Da in der Zwischenzeit viele Beiträge (in denen ich direkt "angesprochen" wurde und die teilweise gelöscht sind) hinzugekommen sind, ist es nicht ganz einfach, strukturiert zu antworten. Ich bitte daher um Verständnis, sollte mein Posting einige thematische "Sprünge" und recht viele Zeilen aufweisen.
@Lady-Li: Deine Anmerkung, daß das Verengen und Aufweiten der Pupillen (nicht nur) bei Graupapageien auch eine freudige Erregung signalisieren kann, ist absolut zutreffend. Man muß stets das Gesamt-Ensemble des Ausdrucksverhaltens (u. a. Gefiederstellung, Schrittfolge, Intensität/Abfolge des "Augenspiels") berücksichtigen, um eine Handlungsabsicht einordnen zu können.
Zu betrachten sind neben der im Mittelpunkt der Beobachtung stehenden Verhaltensweise immer auch weitere Verhaltenselemente, die oft erst in bestimmten Kombinationen und Abfolgen klare Zuordnungen ermöglichen. So ist, um ein anschauliches Beispiel zu nennen, das Sträuben des Kopfgefieders bei Amazonen nicht exklusiver Bestandteil des Drohverhaltens, sondern kann auch Ausdruck freudiger Erregung sowie Aufforderung zur gegenseitigen Gefiederpflege sein. Teile des beim Drohen gezeigten Ausdrucksverhaltens treten durchaus auch bei Zuständen positiver und freudiger Erregung auf.
Bei allen Papageienarten gibt es grundlegende Gemeinsamkeiten in den Ausdrucksformen des Drohverhaltens, allerdings sind auch artspezifische Eigenheiten vorhanden, die sich aus unterschiedlichen Lebensweisen und unterschiedlichen Körpermerkmalen erklären. Dabei kommt exklusiven physischen Merkmalen bestimmter Papageienarten, wie zum Beispiel den Kopfhauben der Kakadus eine, vielleicht sogar ausschließliche, Bedeutung im agonistischen Ausdrucksverhalten zu.
Eine Besonderheit des (intensivierten) Drohverhaltens von Graupapageien ist, daß sie ihr gesamtes Körpergefieder, vor allem die Rückenpartien, derart aufplustern, daß sie fast wie ein runder Federball aussehen. Das Abspreizen des Gefieders "im Bauch-, Rücken- und Kopfbereich" beim Graupapagei wird von Luft (1994)* als Signal beschrieben, "das dem Artgenossen den erhöhten Erregungszustand des betreffenden Tieres deutlich macht".
Bensel (2003)* hat die Notwendigkeit der genauen Beobachtung zur Analyse nicht-stimmlicher Ausdrucksformen des Verhaltens treffend verdeutlicht: "Körpersprache lässt sich nur analysieren, wenn man ausreichende Kenntnisse über den Sender, seine Eigenheiten und über den Kontext der Situation besitzt. Aussagekräftiger wird die nonverbale Botschaft, wenn man auf den Gesamteindruck achtet, beispielsweise die Häufigkeit der Bewegungen oder nach anderen Mustern im Verhalten sucht."
*Bensel, J. (2003): Kommunikation ohne Worte, SWR, Baden-Baden, 19.10.2003
*Luft, St. (1994): Der Graupapagei - Lebensweise, artgemäße Haltung und Zucht, Naturbuch Verlag, Augsburg
@nanuk: Anknüpfend an das Zitieren aus (und die Nennung von) o. g. (und anderen) Literaturquellen in Zusammenhang mit Deinem "Vorwurf", daß ich Literatur verwende, die nicht jedem/jeder User/in verfügbar ist: Ja. Ich habe mir im Laufe der Zeit eine recht umfangreiche Literatur- und Studiensammlung zu vielen (im erweiterten Sinn mit "Verhaltensforschung" zu umschreibenden) Bereichen aufgebaut, die nicht ausschließlich "papageienspezifisch" ausgerichtet ist. Gleiches gilt für Literatur zu einzelnen Arten, deren Biologie, Ökologie und Ethologie. Wenn man sich intensiv mit dieser Materie befassen möchte, ist es auch unerlässlich, sich für Ursprünge, Entwicklungen (und manchmal m. E. offensichtliche "Fehlentwicklungen") auf dem Gebiet der "Verhaltenslehre" zu interessieren. Da ich meinen Postings zu jeder Fundstelle eine detaillierte Quellenangabe anfüge, ist es jedem/jeder User/in grundsätzlich möglich, bei gesteigertem Interesse in seiner/ihrer Buchhandlung (ggf. Antiquariat) nach der Beschaffbarkeit des jeweiligen Titels zu fragen. Ein Großteil der von mir benannten artenspezifischen Literatur ist ohne Umstände frei im Buchhandel erhältlich. Etwas ältere Standardwerke (wie z. B. die "Gesammelten Abhandlungen" von Lorenz / Bd. I u. II oder Hediger`s "Erkenntnisse eines Tierpsychologen" / um nur einige zu nennen) sind gerade derzeit - weil wohl nicht mehr ganz en vogue - meist sehr preisgünstig zu erwerben.
An dieser Stelle füge ich weil m. E. passend (und in der Hoffnung es nicht aus dem Zusammenhang gerissen zu verstehen / verstehen zu wollen) gleich ein weiteres – leider immer noch zutreffendes - Zitat ein:
"Da es bisher nicht als Schande gilt, ohne naturwissenschaftliche Bildung zu sein, ist bei den allermeisten unserer Zeitgenossen die Gesamtauffassung vom Tier voller Vermenschlichungen und Voreingenommenheit." Oskar Heinroth, 1941*
*Heinroth, O. (1941): Aufopferung und Eigennutz im Tierreich, Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde, Franck`sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart
Wenn ich in diesem Forum einen winzigen Teil des in Büchern gesammelten Wissens, dessen Niederschreiben durch die Wissenschaftler/Autoren oft jahrzehntelanger Forschung und praktischer Befassung bedurfte, per Zitat und/oder (soweit möglich) zusammenfassend und themenbezogen verwende, kann ich keinen Grund erkennen, mich dafür rechtfertigen zu müssen.
Sicherlich stellen Zitate zwangsläufig immer nur eine sehr komprimierte und eingekürzte "Fassung" dessen dar, was in Gesamtzusammenhängen der jeweiligen Literatur sehr viel umfassender und manchmal auch thematisch verzweigender vorzufinden ist.
Eigene praktische Erfahrung im Umgang mit sog. "Großpapageien" (und zwar auf Grund meiner früheren Tätigkeit quer durch die Arten) und ein vernünftiges theoretisches Fundament, welches sich u. a. aus gesammelten und niedergeschriebenen Erfahrungen (Stichwort: "Bücher" / s. o.) speist, sind jedenfalls keine unbedingt schlechte Diskussionsgrundlage.
(Ironie an): Könnte es Sinn machen, vor jedem Posting, in/bei welchem ich mich des Verweises auf eine Literaturquelle bediene, eine Umfrage zu starten, wie viele User/innen über die betreffende Literatur verfügen? Oder sollte ich zur Sicherheit lieber nur auf das berühmte Blättchen mit den vier Buchstaben oder auf die Programmzeitschrift verweisen? (Ironie aus)
@nanuk: Es ist nicht leicht, aus Deinen letzten Postings den eigentlichen thematischen Bezug ("Angriff einer zahmen HZ") zu extrahieren. Doch ich will gerne auf Deine explizit an mich gerichteten Zeilen eingehen. Meine Feststellung, daß die "Verhaltensberatung" auf dem Sektor der Papageienhaltung zunehmend (auch) kommerzielle Aspekte aufweist, dürfte unbestreitbar sein. Der (von mir verlinkte) auf Deiner Website nachzulesende Verweis auf die Höhe der Honorare für telefonische Beratung und/oder Beratung per Mail ist nur ein Beispiel von (mittlerweile) vielen. Ich kreide Dir das in keiner Weise persönlich an. Es ist nicht verwerflich, sein Ein- und Auskommen zu sichern. Nein – Du bezeichnest Dich (im Gegensatz zu vielen anderen "Verhaltensberatern") nicht als "Behavior Consultant". Das habe ich auch m. W. nicht behauptet. Allerdings dürfte hinsichtlich der beabsichtigten Beratungsfunktion in der Grundtendenz kein gravierender Unterschied bestehen.
@nanuk: Dein Vorwurf der (meiner?) Fixiertheit auf die Methode
Handaufzucht als ursächlich für das Attackieren in diesem speziellen Fall ist vollkommen unbegründet. Ich habe explizit darauf verwiesen, daß ich mir in diesem speziellen Fall eine Aussage darüber, ob überhaupt und ggf. in welchen Anteilen die Aufzuchtmethode beteiligt gewesen sein könnte, nicht zutraue.
@nanuk: Ich habe Deine Fragen zum eigentlichen Thema (soweit mir möglich) durchaus beantwortet. An Dich gerichtete (rein am Thema orientierte und ganz konkrete) Fragen meinerseits (zum Beispiel nach der Gewichtung ultimater und proximater Verhaltensebenen im Rahmen der Verhaltensanalyse, danach, was Du mit dem Verweis auf den "Klugen Hans" aussagen wolltest etc.) blieben jedoch ohne Entgegnung.
@Alle: Es ging/geht (mir) darum, eine Grundursache für die Entstehung von "Problemen" der geschilderten Art aufzuzeigen und darzulegen, warum das so ist. Es ging/geht (mir) nicht darum, einer Halterin anzulasten, daß sie im konkreten Fall auf eine Verhaltensweise ihres Grauen nicht angemessen (bzw. falsch) reagiert hat. Es ist keine "Schuldfrage". Kein Halter läßt sich gerne beißen. Es ging/geht mir um das Aufzeigen dessen, daß die Entstehung derartiger Situationen durch die Haltungsumstände (insbesondere die fehlende "Distanz" – was nicht gleichbedeutend damit ist, daß der Vogel keine Zuwendung erfahren sollte) begünstigt wird. Es ging/geht mir um den Hinweis darauf, daß ein grundlegender Ratschlag daher nur darin bestehen kann, die Haltungsumstände entsprechend zu ändern. Es ging/geht mir darum, auf die Unzulänglichkeiten einer "analytischen" Nachbereitung bei Beibehaltung der Haltungsumstände und ohne Überdenken des Mensch-Tier-Verhältnisses hinzuweisen.
Gruß
MMchen