer, weil sie Mara einfach nicht finden können. Eigentlich ist es ja schon zu dunkel, aber Vogel fliegt trotzdem nochmal weg. Die Feuerwehr (waren sehr nett, wissen aus Erfahrung, daß sie kaum Chancen bei Vögeln haben, kommen trotzdem immer wieder) verläßt uns mit sehr ehrlich gemeinten Erfolgswünschen.
Der Kleine Junge muß unbedingt mit uns weitersuchen. Seine Mutter entschließt sich, ebenfalls zu suchen.

Meine Schwiegereltern, Schwägerin, Nachbarn, alles sucht mit. Von der FFW stellen sich (aufgrund von Mundpropaganda, sowohl Peter als auch sein Vater gehören noch dazu) auch noch ein paar Leute ein, obwohl es eigentlich schon viel zu dunkel ist, um noch irgendwas zu sehen.

Wir haben gelernt, daß unsere Mara sich meldet, solange es hell ist, sobald sie auf ihrem "Schlafbaum" sitzt, gibt sie keine Antwort mehr. An diesem ersten Abend haben wir den Schlafbaum nicht gefunden.
Um 22:00 Uhr haben wir alle Leute heimgeschickt, sind selber heim, haben endlich die Pantoffeln gegen Turnschuhe, usw. getauscht, haben noch Suchplakate gedruckt, und haben dann noch bis ca. 01:00 Uhr die ganze Gegend damit zugepflastert.

Die Nacht kaum geschlafen, Freitag früh um 04:30 Uhr aufstehen und losziehen, bevor es hell wird.
Vielleicht erwischen wir sie ja?

Um 06:00 Uhr krieg ich den ersten Anruf: Mara sitzt in einem Kastanienbaum hinter einer 3-Spänner-Baustelle in unserer Straße. Der Mann wartet noch auf mich, hilft mir, auf der Baustelle mehr oder weniger einzubrechen und zeigt mir den Baum.
Mara ist schon wieder weg. Lt. einer Frau in einem Dachfenster hab ich die Kleine um keine 2 Min. verpaßt. Verdammter gezerrter Schenkel, ich kann einfach nicht schnell laufen.

Peter kann seine Schulung zwar nicht ausfallen lassen, sucht aber vor der Arbeit die Gegend auch nochmit dem Auto ab. Um 06:45 finden wir Mara durch unser Pfeif-Antwort-Spiel in einem privaten Garten wieder auf einer Kiefer.

Sie sitzt gute 13 Meter hoch, und freut sich sehr, als sie uns pfeifen hört. Das Antwortkrächzen ist laut und deutlich.
Aber sie kommt nicht. Peter muß weg, ab 07:00 sitz ich (fast alleine). Zw. 5 und 6:45 habe ich x-Gärten okkupiert, x-Hauseingänge und Durchgänge besetzt und ich weiß nicht wieviele Leute im Bademanteln zu öffnen gezwungen, damit ich die Gärten kontrollieren und meine Telefonnummer verteilen konnte.
Nicht einer hat sich beschwert, alle waren verständnisvoll und hilfsbereit und haben ihre Hilfe angeboten.

Auch wenns von den Betroffenen keiner liest: Vielen Dank!

Maras Kiefer steht hinter einem Laubbaum, sie ist nicht gut sichtbar. Ich steh vor der Mauer, jedoch auf einem kleinen Platz, lauter Einf.häuser, viele Bäume, nur Anwohner.
Einer davon, sozusagen in meinem Rücken, bringt mir einen Stuhl, einen Cappucino, eine Flasche Wasser.
Er hatte mal ein Amazone, die lebte im Sommer fast nur draußen. Nur vor Gewittern haben sie sie ins Haus geholt: (Wir haben nachts den Ast abgesägt, und da kam dann der Ast mitsamt dem Papagei runter. Wenns dunkel ist, kann man sie pflücken wie reifes Obst). Dieser Kommentar sollte noch sehr hilfreich für uns sein.
Ich sitz und steh abwechselnd, krieg von den anderen Nachbarn Unterstützung, Hilfsangebote, Ideen.
Ich seh keine Chance, 13 Meter hoch so gezielt Wasser zu spritzen, daß der Geier auf einen Schlag so naß ist, daß sie nicht mehr fliegen kann. Sie per Betäubungsgewehr runterzuschießen ist mir auch nicht so sympathisch, ist halt doch ein tiefer Fall ohne Flügelbenutzung. Später am Abend erfahren wir dann, daß Tierärzte das eh nicht machen, weil die Wirkung zu spät einsetzt, und die Tiere noch mind. 5 min. weiterfliegen. Wohin? Risiko zu groß.
Ich sitz und pfeif, braucht ich zu lange, kräht Mara energisch um Antwort.
Ich sitz in der Patsche, weil solange ich da bin, besteht ja keine Notwendigkeit, daß sie dringend runterkommt.
Ich wackel mit ihrem Körnernapf und sag "Komm essen, Mara, ich geh zum Peter(Peter, normalerweise wirkt das wie ein Zauberwort) ich versprech ihr Wienerwürstchen, nix. Sie sitzt wie festgepappt.
Manchmal hängt sie kopfüber, schreit Alarm, will runger, traut sich nicht. Ich bin normalerweise ihr Taxi, daß ich sie nicht einfach holen kommen, versteht sie nicht.
Mein Schwiegervater kommt, spricht mit ihr, paßt auf. Ich geh heim um ihren Käfig zu holen, vielleicht ist der Anreiz groß genug. Ich hab das Riesending noch nicht mal halb durch die Terassentür, da ruft mein Schwiegervater an, Mara saust grad ein paar Äste runter und brüllt wie am Spieß. Ich renn los, hoffentlich fliegt sie nicht weg, weil sie mich sucht.

Ich komme an, pfeife, rufe, Mara macht sichs wieder gemütlich, ich bin ja wieder da. Wir schalten erneut die FFW ein. Es kommt ein Fahrzeug so mit Personenkorb drauf. Manfred fährt das Ding (auch von der FFW, man kennt sich). Wir faren mind. 4-5 Mal rauf und runter, ist gar nicht so einfach, wenig Platz fürs Fahrzeug, Mauer nicht beschädigen, viele Äste, viele "Kurven" zu fahren.
Wir kommen bis auf 3-4 Meter nicht ganz ran. Aller Tricks helfen nicht. Zum Schluß fahr ich mit dem Käscher hoch, irgendwie muß sie da oben weg. Sie erkennt das Ding und haut in einem Höllentempo ab.
Wir lassen alles stehen und liegen und sausen hinterher. Meine Schwägerin ist auch da und sucht mit dem Auto.
Ich krieg wieder mal einen Hinweis, sehe Mara in einem Laubbaum dreh mich zu 2 kleinen Mädchen um die mich tapfer verfolgen und gebe den Auftrag, dem Rest der Suchmannschaft meinen Standort mitzuteilen.
Ich dreh mich wieder um, Mara ist schon wieder weg. Wir glauben dann, sie einer Tanne zu lokalisieren.
Es ist 14:30 Uhr, ich kann bald nicht mehr. Susanne paßt auf, ich geh heim um den Käfig - zweiter Versuch - zu holen. Derweil fährt unser "Steiger" auch die Straßen ab.

Hab ich schon erwähnt, daß im Schnitt alle 15 min. mein Telefon läutete mit Hinweisen, wo der Geier kräht? Blöd, daß ich die ganze Zeit unter dem Baum stand, schön, daß so viele Leute Anteil nehmen.

Peter ruft zum 100. mal an, findet langsam auch wir sollten sie betäuben lassen (wir wissen noch nicht, daß das keinen Sinn hat).

Ich rufe verschiedene Tierärzte an, trinke einen Kaffee, Susanne hat sich zwischendrin gemeldet, daß in der Tanne nur ein Rabe saß.
Langsam bin ich sehr, sehr verzweifelt. Mara muß mittlerweile unheimlich Hunger und Durst haben.

Peter kommt jetzt heim, wir suchen weiter.
Endlich findet Peter sie, sie hat endlich wieder geantwortet.

Um 16:00 Uhr sitzen wir bei anderen Leuten im Garten und campen weiter.
Mara sitzt wieder in einer Tanne und findet es riesig, daß wir beide da sind. Mittlerweile bin ich per Fahrrad unterwegs, weil ich fast nicht mehr laufen kann. Andere telefonieren weiter für uns die Tierärzte ab. Jetzt erfahren wir, daß Betäuben nicht geht. Auf einen Tipp hole ich von zu Hause Tablett, saftiges Obst, alle bekannten Näpfe, Quietschespielzeug ist immer noch dabei.

Wir kriegen wieder Gartenstühle und viel Ermunterung und Unterhaltung. Mara protestiert regelmäßig, wenn wir uns unterhalten anstatt ihr "Tom Dooley" vorzupfeifen. So vergehen die Stunden. Ab 19:00 merken wir, daß uns langsam kühl wird und Mara ebenfalls. Für uns hole ich Jacken.
Mara rührt sich immer öfter, geht mal vor, mal zurück. Wir kriegen langsam Angst, daß sie wegen dem Wind da oben abhaut und wir sie wieder verlieren. Schlafbaum und so.
Tatsächlich, 19:00 Uhr fliegt sie wieder weg.
Ich fahre zu ihrem alten Schlafbaum, da ist sie nicht.
Ich sammel dann unser Picknickzubehör ein, langsam wirds viel für einen Gepäckträger.
Wir weiten unser Gebiet aus, Mara bewegt sich langsam Richtung Autobahn.
Als wir unseren ersten neuen Zettel kleben, gehen 3 junge Mädchen vorbei. Meine Gehirnzellen registrieren mit 10 sek. Verzögerung, daß sie sich über einen Papagei unterhalten. Bevor ich nachfragen kann, dreht die eine sich um "suchen Sie den Papagei?" Klar suchen wir den!
Der sitzt da hinten in dem Baum, haben wir grade gesehen.
Die Mädels bringen uns hin, tatsächlich, da sitzt sie in einer Birke, nur wegen ihrer roten Farbe zu sehen. Es ist 20:00 Uhr.
Öffentlicher Grund, öffentlicher Baum vor einer öffentlichen Wiese. Ende einer Straße mit Wendehammer, nächste Nähe zu einer U-Bahnstation.
Wir schlagen leise unser Lager in der Wiese auf, sagen gar nix mehr. Die Mädels schleppen uns noch eine Leiter an.
Wir beschließen, die Dunkelheit abzuwarten, und Mara dann rauszuholen.
Mit der Leiter komm ich vielleicht in den Baum.
Ich selber bin 160 cm klein und wiege nicht ganz 60 kg. Peter ist 185 cm und doppelt so schwer. Keine Frage, wer da rauf muß. Fremde wollen wir nicht mehr hinzuziehen, nicht daß sie wieder abhaut. Wir wissen nicht so genau, ob das mit dem "Runterpflücken" wirklich so einfach geht.

Um ca. 21:00 kommt eine sehr, sehr Betrunkener aus der U-Bahn und hält sich genau gegenüber Maras Baum an einer Laterne fest, und erzählt dieser seinen furchtbaren Weltschmerz.
Wir stehen auf Kohlen und überlegen, ob Peter einfach hingehen und ihn K.O. schlagen soll. Die Nächte sind warm, er würde sich höchstens erkälten.
Tun wir natürlich nicht, aber dieser Kerl zwingt uns noch zu warten.
Endlich wankt er weiter. Wir setzen uns 22:30 als Fixpunkt zum Anfangen.
Endlich ist es soweit: Wir ziehen die Leiter aus und stellen sie unter den Baum.
Ich steige langsam hoch, Handtuch unterm Pulli.
Herrgott, ist der Baum jung, die Ästchen dünn, ich kann mich teilweise nur mit den Zehenspitzen festhalten.
Ich habe furchtbare Angst, Mara nicht zu kriegen.
Endlich bin ich soweit oben, wie es mir nur möglich ist. Mara ist weit außer meiner Reichweite. Sie guckt runter zu mir, ich rede leise auf sie ein. Sie bewegt sich nicht.
Ein Ast bricht mit ziemlich lautem Krachen unter meinem Hand, Mara erschrickt so sehr, daß sie aufflattert. Sie landet auf einem Ast, ungefähr auf meiner Brusthöhe. Sie ist jetzt zwar niedriger, jedoch viel weiter außen, bereits im Blattwerk.
Ich breche einen Ast ab, entferne alles Blattwerk. Peter leuchtet von unten mit der Taschenlampe Mara an, ich bugsiere den Ast vor ihre Füße. Das Teil ist dünn und biegt sich immer durch. Mara steigt nicht drauf, sondern schiebt das blöde Ding mit dem Schnabel immer weg. Der Ast ist nicht lang genug.
Peter schneidet einen neuen, gibt ihn mir hoch. Mara rutscht jetzt tatsächlich ein Stück, allerdings nach außen, jetzt seh ich nicht mehr, wo ich sie mit dem Stock am Körper erwische.

Peter fährt jetzt heim eine Säge holen. In dieser Zeit steig ich runter, nicht daß Mara doch noch auffliegt und irgendwo bei einer Straßenlampe landet, wo doch jetzt keiner unten ist.
Peter kommt zurück, ich wieder in den Baum. Meine Arme und Beine zittern mittlerweile bedenklich.
Ich säge den Ast ab, mann, ist das schwer. Er bricht und fällt halb nach unten (gute 5 cm Durchmesser, ca. 3 m lang, mit dichtem Laub außen). Peter kommt nicht ran, ich versuche, ihn runterzuschieben. Geht nicht, das Laub sperrt sich zu sehr.
Sitzt Mara noch drin? Wir glauben schon.
Peter sagt mir, den Ast raufzuziehen. Ich kann das nicht. Peter sagt "Du mußt", dann muß ich wohl.
Ich ziehe und zerre, das blöde Ding ist äußerst widerspenstig. Die Äste hinter mir muß ich auch erstmal lokalisieren, damit der lange Stiehl vernünftig durchgeht. Endlich seh ich Mara.
Die klebt da echt fest! Das gibts gar nicht. Dieses ganze Geschaukel und Gezerre hat sie einfach mitgemacht.
Vögel sind wirklich totatl nachtblind, und rühren sich freiwillig keinen Millimeter. Jetzt versteh ich, warum der Schlafbaum geheimhehalten wird.
Jetzt hab ich Mara in greifbarer Nähe. Ich halte den Ast mit einer Hand und greife mir der anderen nach Mara. Sie beißt zu. Das halt ich nicht aus, das kann ich nicht. Der Schnabel ist so verdammt scharf, ich habe schon öfter Bekanntschaft damit gemacht, da sind meine Fluchtreflexe einfach nicht von mir kontrollierbar.
Das Handtuch habe ich beim Asteinholen verloren. Peter sucht es im Gebüsch.
Ich zieh meinen Pulli aus und werfe ihn über Mara. Sie befreit sich beim ersten Mal, mein Arm spielt beim Ast festhalten langsam nicht mehr mit.
Ich werde den Pulli ein zweites Mal, halte den Ast jetzt mit den Füßen fest um beide Hände frei zu haben.
Endlich krieg ich Mara zu fassen. Ich lasse endlich den Ast zur Hölle fahren und versuche, Mara fluchtsicher in den Pulli zu wickeln. 1, 2 Biße kassiere ich noch.
Endlich hat Peter das Handtuch gefunden, und schiebt es mir mit einem Stock hoch. Ich wickel das auch noch um Mara.
Die Kleine wehrt sich, ich halte sie vorsichtig mit einem Arm an mich gedrückt und mache mich an den Abstieg. Irgendwie sind die Äste jetzt dünner geworden.
Das letzte Stück bis zur obersten Leitersprosse ist am schwierigsten, das war mit 2 Händen schon happig. Ich denk mir, was solls, häng ich halt an einem Arm, dann hab ich die Zerrungen wenigstens gleichmäßig verteilt. Peter erwischt meinen Fuß und setzt ihn auf die Leitersprosse, kommt mir entgegen und hilft mir beim Abstieg.
Ich hab die ganze Zeit halb geweint und dauernd gesagt "ich hab sie, ich hab sie, ich hab sie".

Unten hat Mara dann ernsthaft angefangen sich zu drehen und zu wenden. Peter hat mir seine Jacke von vorne drübergeschmißen und auf dem Rücken zusammengehalten.
Ich konnte fast nicht mehr laufen. Ich bin ja ca. 1 Stunde auf diesem verdammten Baum gesessen.
Wir haben dann ein Auto angehalten, die Mädels haben uns gottseidank nach Hause gefahren.
Wir sind in einem Sprint ins Haus, sofort in die Küche, weil Maras Käfig noch auf unserer Terasse stand und wir nicht riskieren wollten, daß sie uns durch die Tür wieder abhaut. Wir wußten ja nicht, wie sie reagieren würde.
Also knieten wir in der Küche auf dem Boden und haben unser Bündel vorsichtig ausgewickelt.
Mara hab ich die ganze Zeit auf dem Rücken liegend transportiert.
Sie hat sich befreit, war ganz wackelig auf den Beinen, hat uns angeguckt. Ich traute mich nicht, ihr Hand oder Arm hinzuhalten, immerhin hab ich sie ganz schön malträtiert.
Sie ist dann auf Peter zugewackelt und sofort auf seine Schulter geklettert, und hat ihn angeschmust.
Wir hockten da auf dem Küchenboden und haben geheult wie die Schloßhunde.
Mara war nicht verletzt, alles heil und gut, nur die Federnzersaust.
Sie ist dann auf meine Schulter rüber, hat mich begrüßt und angeschmust.
Dann hat Peter sie wieder geholt und ich hab ihr als erstes eine Napf Wasser angeboten.
Sie hat getrunken wie ein Gulli. Kurz darauf hat sie einiges Wasser wieder erbrochen, klar, das war zuviel auf einmal.
Na ja, Käfig reingebracht, ein klein bißchen Körner und Obst vorgesetzt und in den Karottensaft SC 30 reingegeben.

Unsere Kleine war fix und fertig. Die erste Nacht hat sie die ganze Zeit gekräht wie wir im Nachhinein erfahren haben.

Mara war ziemlich genau 29 Stunden in Freiheit unterwegs, ohne Futter und Wasser.
Einen zweiten Tag hätte sie wahrscheinlich nicht überstanden, wir auch nicht.

Was ich trotz des Schreckens nicht so schnell vergessen werde, ist, wie sie geflogen ist. Ein herrlicher Anblick. Ich glaube, wenn sie in unserem Klima gute Überlebendschancen hätte, wenn sie wüßte, wo es Futter und Wasser für sie gibt, ich weiß nicht, ob ich sie nicht lieber hätte weiterfliegen lassen.

Sie ist immer noch etws von der Rolle, klebt ganz stark an Peter dran und ist so liebevoll und verschmust, wie wir das gar nicht von ihr kennen. Allerdings ist sie auch ein bißchen unberechenbarer wie vorher.

Wir haben sie wieder. Das wird uns eine Lehre sein. Sie hat erheblich an Gewicht verloren, holt aber wohl bald wieder auf. Außer einem Harzfleck am Flügel gibt es keine weiteren Spuren. Bis jetzt. Hoffentlich bleibt das so.

Unsere Fenster bleiben künftig zu.


Viele Grüße,

Hedi
 
hallo Hedi

puhhhhh...... so eine Geschichte :trost:
(aber an der Stelle mit dem Betrunkenen musste ich dann doch lachen :D )

Ja, die roten Flügel beim freien Fliegen sind ein herrlicher Anblick, wenn einem dabei nicht wund und wehe ums Herz wäre (diese Erfahrung haben wir ja auch schon mal gemacht).

Ein Glück, dass ihr sie wieder erwischt habt :zustimm: , Zerrung an Arm/Bein hin oder her
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Hedi, hast du wirklich sehr schön geschrieben.

Ich glaub das wäre auch mein größter Alptraum das einer von meinen wegfliegt, weil bei uns ist es leider nicht so das einem geholfen wird:(

Ich finds toll wie ihr euch für die kleine eingesetzt habt. hast dudich denn auch wieder richtig erholt?

Liebe grüße

linda
 
Wow, das ist ein mitreißender Bericht.. man merkt, dass Du ihn mit Herzblut geschrieben hast!
Wie gut, dass es ein Happy-End gab! :trost:
 
Hallo,

ein sehr anschaulicher Bericht, man konnte sich wirklich alles genau vorstellen und wenn die Situation nicht so prekär für den Vogel gewesen wäre, hätte man schon lachen können.

Aber jetzt im Nachhinein macht man es dann umso herzlicher.

Habt Ihr zum Dank an die vielen Helfer wohl einen Megagrillabend gemacht, oder?

Schön, wenn es noch eine Nachbarschaft gibt, die ihren Namen auch verdient.

Viele Grüße,
Britta
 
das ist zwar eine ziemlich mitreissende geschichte und wirklich anschaulich geschrieben:zustimm: ,
aber ich hoffe doch, das du in zukunft besser aufpasst, denn die terassentür offen zu lassen ist schon mehr als leichtsinnig8o
da man im sommenr nunmal lüften soll und frisch luft eurer mara bestimmt guttut, würde ich mal darüber nachdenken eine gittertür zu bauen, damit die terrassentür offen bleiben kann.
tolle nachbarschaft die du da hast
 
Man oh man was für ein Bericht.

Bin ich froh, dass dieser buchreife Bericht ein Happy End hat.
 
Was ich trotz des Schreckens nicht so schnell vergessen werde, ist, wie sie geflogen ist. Ein herrlicher Anblick. Ich glaube, wenn sie in unserem Klima gute Überlebendschancen hätte, wenn sie wüßte, wo es Futter und Wasser für sie gibt, ich weiß nicht, ob ich sie nicht lieber hätte weiterfliegen lassen.

Geht’s mir genau so. (Nicht, dass einer von meinen Vögeln je entflogen ist.)
Es ist auch mein Traum, meine Vögel frei fliegen zu sehen.
Wenn meine Vögel am Fenster sitzend nach Außen schauen und ihre Augen gen Himmel richten, glaube ich oft, in ihren Augen gesehen zu haben, sie haben Sehnsucht nach dem Leben in der freien Natur.

Wenn die Umgebung passen würde, hätte ich vielleicht mit dem Training für Freiflug angefangen. Das kann man aber in einer Stadt wie München vergessen.
So bleibt das weiter nur als ein Traum von mir.
In Wirklichkeit kontrolliere ich immer mit Argusaugen, ob alles zu ist.


Obwohl ich vorher das Ende gewusst habe, war es sehr spannend, die Geschichte zu lesen.:beifall:
 
Super Bericht:freude:
der Alptraum aller Geierbesitzer,
Ich hab es zum Glück noch nicht selber erlebt
aber Timmys Ausflug hat mir gereicht, viermal ist er wieder weggeflogen
bis ich ihn endlich mit Hilfe der Babys fangen konnte.
 
Danke für Deinen wahnsinns Bericht.

Ich habe mir extra extrem teure Insektenschutztüren- und Fenstergitter anbringen lassen, damit mir das nicht passieren kann - alptraummässig.

Mein grüner Geier war bei den Vorbesitzern schon mal 3 Monate in "Freiheit".

Liebe Grüße
Wanda mit Nora
 
Der könnte ja von mir sein

Liebe Heidi,
wir haben die ganze Geschichte über drei Tage mit unserer Amazone durch.
Ich kann also jedes gefühl welches du in dieser Zeit gehabt hast absolut nachvollziehen. Schön dass ihr euren Flieger wieder habt, bei uns ist es auch gut ausgegangen und bei uns kam dann sogar noch einer zu.
Also ganz ganz liebe Grüße an alle Verlierer die Ihre Vögel wieder bekommen haben und an alle die die nicht solches Glück hatten, es giebt Leute die nachvollziehen können wie es euch geht.
LG Andreas
 
Hallo,
dann pack ich auch mal aus :~
Also bei uns war dass im Sommer vor 2 Jahren.
Damals hat ihn meine Frau gerne mal mit rausgenommen. Sie hat Peter natürlich immer mit der Hand fixiert.
Eines schönen Mittags dann, ist er vor etwas erschrocken und ist ganz zügig ums Haus rum verschwunden.
Das war's:nene:
Wir sind natürlich sofort hinterhergesprintet ums Haus rum, aber vergebens!
Peter war schon weg.
Oh mann. Dann haben die schlimmsten 5 Tage unseres Lebens begonnen!
Wir hatten beide Nachtschicht damals. Das war unser Glück. So konnten wir den ganzen Tag nach dem Ausreisser suchen.
Mit einer Glocke,Fernglass und Quietsch Spielzeug und was er noch so alles liebt bewaffnet sind wir dann den ganzen Tag durch unsere Ortschaft gepilgert, immer mit der Hoffnung dass er irgendwann mal vom Baum runterfliegt/pfeifft oder ähnliches!
Wir haben fast jeden erdenklichen Baum mit dem Fernglass abgesucht.
Aber alles vergebens.
Also haben wir mit der Unterstützung anderer Menschen gerechnet und haben überall Flugzettel verteilt mit Farbfoto Beschreibung und so weiter.
So ging dass 5 Tage lang.....
Ständiges Suchen. Immer zwischen der Hoffnung dass wir ihn wieder finden und der Angst dass wir unseren kleinen Schatz verloren hatten:(
Die Leute haben uns dann immer auf dem laufenden gehalten.
Hier hörte jemand etwas pfeiffen.Dann wieder an einem anderen Ort.
Also wir ímmer blitzartig hinterher, alles abgesucht, gerufen und gepfiffen.
Mann sieht die Edelmänner auch so schlecht im Baum.
Wenn ich die Geschichte hier zu Wort bringe fühle ich mich fast so als wäre es gestern gewesen.
So hat uns dass damals fertig gemacht.
Der 5. Tag war angebrochen
Die Hoffnug Peter zu finden ist langsam verschwunden und die Schuldgefühle wuchsen ständig.
Bis auf einmal dass Telefon klingelte gegen die Mittagszeit und eine Frau angerufen hat, dass bei ihr ein Papagei Notgelandet ist im Wohnzimmer auf ihrem Kopf.
So schnell waren wir noch nie ausgerückt!!
Das beste war dass Peter grad mal im 150 m entfernten Haus gelandet war.
Er war total fertig. Scnabel rot vom Johannisbeeren oder Himbeeren fressen.
Flügel schlapp und so weiter.
Er hat nur noch so quängelnde Laute gegeben. Wie ein Baby dass nach Essen schreit.
Wir uns artig bedankt bei der Familie. Geschenkkorb und Blumen für die Dame:zustimm: :beifall:
Peter hat dann 3 Stunden alleine im Bett unter der Decke geschlafen.
Der war ganz schön geschafft.
Dass war uns eine Lehre. :idee:
 
hallo Hedi
als ich meine früheren Rita-Gerry-Berichte durchgelesen habe, entdeckte ich dein altes Thema wieder, muss es doch nochmal aus der Versenkung holen......
 
Hallo Karin,

oh Jesses, daran hab ich schon lange nicht mehr gedacht.

Was ist die Kleine damals geflogen.... aber wir haben wieder zu üben angefangen, vielleicht lernt sie es doch wieder.
 
Danke Hedi,
das habe ich mit viel plaisir gelesen:)) da ich die gefuhle ja alle erkannt habe :))
Habe schon nach einem jungen timneh mitten im winter (23 dezember gesucht) und ein paar stunden vor einem schneesturm gefunden...er ist von einem hohen baum auf kleinere runtergeflogen...nach landung hat er auch gut zugebissen...

hast gluck gehabt safe von baum runtergekommen zu sein...ich kenne einen mann hier der (vor kaume 2 jahren) einen grauen runterholen wollte, vom baum gefallen ist und heute, paraplegique ist...das nur furs nachste mal um immer an vorsicht zu denken :))
 
Thema: 29 Stunden in Freiheit

Ähnliche Themen

Zurück
Oben