Fachfrage zum Thema Biotopschutz

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neuntöter

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Inwieweit würde eine Beseitigung von Schilf welches nach und nach die Gewässer in einer Kiesgrube zuwuchert, der lokalen Avifauna zugute kommen?

Bin auf eure Antworten gespannt!
 
Schilf ist eine wichtige Pflanze für zahlreiche Insekten und auch Vögel (u.a. Teichrohrsänger, Wasserralle, Rohrammer, Schwarzkehlchen) sowie für Amphibien (Laubfrosch und co.).
Zudem reinigt Schilf das Wasser und trägt somit zur Wasserqualität bei.
Im Durchzug hat man zahlreiche Zugvögel, die auf Schilf angewiesen sind (z.B. Blaukehlchen, Drossel- und Schilfrohrsänger, etc.).
Als WIntergäste finden sich auch Zwergschnepfen als Überwinterer in den Schilfflächen ein.

Wie groß sind die Feuchtbiotope in der Kiesgrube? (Durchmesser, Tiefe...).

Ich würde das Schilf wachsen lassen, aber auf andere Pflanzen achten, die stark zur Verlandung der Feuchtbiotope beitragen (u.a. Weiden und Birken)...diese müssten dann im jährlichen Rhythmus entfernt werden, wenn man ein gutes und intaktes, beschilftes Feuchtbiotop pflegen will.


VG, Merops
 
Ich würde das Schilf wachsen lassen, aber auf andere Pflanzen achten, die stark zur Verlandung der Feuchtbiotope beitragen (u.a. Weiden und Birken)...diese müssten dann im jährlichen Rhythmus entfernt werden, wenn man ein gutes und intaktes, beschilftes Feuchtbiotop pflegen will.
Verlandung ist ein ganz natürlicher Vorgang. Gewässer kommen und gehen. Dafür sind aber viele Arten auf Sukzessionsstadien angewiesen.

Leider zielt der heutige Naturschutz auf Erhaltung eines Moment-Zustandes ab. Eigentlich völlig widernatürlich! :nene:

Ergo: Wachsen lassen!

VG
Pere ;)
 
Ich finde, dass Thema ist nicht so eindeutig zu beantworten. Es gibt noch andere Artengruppen als Vögel:zwinker: Daher sollte nicht nur die Frage nach Vögeln, sondern z.B. nach Amphibien und Libellen gestellt werden. Die profitieren eher von sonnig-lichten Verhältnissen. Kiesgruben haben durch ihr sandig-kiesiges Material in der Regel kaum Humos und sind nährstoffarm. Auch die Gewässer. Nährstoffarme Verhältnisse sind in unser heutigen Landschaft etwas besonderes. Ein Weiterwachsen des Schilfes wird diese Besonderheit aufheben. Auch das spricht gegen wachsen lassen. Auf der anderen Seite ist Sukzesion fast immer ok - aber auch nicht zwingend die einzige oder gar einzig richtige Möglichkeit.
Ich persönlich finde extensiv beweide Kiesgruben ganz nett. So kann - nach Anzahl und Größe der Gewässer - einiges mal hochwachsen - und ggf. einige Jahres später verbissen werden. Halt ein ständiger Wechsel

Kuckuck
 
Das Problem ist, dass wir begrenzte Flächen haben.
Jede Massnahme zugunsten einer Art, benachteiligt eine Andere.
Da unser Flüsse heute nicht mehr für die entsprechenden Veränderungen sorgen können, müssen Wohl oder Uebel ,wir diese Aufgabe übernehmen. Die Gewässer kommen und gehen nicht mehr wie früher unter natürlichen Bedingungen.

Das ist auch der Grund , wesshalb man ein Naturschutzgebiet nicht mehr einfach sich selber überlassen kann. Es wächst zu, verbuscht, schlussendlich entsteht ein Auwald und dann Wald.
Nun ist einfach die Frage: Welcher Lebensraum ist ohnehin schwach vertreten. Was will man fördern.
Wäre alles noch naturbelassen, würde es keine Rolle spielen.
In einer Kulturlandschaft, gilt es aber die Lebensräüme zu schaffen, die Mangelware sind. Oder man nimmt in Kauf, dass die spezialisierten Arten halt langsam verschwinden.
In dem Gebiet, das ich seit 20 Jahren mitbetreue, wird das mit dem Schilf so gehandhabt, dass jedes Jahr, auf abwechselnden Flächen ca 1 /3 des Schilfs gemäht wird. So erhalten wir die grösstmögliche Vielfalt. Alle etwa 10 Jahre, fährt aber auch der Bagger wieder auf und sorgt für neue gänzlich offene Flächen.
Vor allem in trockeneren Bereichen werden so auch Goldrutenbestände wieder beseitigt. Alles Streumaterial wird aus dem Gebiet entfernt, um den Nährstoffeintrag zu reduzieren.
Aber wie Anfangs erwähnt,: Allen Bewohnern kann man es auf einer begrenzten Fläche nicht recht machen und jede Massnahme birgt das Risiko, dass wir damit auch etwas verschlechtern. Für uns optisch kann ein Gebiet wohl viel besser aussehen, aber trotzdem kann es ehemaligen Bewohnern dann plötzlich nicht mehr passen.
Bei vielen Arten fehlt uns die Detailkenntnis, wesshalb es ihnen an einem Standort, der in unseren Augen super aussieht, nicht passt, und an einem anderen ,doch viel schlechteren, klappt es wunderbar.
Also alles immer eine heikle Sache.
 
danke für eure antworten die in etwa meine gedankengänge wiederspiegeln.
ich bin dann doch eher für eine "sanfte" beseitigung mit rückzugszonen, da in dem gewässer u.a. laubfrosch, kreuzkröte und gelbbauchunke ablaichen und um deren bestände, brauch ich euch sicher nicht zu erzählen, siehts düsterer aus als um die vöglein die dort brüten.
 
Gerade der Laubfrosch benötigt kleine verkrautete flache Gewässer und die Gelbbauchunke ebenfalls kleine flache Gewässer ,allerdings ohne Bewuchs,-eher "Wagenspuren" im Lehmboden. Beides sind ganz besondere Biotoptypen, die auch regelmäßig "gepflegt" werden müssen- ansonsten sind die Arten verschwunden.
Bei beiden Arten kommt noch das richtige Klima dazu.
Gruß
Manfred
 
Gerade der Laubfrosch benötigt kleine verkrautete flache Gewässer und die Gelbbauchunke ebenfalls kleine flache Gewässer ,allerdings ohne Bewuchs,-eher "Wagenspuren" im Lehmboden. Beides sind ganz besondere Biotoptypen, die auch regelmäßig "gepflegt" werden müssen- ansonsten sind die Arten verschwunden.
Bei beiden Arten kommt noch das richtige Klima dazu.
Gelbbauchunkenbiotipe sind ein Thema für sich: Entstehen beim Holzrücken im Wald tiefe Fahrspuren, sind die Bürger aufgebracht vor Ärger. Im Folgejahr finden sich darin dann Massen von Gelbbauchunken. Denselben Bürger freut es, daß man im heimischen Wald auf einmal so "seltene" Tiere hat, um dann beim nächsten Holzrücken abermals loszupoltern, daß der Wald kaputt gemacht wird.

Mit anderen Worten: In den entsprechenden Gebieten ist die Gelbbauchunke einfach da. Deren Biotope kommen und gehen, und niemand "pflegt" sie. Durch den Zustands-Erhaltungs-Naturschutz bleiben zwar viele Biotope erhalten, doch verhindert dieses das Entstehen neuer Sukzessionsstadien. Und "der Naturschutz" und "der Umweltschutz" (der Normalbürger kann das ja nicht trennen) verhindern halt leider auch das Entstehen neuer Anfangsstadien (z. B. Baggerseen, Brachflächen etc.).

VG
Pere ;)
 
Durch den Zustands-Erhaltungs-Naturschutz bleiben zwar viele Biotope erhalten, doch verhindert dieses das Entstehen neuer Sukzessionsstadien. Und "der Naturschutz" und "der Umweltschutz" (der Normalbürger kann das ja nicht trennen) verhindern halt leider auch das Entstehen neuer Anfangsstadien (z. B. Baggerseen, Brachflächen etc.).

VG
Pere ;)

Ist das Problem wirklich die Frage, welche Naturschutzstrategie gefahren wird - oder ist es nicht vielmehr die Frage, wieviel Fläche überhaupt für Biotope etc. zur Verfügung stehen? Bei z.B. ca. 4% der Bundesfläche für Naturschutzgebiete ist für mich die Antwort klar - ob Sukzession/eigendynamische Entwicklung oder/und verschiedene Formen der Biotoppflege und des speziellen Artenschutzes. Auf diesen Flächen kann die Biodiversität nicht erhalten werden. Leider laichen ja weder Laubfrosch noch Gelbbauchunke im Maisfeld.

Kuckuck
 
Ist das Problem wirklich die Frage, welche Naturschutzstrategie gefahren wird - oder ist es nicht vielmehr die Frage, wieviel Fläche überhaupt für Biotope etc. zur Verfügung stehen? Bei z.B. ca. 4% der Bundesfläche für Naturschutzgebiete ist für mich die Antwort klar - ob Sukzession/eigendynamische Entwicklung oder/und verschiedene Formen der Biotoppflege und des speziellen Artenschutzes. Auf diesen Flächen kann die Biodiversität nicht erhalten werden. Leider laichen ja weder Laubfrosch noch Gelbbauchunke im Maisfeld.
Der Umweltschutz ist der Feind des Naturschutzes!

VG
Pere ;)
 
Biodiversität ist ja nicht nur auf Schutzgebietsflächen beschränkt.
Dennoch brauchen auch diese ihre "Pflege" damit ihr Wert erhalten bleibt.
Natürlich ist es notwendig auch alle anderen nicht geschützten Lebensräume zu beachten.

PS: Im von mir mit betreuten Gebiet, haben wir durch die Massnahmen einen Laubfroschbestand der expandiert und an einem schönen Abend, sind hunderte zu hören. Hab da schon auf ca 100m Strecke beim vorbeigehen schon bis zu 14 Stück gesehen. Und so leicht sieht man sie ja nicht immer.
 
In diesem Fall absolut korrekt ... und dass nennt man u.a. Biotop-Management!
Diskutieren braucht man darüber heute nicht mehr, zum Glück!
Leider, würde ich sagen!

Die Gesellschaft lernt aus der Medienwelt nämlich nur eines: Tun ist gut, unterlassen schlecht.

Und was bewirkt der Biotopschutz? Erhalt des einen Biotops zulasten eines anderen!

Durch die Offenhaltung des Gewässers wird verhindert, daß sich das nachfolgende Entwicklungsstadium einstellt, welches wiederum für andere Arten wichtig wäre. Aber so ein nettes Gewässerle mit schönen Libellen und Laubfröschen ist dem Bürger natürlich viel leichter als "Natur" zu verkaufen als ein schlammiger und verbuschter Sumpf.

VG
Pere ;)
 
Entstehen beim Holzrücken im Wald tiefe Fahrspuren, sind die Bürger aufgebracht vor Ärger. Im Folgejahr finden sich darin dann Massen von Gelbbauchunken.
Mit anderen Worten: In den entsprechenden Gebieten ist die Gelbbauchunke einfach da. Deren Biotope kommen und gehen, und niemand "pflegt" sie.
Das stimmt nicht immer. Hier ist ein Beispiel von ganz gezielter "Pflege" :
Ein Panzer als Biotop-Pfleger

Ich bin lange Zeit auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz im Münchner Norden spazieren gegangen. Und dort konnte ich die ganz spezielle Flora und Fauna dieser Gebiete genießen.
 
Ach Pere. Und was passiert wenn man nichts macht?
Es entsteht auch ein Biotop zu lasten eines anderen.
Es gibt nicht ein entweder oder. Es braucht beides, denn auch ein schlammig, verbuschter Sumpf bleibt nicht endlos so.
 
Jede/r schützt was sie/er liebt...

Kuckuck
 
Ach Pere. Und was passiert wenn man nichts macht?
Es entsteht auch ein Biotop zu lasten eines anderen.
Es gibt nicht ein entweder oder. Es braucht beides, denn auch ein schlammig, verbuschter Sumpf bleibt nicht endlos so.

seitdem sich der mensch parasitär der erde bemächtigt hat sind mMn solche maßnahmen unabdingbar. es gibt doch (gerade in europa) so wenige flächen wo noch die natürlichen, ökologischen prozesse mit ihren verschiedenen sukzessionsstufen anzutreffen sind. mir verschliesst sich hier der sinn warum ein laubfroschgewässer als irgendwas verkauft werden soll, fakt ist das gerade diese art, neben wechselkröte und anderen offenlandarten, extremst unter der menschlichen rücksichtslosigkeit zu leiden haben. und amphibien besitzen nun mal keine flügel und können wo anders hinfliegen, deswegen ist für mich der amphibienschutz ein sehr, sehr, sehr, sehr wichtiges thema. auch wenn sich der ien oder andere vogelfreak deswegen vielleicht ans bein gepinkelt fühlt.
 
Thema: Fachfrage zum Thema Biotopschutz

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