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Zur Versachlichung:
Nicht räumlich und zeitlich begrenzte (begrenzbare) und kontrollierte (kontrollierbare) "Freiflüge" von Psittaziden dürften mit einiger Sicherheit im Widerspruch zu mehreren bundesdeutschen und EU-rechtlichen Vorgaben stehen.
So wäre zum Beispiel zu nennen:
Bundesnaturschutzgesetz / § 41 (1):
Abs. 1 gibt den Ländern auf, Ausführungsvorschriften zu erlassen, welche der Verfolgung des Zieles dienen, "Tiere nicht mutwillig zu beunruhigen" (...)
Mutwillige Beunruhigungen heimischer Vogelarten durch die Präsenz exotischer Wildvögel sind keinesfalls auszuschließen. Gleiches gilt (und auch dies ist von Belang, weil im Grundtenor nicht auf "heimische" Arten, sondern generell auf "Tiere" abgestellt wird) auch für die freifliegenden Psittaziden selbst.
"(2) Die Länder treffen unter Beachtung des Artikels 22 der Richtlinie 92/43/EWG und des Artikels 11 der Richtlinie 79/409/EWG sowie des Artikels 8 Buchstabe h des Übereinkommens über die biologische Vielfalt vom 5. Juni 1992 (BGBl. 1993 II S. 1471) geeignete Maßnahmen, um die Gefahren einer Verfälschung der Tier- oder Pflanzenwelt der Mitgliedstaaten durch Ansiedlung und Ausbreitung von Tieren und Pflanzen gebietsfremder Arten abzuwehren. Sie erlassen insbesondere Vorschriften über die Genehmigung des Ansiedelns (...) von Tieren (...) gebietsfremder Arten in der freien Natur."
Aus der Kommentierung:
"Der Allgemeinschutz, der für alle Arten gilt, zielt darauf ab, menschliche Einwirkungen auf wildlebende Tiere und wildwachsende Pflanzen sowie deren Lebensstätten nur aus vernünftigem Grund zu gestatten."
Es kann keinesfalls unter den Terminus "vernünftiger Grund" fallen, einen exotischen Wildvogel ungesichert ins Freiland zu verbringen. Die Naturschutzgesetze der EU-Mitgliedsstaaten wurden mittlerweile an übergeordneten EU-Richtlinien orientiert. D.h. Inhalte entsprechender EU-Richtlinien und Verordnungen sind in das jeweils nationale Recht umzusetzen.
Sämtliche wildlebenden europäischen Vogelarten werden durch die EG-Vogelschutzrichtlinie, die 1979 verabschiedet wurde, geschützt. Sie verbietet, wildlebende Vogelarten zu beunruhigen (...)
Besteht das potenzielle Risiko des Entfliegens eines nicht-heimischen Wildvogels, so ist sein Überleben in der ungewohnten Umgebung durch vielerlei Faktoren (u.a. ungesicherte Futteraufnahme, Prädation, Nachstellung, Klima) gefährdet. Wird dieses Risiko fahrlässig oder absichtlich herbeigeführt, so könnten (zumindest unter Umständen) auch Belange des Tierschutzrechts (TSchG / § 3 (4) ) berührt werden.
Die hierzulande vereinzelt vorzufindende Freiflughaltung von Papageien ist in keiner Weise rechtlich abgesichert. Nicht bedacht werden - neben allen anderen Aspekten - die nicht auszuschließenden Haftungen bei eventuell eintretenden Schadensfällen.
Es kommt letztlich nicht darauf an, ob es in der Absicht des Halters liegt, ein nicht-heimisches Wildtier auszusetzen, auszuwildern oder ihm nur zeitweise "etwas Gutes" tun zu wollen, es zählt einfach nur der Fakt und die (vielleicht "nur") abstrakte Gefährdung und/oder Beunruhigung heimischer Arten.
Zusätzlich ist auch noch der jeweilige Gebietscharakter zu berücksichtigen. Geschieht das "Freisetzen" in Nähe eines mit Schutzstatus versehenen Areals (z.B. Gebiete unter Status von EU-Flora-Fauna-Habitat-Richtlinien) dürfte bei Bekanntwerden/Beanzeigung mit Restriktionen zu rechnen sein.
Solche „Freifluggewährungen“ sind (und bleiben) unwägbare Experimente, die nicht selten mit dem Verschwinden und/oder Ableben der/des „Freiflieger/s“ enden (was wiederum eine Tangierung bzw. Verletzung der Pflicht zum sorgsamen Umgang mit dem Tier darstellen kann - und somit ebenfalls Belange des TSchG berührt). Die von Befürwortern des letztlich unkontrollierbaren Freifluges immer wieder gerne verwendete Floskel „Lieber ein kurzes aber glückliches Leben in Freiheit“ ist aus meiner Sicht eine allzu simple Rechtfertigung und wird der Verantwortung, welche der Halter von Gefiederten für deren Leben und Unversehrtheit übernommen hat, nicht gerecht.
Im Gegensatz zu nicht wenigen Vertretern anderer Gattungen der Familie Aves (zu nennen sind z.B. die „klassischen“ Zugvögel oder Tauben) ist die Fähigkeit zur perfekten Orientierung an Landmarken oder mittels „Magnetsinn“ bei (vielen) Psittaziden weniger ausgeprägt. Dies ist in Biologie und Ökologie der Arten begründet. Über längere Zeiten an räumlich begrenzte Haltungssysteme gewöhnten Großpapageien fehlen (logischer Weise) jedwede Zuordnungsmöglichkeiten und „Koordinaten“ der näheren und weiteren Außenumgebung des Haltungssystems. Unbeabsichtigt in die „Freiheit“ entlassenen (sprich: entflogenen) Exemplaren ist es oft nicht mehr möglich, zum Ausgangspunkt der unfreiwilligen Exkursion zurückzufinden. Es gelingt zwar in Einzelfällen , Großpapageien an ein zeitlich begrenztes Verweilen in der näheren Umgebung des Haltungssystems zu adaptieren (siehe auch die „Spree-Papageien“). Entsprechende (nicht unumstrittene und oft genug falsche Erwartungen weckende) „Seminare“ werden angeboten. Aber selbst bei einer als „gelungen“ anzusehenden „Orientierungsdressur“ (um nichts anderes handelt es sich) mit Fixierung auf einen festen Ausgangspunkt (Örtlichkeit und/oder Bezugsperson) kann schon ein durch beispielsweise plötzlich eintretende Wetterumschwünge verursachtes Abdriften in entferntere Bereiche der „Zivilisation“ hinreichen, auf eine Rückkehr der/des geliebten „Freiflieger/s“ vergeblich zu warten.
Es kann und darf bei einem Vergleich der Freilandbedingungen von Großpapageien realistischer Weise nicht darum gehen, die zweifellos vorhandenen Defizite von Haltungssystemen im Verhältnis zum Freileben dadurch beheben zu wollen, dass man glaubt, seinem Vogel die Freiheit schenken zu können, indem man ihn „freifliegen“ lässt. Eine Aufrechnung der Gefahren und Widrigkeiten, denen Großpapageien in ihren Ursprungshabitaten ausgesetzt sind mit (nur in Teilen) vergleichbaren Gefährdungen und Widrigkeiten bei Freifluggewährung ist ebenfalls nicht angebracht. Das (Über)-Leben in den Ursprungsgebieten war für die dortigen „Wildtiere“ (bei aller „Freiheit“) noch nie ein „Zuckerschlecken“. Aber die Argumentation „weil sie im Freileben ständig gefährdet sind, kann man ihnen auch hierzulande ähnliche Gefährdungen zumuten“ ist so banal wie nichtssagend, weil prinzipiell auf jede Tierart (vom Borstenwurm über Feldhasen bis hin zu Elefanten) zutreffend. Im Umkehrschluss müsste man postulieren, dass Tiere in menschlicher Obhut grundsätzlich auch Prädation ausgesetzt werden sollten, weil der Prädationsfaktor in ihrem Freileben eine nicht unwesentliche Rolle spielt.
Kurz erwähnt sei noch, dass sich die in Stuttgart seit den achtzigern Jahren in der „goldenen Freiheit“ befindlichen Amazonen (die Population hat sich aus entflogenen Exemplaren aufgebaut) in der kalten Jahreszeit mit der wärmenden Nähe der Abluftschlote einer Fabrik in Nähe Rosensteinpark begnügen müssen, andere Exemplare in der Wilhelma Futter „schnorren“ und nicht wenige der Amazonen mit abgefrorenen Gliedmaßen einer Natur, in die sie nicht hineingeboren sind, Tribut zollen.
Vielleicht noch ergänzend der Hinweis darauf, dass gerade derzeit (Stichwort: Aviäre Influenza / Geflügelgrippe / H5N1) unabhängig davon, ob man es nun als sinnvoll oder sinnlos ansehen mag, bundesweit per Verordnung Restriktionen hinsichtlich der Außenhaltung von Gefiederten in Kraft sind, denen Beachtung zu schenken ist. M.W. sehen die Ausführungsbestimmungen der einzelnen Bundesländer übereinstimmend vor, dass Außenvolieren vor evtl. virenbehafteten Kot von Wildvögeln in geeigneter Weise (z.B. durch Abdeckung nach oben) zu schützen sind. Unabhängig davon besteht die zumindest theoretische Möglichkeit gegenseitiger Übertragung (Papagei-heimische Wildvögel / heimische Wildvögel-Papagei) anderweitiger bakterieller und/oder viraler Infektionen und die damit verbundene Gefahr der Einschleppung „exotischer“ Erreger in heimische Wildvogelpopulationen und umgekehrt.
Flugvorführungen in Vogelparks sind räumlich begrenzt und erfordern ein oft jahrelanges und intensives Training mit ausgesuchten Exemplaren und geschultem Personal. Sie sind nicht mit in "Kurzseminaren" an interessierte "Heimpapageien-Halter/innnen" vermittelten "Chrashkursen" vergleichbar, die a) für eine allgemeine Haltungspraxis illusorisch sind und b) Erwartungen wecken und "Vesuche am meist untauglichen Objekt" nach sich ziehen (können), die (s.o) mehr Probleme verursachen, als sie zu beheben vorgeben.
Wer Papageien halten möchte, sollte über Haltungssysteme verfügen, die einen vernünftigen Kompromiss zwischen Sicherheit und Ermöglichung des Fliegens (ausdrücklich nicht gemeint: des "Flatterns" über Zwei-Meter-Strecken) bieten.