So, nun ist meine Kopie bei mir eingetroffen. Und ich habe sie schon mal einem Vergleich mit der ersten Auflage, aber auch mit der englischen Ausgabe der zweiten Auflage unterzogen. Seit dem Erscheinen dieser englischen Ausgabe ist weit mehr als ein Jahr vergangen, bis wir nun die deutsche Version haben. Hier ist sozusagen das Fazit meiner "Studien":
Die neue Auflage ist grundsätzlich in vieler Hinsicht gleich geblieben.
Da Ornithologie heute sehr oft auch zu Reisen in fremde Länder führt, ist ein Buch mit international gebräuchlichen Namen höchst willkommen. Früher waren das die wissenschaftlichem Namen. Heute ist es Englisch. Und so ist es eine hervorragende Ergänzung, dass nun zusätzlich auch noch diese englischen Vogelnamen dabei sind. Erleichtert werden direkte Vergleiche auch dadurch, dass die einzelnen Arten auf der genau gleichen Seite zu finden sind wie in der englischen Ausgabe. Verglichen mit jener Ausgabe gibt es einzelne Änderungen in den Verbreitungskarten. Da hat die verzögerte Herausgabe zum Einbezug neuester Erkenntnisse geführt.
Verbreitungskarten sind jetzt zum Teil vergrösserte Ausschnitte, so dass eine präzisere Verbreitungsangabe möglich wurde. Arten der Kanarischen Inseln erhielten Karten, die sogar nur diese Inselgruppe zeigen, und so ein differenziertes Verbreitungsmuster bieten. Anderseits besteht weiterhin die absurde Situation, dass einzelne eingeführte Arten eine volle Behandlung, inkl Verbreitungskarte erhalten (etwa die Fasane), während andere in verschiedener Weise stiefmütterlich behandelt werden. Mandarinenten, die immerhin heute mit ihrer Verbreitung in England eine sichere Populationsreserve dieser Art darstellen, wurden aus dem Hauptteil verbannt. Und Rostgänse erscheinen weiterhin nicht mit ihren heutigen Populationen in Zentraleuropa.
Wer sich von der ersten Auflage dieses hervorragenden Bestimmungsbuches hat faszinieren lassen, dem wird auch die Neuauflage gefallen. Wer aus was immer für Gründen das Buch nicht so mag, dem wird auch die Neuauflage nicht besser passen. Das Konzept ist dasselbe, die riesige Vielfalt ist durch die heutige Mode des Artensplitting nochmals etwas grösser geworden. Die meisten von uns werden aber gerade deshalb die neue Auflage kaufen wollen. So sind etwa die Grossmöwen, wie die heute vermehrt zu entdeckende Steppenmöwe, jetzt viel ausführlicher behandelt. Die Tauben der atlantischen Inseln erhielten neu eine eigene Seite, zusammen mit dem Kaptäubchen. Das hat das Gedränge auf der Seite mit Ringel- und Hohltaube wesentlich entschärft. Die einzelnen Abbildungen konnten entsprechend vergrössert dargestellt werden. Und das Kaptäubchen erhielt nun auch seine Verbreitungskarte. Die neue Auflage ist um beinahe 50 Seiten gewachsen. Dennoch ist sie nicht dicker geworden; man hat wohl eine etwas dünnere Papiersorte gewählt. Das Papier wirkt aber weiterhin solid.
Etwas altertümlich mutet einzig der Einband an. Grafik aus der Mitte des letzten Jahrhunderts, nach meiner Ansicht. Zum Glück überzeugt der Inhalt nach wie vor. Und die Irrgäste aus Nordamerika haben jetzt auch Abbildungen erhalten, die zum Rest des Inhalts passen. Der Druck auf der Seite mit der Sumpfohreule ist nun nicht mehr zu dunkel. Anderseits sind die Schwarztöne manchmal zu schwach. So haben die Schnäbel der Schwäne jetzt eher dunkelgraue statt schwarze Bereiche. Unglücklich ist Farbe der stehenden grauen männlichen Weihen. In der englischen Version waren sie viel zu dunkel. Nun hat man die Seite etwas aufgehellt, was aber zu einem Gelbstich der Grautöne geführt hat.
Insgesamt aber ist diese Neuauflage sehr gut gelungen, und sie bietet genügend Aktualisierungen, um den Kauf zu rechtfertigen. Anderseits, wer primär lokal unterwegs ist, ist weiterhin mit der ersten Auflage sehr gut bedient.