Das stimmt eben nicht!
In der freien Natur räumt der Eine dem Anderen das Nest aus, wenn es ihm gerade in den Kram passt. Der Zebrafink stiehlt seinen Nachbarn, wenn es z.B. gemalte Amadinen sind, genauso das Nistmaterial, wie auch in einer
Voliere. Die Aggressionen von brutwilligen Sittichen richten sich gegen andere Vögel und verteilen sich auf mehrere Gegner. Die Adressaten können abhauen, tun es aber auch nicht unbedingt. So kann man auch im weiten Kontinent Australien oder hier vor der eigenen Haustür erleben, dass sich erbittert um einen Nistplatz gestritten wird.
Mehrere Exemplare einer Art auf engem Raum ist bei vielen Vögeln wesentlich problematischer, als verschiedene Arten auf dem selben Platz. Da brauche ich nur Dein Beispiel von den Kanarienvögel nennen. Untereinander verheddern sich die Kanaries regelmäßig ineinander. Ein Kanarienpaar mit z.B. einem Zwergwachtelpaar oder Neophemen oder Prachtfinken ist überhaupt kein Thema. Es gibt, so meine persönlichen Erfahrungen keine Nachteile, vorausgesetzt jeder hat seinen eigenen Platz. Das bezieht sich natürlich auf eine Haltung in einer
Voliere. Die unterschiedlichen Ansprüche an das Futter ließen eventuell noch Bedenken zu. Nistplatzwahl und Nistmaterial schon nicht mehr, wenn der Pfleger für genügend Stoff sorgt.
Nicht zusammen halten konnte ich Kanaris und Mozambique-Girlitze. Auch Pennantsittiche mit anderen Sittichen ging nicht auf Dauer. Dagegen gingen Nymphen, Wellensittiche und Zebrafinken nach einer gewissen Gewöhnungszeit. Mehrere Paare Zwergwachteln ging gar nicht, so groß und dicht bepflanzt die
Voliere auch sein konnte. Mehrere Paare Tigerfinken gehen bedingt, mit Zebrafinken zusammen aber problemlos. Tigerfinken mit Zwergwachteln problemlos. Tigerfinken oder Zebrafinken mit Schönsittichen problemlos. Auch Kanarien dazwischen, bestens. Keiner stört den Anderen. Sch..ßegal, aus welchen Kontinenten sie stammen.
Das mit den Futterunterschieden ist immer so ein Argument, was gegen die Vergesellschaftung spricht. Ich verbringe viel Zeit bei meinen Vögeln. Sie leben in einer Anlage AV-SH. Jeder kann an das Futter vom anderen. Für jeden ist vom geeigneten Futter immer genug da. Dazu frisches Grün, Obst, Erde, Kohle, Grit etc. Kein einziger Prachtfink ist jemals an
Kanarienfutter zugrunde gegangen. Sie gehen gar nicht erst dadran. Sie haben ihre Hirsemischung, mehr wollen sie gar nicht. Die Schönsittiche haben ihre gelegentlichen
Sonnenblumenkerne und Hanfkörner, die auch die Kanaries gerne knabbern.
Keimfutter von allen Körnern gibt's zur Brutzeit. Sie suchen sich das raus, was sie mögen.
In der Natur liegen die Körner auch nebeneinander. Wie viele Vögel sterben da an Leberkrankheiten? Es gibt Kräuter für alles in der Natur, aber nicht in der
Voliere. Zur Entgiftung fressen die Vögel Erde. Und in der
Voliere?
Was zum Stress: Dieser ist bei Überfüllung vorprogrammiert. Jeder braucht am Abend seinen Stammplatz zum Schlafen. Da gibt es Winkel und Nischen und Dickichte, in die sie kriechen. Bei anderen Vogelhaltern gibt es Sitzstangen, die man sich mit anderen teilen muss. Wer darf an der Wand schlafen? Wer darf oben schlafen? Darum wird sich allabendlich gerangelt. Das ist Stress. Stress ist auch, wenn sich die Vögel am Futter anstellen müssen. Dann wird gezankt. Der Schwächste kann sehen, was übrig ist. Da muss dann Zebrafink Piepsi auf das
Kanarienfutter ausweichen, weil unter den Spelzen, die die anderen übrig gelassen haben, nichts mehr zu finden ist. Jeder hat bei mir einen Napf und zur Not noch den Trog der Zwergwachteln. Da kann man auch gesellig futtern.
Wo kann man als Vogel mal hin und her springen oder seine Bahnen fliegen, ohne einem anderen in die Quere zu kommen. Da gibt es jede Sekunde Konflikte. Das ist Stress.
Bei mir hat jeder seinen Platz. Jeder kann ohne den anderen zu stören, fliegen wie es ihm Spaß macht. Der Schönsittich fliegt seine Bahnen und unter ihm sitzen gemütlich die Tigerfinken im Dickicht und die Zebrafinken hüpfen am Boden und picken herum, während die Zwergwachtelfamilie gerade vorbei bummelt. Oder sie räkeln sich genüsslich auf dem sonnenbeschienenen Rindenmulchboden und machen ihr Staubbad und direkt daneben knabbert der Schönsittich verträumt die Wildgrasrispen aus. Gleichzeitig zanken sich die Tigerfinken wiedermal um die Reviergrenze, um danach gemeinsam wieder auf Insektenjagd zu gehen, und die Zebrafinken nehmen eine Etage höher ihr Sonnenbad. Jetzt wird gebadet. Alle Prachtfinken versammeln sich in dem Badetrog und plantschen. Davon animiert kommt der Kanari noch dazu und findet auch noch Platz. Der Wind frischt auf und alle fliegen auf und ab um sich trocken zu fönen ...
Das Schönsittichweibchen hat sich entschlossen, auf dem Boden von einem der Futterkäfige eine Familie zu gründen. Es lässt sich von den anderen Vögeln überhaupt nicht stören, und diese respektieren das Nest und halten pietätisch Abstand, ohne dass da gehackt wird. Die Schönsittiche dachten im Traum nicht daran, das Nest von einem der Prachtfinken zu berühren. Sie haben genügend andere Beschäftigung.
Kein Stress, kein Streit, viele Kinder und gesunde und glückliche Vögel.
Jawohl, ich musste experimentieren, bis ich dieses Idyll hatte. Doch das hatten meine Vögel immer: Jeder seinen Platz und beim Futter genug zur Wahl.