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Die gerne genutzte Begründung "Ich musste die Küken per Hand aufziehen, weil sie von den Eltern gerupft, nicht mehr gefüttert oder verletzt wurden" drängt die Frage nach dem "Warum" oft in den Hintergrund.
Der weitaus häufigste Grund für Fehlverhalten der Elternvögel bei Brut und Aufzucht ist in einer nicht geboten störungsarmen Aufzuchtumgebung zu sehen. Dabei variiert die Störungsanfälligkeit je nach Art. Individuelle "Macken" von Exemplaren innerhalb einer Spezies können ebenfalls eine Rolle spielen. Tatsache ist. Viele
Handaufzuchten wären vermeidbar, wenn unnötige Störungen unterblieben.
Hierzu einige Passagen aus der Fachliteratur:
"Während der Brutzeit sind Störungen innerhalb der Anlage unbedingt zu vermeiden. Bei den meisten Arten gestalten sich Höhlenkontrollen sehr schwierig; sie dürfen keinesfalls erzwungen werden." (Robiller, F. (1993): Kakadus, Urania-Verlag, Leipzig-Jena-Berlin, S. 35)
"Besonders Graupapageien und einige afrikanische Langflügelpapageien haben sich als sehr störanfällig und nervös bei der Brut gezeigt. (...) Allgemein aber sollte der Pfleger (...) alle unnötigen Störungen (...) unterbinden." (Luft, St. (1994): Der Graupapagei: Lebensweise, artgerechte Haltung und Zucht, Naturbuch-Verlag, Augsburg, S. 75)
"Vögel, die ihr Gelege zu oft verlassen oder schließlich die Brut ganz abbrechen, leiden vielleicht unter häufigen Störungen von außen." (Lantermann, W. (199
: Verhaltensstörungen bei Papageien: Entstehung - Diagnose - Therapie, Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart, S. 85)
"Nicht zuletzt sei darauf hingewiesen, dass eine weitgehend störungsarme Haltung entscheidend zum Gelingen eines Bruterfolges beitragen kann." (Lantermann, S. & Lantermann, W. (1986): Die Papageien Mittel- und Südamerikas: Arten, Haltung und Zucht, Verlag M & H. Schaper, Hannover, S. 37)
Hoppe berichtet von einem Venezuelaamazonen-Küken, das nach vorheriger Versorgung durch die Elterntiere nach der Vornahme einer Nistkastenkontrolle nicht mehr gefüttert wurde und per Hand (weiter)aufgezogen werden musste. "(...) brachte sie die Brutblockinspektion so aus dem Gleichgewicht, dass sie von da ab dem Jungtier keine Beachtung mehr schenkten. Ein deutliches Beispiel, wie empfindsam auf Veränderung während der Brut reagiert wird." (Hoppe, D. (1981): Amazonen, Ulmer Verlag, Stuttgart, S. 129)
U.a. Hoppe weist auch auf die höhe Störanfälligkeit von Fächerpapageien während der Brut- und Aufzuchtphasen hin. "In beinahe allen zitierten Zuchtberichten kommt zum Ausdruck, dass die Vögel kurz vor und während der Brutzeit ungewöhnlich scheu und ängstlich auf äußere Einflüsse reagieren, so dass es gelegentlich (...) zur Zerstörung oder zum Auffressen des Geleges oder (...) zum Verlassen des Nestes kam." (Hoppe, D. (1981): Amazonen, Ulmer-Verlag, Stuttgart, S. 147)
"Man sollte die Tiere jetzt (Anmerkg. d. Verf.: Nach der Eiablage) nicht mehr unnötig stören." (Bosch, K. & Wedde, U. (1981): Amazonen, Horst Müller Verlag, Walsrode, S. 83)
Matthias Reinschmidt weist in einem Bericht zur Zucht der Soldatenamazone ebenfalls auf brut- und nestlingsgefährdende Störungen (u.a. durch Fotografieren der Nestlinge) hin. "Um den Brutverlauf nicht zu stören und den eventuellen Erfolg nicht zu gefährden, wurden Nistkastenkontrollen auf das Notwendigste beschränkt (...). Um die Tiere nicht unnötig zu stören, wurde zu diesem frühen Zeitpunkt auf die Entnahme der Jungvögel aus der Nisthöhle verzichtet, um Aufnahmen zu machen." (Reinschmidt, M. (2002): Welterstzucht der Soldatenamazone, in: Papageien 5/2002, Arndt Verlag, Bretten, S. 160)
Störungen des brütenden Weibchens waren lt. Miguel Bueno auch die Ursache für fehlgeschlagene Brutversuche bei Arasittichen (vgl. Bueno, M. (2002): Die Zucht des Arasittichs im Loro Parque, in: Papageien 6/2002, Arndt Verlag, Bretten, S. 195).
Robiller verweist auf die Störanfälligkeit mehrerer Arten. In Bezug auf das Brut- und Aufzuchtverhalten bei Goldsittichen (Guaruba guarouba) schreibt er: "Sehr aggressiv, auch dem Pfleger gegenüber. Höhlenkontrollen sind risikovoll. Das Weibchen verlässt das Gelege oder den Nachwuchs." / "Nach den Erfahrungen im Vogelspark Walsrode reagieren Rotschwanzsittiche sehr empfindlich auf Höhlenkontrollen während des Brütens und der Aufzucht. (...) sind nicht selten der Gelegeverlust beziehungsweise der zerbissene Nachwuchs die Folge." / "Auch beim Weißohrsittich ist die Tötung des Nachwuchses bei (nach) Höhlenkontrollen keine Seltenheit. (Robiller, F. (1990): Papageien Mittel- und Südamerikas, Dt. Landwirtschaftsverlag, Berlin, Ulmer, Stuttgart, S. 93, 173, 174, 182, 191)
Vor diesem Hintergrund muss es erstaunen, dass selbst "papageienerfahrene" Fachautoren, die zudem mehrfach auf die Gefahren stressbedingter Störungen für den Brut- und Aufzuchtverlauf hingewiesen haben, ihr eigenes Handeln zuweilen nicht an dem ihnen zweifelsfrei verfügbaren Wissen ausrichten. Als ein Beispiel sei exemplarisch Rosemary Low im Zusammenhang mit Problemen bei der natürlichen Aufzucht von Hyazintharas im Palmitos-Park (Gran Canaria) zitiert: "Ich hoffte, zwei Junge von den Eltern aufziehen und entwöhnen zu lassen.(...). Handaufgezogene Hyazintharas werden im allgemeinen sehr auf Menschen geprägt. Ich war der Ansicht, dass bei dieser Art von den Eltern aufgezogene Junge für Brutzwecke geeigneter seien. (...). Zunächst hatten die Eltern die Handhabung ihrer Jungen zum Wiegen geduldet. Im Lauf der Zeit wurden die Eltern äußerst ungeduldig.(...). Nach drei Wochen musste eine zweite Person beim Wiegen helfen, um zu verhindern, dass die Eltern in das Nest eindrangen. Sobald die Tür zum Nistkasten geschlossen wurde, kamen sie eilig herein und schlugen aggressiv gegen die Tür. Dies sollte ein Signal gewesen sein, dass die Jungen zur
Handaufzucht weggenommen werden mussten; ebenso die Tatsache, dass die Eltern, als das große Junge 30 Tage alt war, begannen, an den (...) Federn zu picken - oft ein Zeichen von Stress." Des weiteren berichtet sie von Biss-Attacken der Elternvögel gegen ein Küken und beschreibt die "Konsequenz" aus diesem Verhalten so: "Die beiden Jungen wurden sofort zur
Handaufzucht weggenommen." (vgl. Low, R. (1991): Im Palmitos-Park ziehen Hyazintharas Junge auf (Übersetzung: Elizabeth Wenzke), in: Gefiederte Welt, 3/1991, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart). Natürlich wird man bei solch wertvollen Tieren, deren Nachzucht sehr begrüßenswert ist, einen Verlust der Küken vermeiden wollen. Es bleibt jedoch die Frage, warum die Konsequenz der erkannten Störanfälligkeit der Elternvögel nicht einfach darin bestehen konnte, Stresssituationen zu vermeiden.
a.canus: "Beachtet man z.B. die Studie über die Sperlingspapageien, dort wird gezeigt wie wichtig es für die Vögel ist dass sie nach der Aufzucht in sogen. "Kindergärten" zusammengefasst werden und von Altvögeln, die gerade keine Jungvögel haben lernen."
Die von Wanker, Garnetzke-Stollman, Franck u.a. beschriebene Sozialisation von Augenring-Sperlingspapageien (Forpus conspicillatus) in langandauernden Geschwister- bzw. Ersatzgeschwisterbeziehungen ist eine Besonderheit dieser Spezies und so nicht auf andere Papageien-Arten übertragbar.