Punkto
Handaufzucht und späteren Problemen.
Ja, ich pflichte bei, dass eine Aufzucht mit Geschwisterprägung rel. unproblematisch ist. Eine isolierte
Handaufzucht ergibt aber sicher eine starke Menschprägung, die eigentlich nicht erwünscht ist.
Bei meinen Vögeln weiss ich, dass dies auch dazu führt, dass eine normale Verpaarung später praktisch aussichtslos ist.
Ist das bei den Krähen anders?
Gerade da Krähen ein gewisses Konfliktpotenzial bieten, finde ich nur, dass man dieses nicht unnötig fördern sollte und diese
Handaufzuchten wenn immer möglich vermieden werden sollten. Ich hab nämlich auch keine Lust mich fast alljährlich mit den Telefonaten betreffs solchen Krähen herumschlagen zu müssen, die irgendwo mitten im Siedlungsgebiet Leute anfliegen und bedrängen.
Nicht, weil sie gelernt haben, dass der Mensch eine Bedrohung für den Nachwuchs darstellt, sondern weil sie gelernt haben, dass man von Menschen Futter bekommt, oder ihn ( weil fehlgeprägt und den Menschen als Artgenossen betrachtend) vertreiben will.
Es gibt zwei Möglichkeiten, gesunde Rabenkrähen aufzuziehen, ohne das Risiko einzugehen, dass sie Menschen belästigen - abgesehen vom Ernährer - der muss ordentlich büßen für´s Vogelaufklauben oder für´s gutmütige Übernehmen der Päppelei
.
Wie Du, Eric, sagst - in Gesellschaft von Artgenossen in einer ausreichend großen
Voliere gibt es am wenigsten Probleme.
Bei der Einzelaufzucht sollte die Krähe tagsüber möglichst frei sein, jedenfalls dann, wenn sie fliegen kann. Ist ziemlich nervenaufreibend, weil man wirklich für den Vogel parat sein sollte und Fütterungszeiten einhalten - gleichzeitig aber damit rechnen muss, dass der Vogel mal für zwei Tage - oder auch für immer - verschwunden ist.
Ab einem gewissen Alter muss man die Krähe mit ins Feld nehmen - und zwar zu Fuß, damit sie den Weg nach Hause kennt. Da fast überall Brutreviere sind, werden dort fremde Jungkrähen angegriffen und im besten Fall verjagt, wenn nicht getötet. Weil man nicht immer die Möglichkeit hat, sofort einzugreifen, ist es wichtig, dass der Vogel im Notfall alleine heimfindet.
Ich nenne das eine sanfte Auswilderung, denn im Lauf des Spätsommers werden ja die Brutreviergrenzen gelockert und die auszuwilderne Jungkrähe testet dann draußen im Feld, wie ihre Artgenossen auf sie reagieren. Die Aufenthalte der Krähe daheim werden immer kürzer, schlafen, fressen und baden sind die einzigen Gründe, warum sie noch heimkommt, wobei ihr das Futter, das sie in Krähengesellschaft sucht, wohl bald besser schmeckt als das vom Päppler angebotene - wenn´s nicht grad Mäuse oder Zophobas sind
. Wie lange sie noch Pflege beansprucht, ist individuell unterschiedlich - aber jeder Aufklauber eines Wildvogels sollte sich seiner Verantwortung bewusst sein und dies alles in Kauf nehmen können und wollen - ansonsten gibt es ja Stationen.
Total in die Hosen ging z. B. eine Aufzucht vor fünf Jahren hier im süddeutschen Raum, als ein Krähenaufklauber während seines Urlaubs den Findling zwar mit Katzenfutter (auf Rat vom Tierheim) aufzog, noch viel schlimmer war aber, dass der Urlaub dann zu Ende war und anstatt den gerade flüggen Vogel in eine Station zu bringen, weil ein Rabenvogel noch lange Zuwendung braucht, hat der Mann morgens und abends ein Schüsselchen Katzenfutter hingestellt - und das war´s - sehr plötzlich für den kleinen Kerl. Er war vernachlässigt und verschwand. Zwei Tage später tauchte eine Krähe im Nachbardorf auf, suchte sich einen Elternersatz aus und belästigte diese Leute, die natürlich kein Interesse an der Krähe und keine Ahnung von Vogelaufzucht hatten. Sie wandten sich an die nächste Greifvogelstation, in der damals auch noch Rabenkrähen ausgewildert wurden, packten den Vogel in einen Karton und stellten, da der für die Krähen zuständige Mann nicht daheim war, den Karton vor dessen Haustür. Als der Krähenmann von der Greifvogelstation nach Hause kam, fand er einen Karton ohne Krähe - dafür mit großem Loch ...
Wie unverschämt dieser Vogelaufklauber sich danach in der Presse verhalten hat, wurde mir erst mit der Zeit und mit eigenen gesammelten Erfahrungen so richtig klar: Er brüstete sich damit, dass das
sein "toller" Vogel sei, der sich holt, was er will und sich seiner Freiheit erwehrt ...
Der größte Fehler ist ganz sicher, einen aufgeklaubten Vogel zu vernachlässigen, wenn man ihn schon selbst aufziehen will.
Dies gilt nur für eine gesunden Vogel!!! Und man sieht einem Vogel nicht immer an, ob er´s auch ist ...
Grüßle
Gerlinde