Hilfsmittel für Vogelbestimmung

Diskutiere Hilfsmittel für Vogelbestimmung im Forum Vogelbestimmung im Bereich Allgemeine Foren - Liebe Vogelfreunde, ich habe mich heute hier angemeldet, weil es immer noch genügend Dinge gibt, die ich über die Vogelwelt wissen möchte: 1...
Tatsächlich ist schlechteres Wetter zum Beobachten oftmals besser, da während dem Zug dann Pausen eingelegt werden. Klart es auf, gilt es die Zeit wieder wettzumachen. Vieles zieht dann schnell hoch vorbei.
Gerade im Frühjahr kann es zu regelrechten Zugstaus kommen, wo alles abwartet bis es weiterziehen kann.
Ebenso gibt es gegen den Winter bei entsprechenden Voraussetzungen Winterfluchten, wo dann grosse Anzahlen in kürzester Zeit weg ziehen.

Generelle Anleitungen kann ich kaum geben, da ich selber über die Jahrzehnte unter völlig verschiedenen Voraussetzungen alles mögliche beobachtet habe. Es ist ja auch das schöne daran, dass man eigentlich alles überall finden kann, mit mehr oder weniger grossen Wahrscheinlichkeit.

Gerade Programme wie ornitho.de geben zeitnah Angaben was genau abläuft. Habe ja selber auch schon erlebt: Man schaut kurz rein und sieht, dass an dem Tag mehrere Fischadler in der Umgebung durchgezogen sind. Bin dann dadurch animiert doch noch kurz rausgegangen und schon von der Haustüre aus kam der nächste Fischadler. Ich schaue täglich in unser Ornitho.ch um kurz auf dem Laufenden zu sein, was gerade abgeht.
 
Zum Thema Zugstau noch eine Bemerkung von mir: Vögel müssen natürlich effizient mit ihren Energieressourcen umgehen. Das bedeutet, dass sie Wetterlagen mit Rückenwind nutzen, um weite Strecken zurück zu legen.
Da im Herbst die generelle Zugrichtung von Nord(-ost) nach Süd(-west) verläuft, kann man also Wetterlagen mit spürbarem (d.h. eher tiefdruckgeprägtem) Süd- bis Südwestwind als zughinderlich ansehen, so dass dann u.U. zugstaubedingte Vogelansammlungen auftreten können.
Im Frühjahr ist es entsprechend umgekehrt.
Allerdings ist der Frühjahrszug häufig zeitlich komprimierter, weil die jeweiligen Arten versuchen, möglichst schnell die optimalen Brutreviere zu erreichen. Wenn in so einer Phase (sagen wir von 20. März bis 10. April) hartnäckig spätwinterliche Nordostwindlagen in Mitteleuropa herrschen, wird der Zug sehr effizient und erkennbar aufgehalten (das konnte mancherorts im brutalen Märzwinter 2013 beobachtet werden, der erst gegen Ende so richtig in Fahrt kam). Mitunter kann es dann sogar zum sogenannten Umkehrzug kommen, dabei kehren Vögel aus schon erreichten Gebieten im Nordosten wieder nach Südwesten zurück, weil die Bedingungen temporär zu unwirtlich geworden sind.
Der Herbstzug ist meist zeitlich verschmierter, so dass Zugstauphänomene zwar prinzipiell auch auftreten, aber weniger offenkundig sind.
Ein letzter Aspekt: Großräumige und vor allem andauernde Windanomalien behindern zwar die einen Arten, machen anderen aber dafür die 'Reise' leichter als beabsichtigt. So werden aufgrund dessen mitunter Individuen von russischen oder gar sibirischen Arten bzw. nordamerikanische Vögel nach West- und Mitteleuropa buchstäblich 'verblasen'.

Gruß,
Steffen

p.s.: Die Einflußnahme der Witterung auf den Vogelzug ist relativ komplex, ich habe das hier nur sehr knapp angerissen. Bei Lücken oder ungenauen Formulierungen bitte ich um Ergänzung bzw. Korrektur. :)
 
Hallo zusammen,

vielen Dank für eure Infos. Das klingt alles überaus interessant. Zumal die letzten Tage mit Gartenrotschwanz und Trauerschnäpper doch noch das ein oder andere Highlight bei mir geboten war :-)

Ich frage mich wo ihr alle diese vielen Infos her habt und wie ihr diese Kenntnisse für eure Vorgehensweise bei der Beobachtungen des Vogelzugs nutzt?

Ich wollte mir hierzu das Buch „Vogelzug – eine aktuelle Gesamtübersicht“ von Prof. Peter Berthold besorgen.

Was mich etwas wundert: manche Ausgabe kostet 19,95€ und im Gebrauchthandel findet man dagegen Exemplare (mit gleichem Titel und gleicher Auflage aber anderes Cover) für teils 45€. Sind das zwei grundverschiedene Bücher?

Viele Grüße und einen vogelreichen Start ins Wochenende,

Tobias
 
wollte meine Frage von oben nochmal aufgreifen ;-)

viele Grüße und allen ein schönes Wochenende,
Tobias
 
Nur nicht drängeln. :)

Nun, ich denke, die Antwort auf Deine erste Frage ergibt sich ein bissel von selbst.
Niemand wird mit einem Sack voll Wissen geboren, man erwirbt sich seine Kenntnisse mit der Zeit. Die Ornithologie ist eine sehr praktische Aktivität, man kann zwar viel darüber lesen (und das sollte man auch, um das empirische Wissen einordnen zu können), aber wenn man sich nicht mit offenen Augen und Ohren draußen aufhält, bleibt das Wissen grau und abstrakt.
Du wirst auch nicht zum Musikliebhaber, wenn Du in einem Lehrbuch liest, dass es verschiedene Tonarten gibt und Bach prima Sachen komponiert hat.
Meist ist es umgekehrt: Man hört (oder um auf Vögel zurück zu kommen: sieht!), denkt sich: boah, und will mehr wissen. Optimalerweise wird danach das Verständnis erweitert: Man sieht nicht nur einen Säbelschnäbler, der auf einen Seeadler hasst, und denkt sich, ach wie spannend: ein kleiner und ein großer Vogel, sondern man versteht, was da passiert und warum der kleine Wicht so unerschrocken dem großen Adler hinterher tobt.

Was die Umsetzung von Wissen über den Vogelzug in Urlaubs- bzw. Exkursionsplanung angeht: Wenn man klar hat, wann sich zugtechnisch etwas tut (allgemein in den Übergangsjahreszeiten, bei Limis auch schon ab dem Spätsommer) und weiß, wo Zugrouten verlaufen, dann hat man schon recht gute Karten für den meist eher längerfristig zu planenden Urlaub. Ich bin z.B. seit Jahren im Oktober auf Helgoland, da geht beobachtungstechnisch die Post ab - mehr als 400 Arten sind dort nachgewiesen, obwohl (oder besser: weil...) Insel und Düne nicht viel mehr als ein Krümelchen Festland in der zugtechnisch stark frequentierten Nordsee sind.
Die Bodenseeregion ist ebenfalls sehr spannend oder auch der Neusiedler See im österreichisch-ungarischen Grenzgebiet. Man hört auch viel über den östlichen Mittelmeerraum (speziell Teile von Israel), wo sich teilweise Zugbewegungen aus drei Kontinenten abspielen.

Ausflüge macht man ja eher halbspontan. Wir kennen unsere Ecke des Landes einigermaßen und wissen, wo man aufwandarm prima beobachten kann. Du hast ja weiter oben geschrieben, dass Du Ornitho kennst. Weißt Du, dass Du Dir Deine Startseite so einrichten kannst, dass Du erfährst, wenn in Deiner Gegend Raritäten gemeldet wurden? Auf diese Weise haben wir von Adlerbussard und Gleitaar erfahren und einige Tage später beide Arten auch gesehen.
Immer ratsam ist es auch, sich in einschlägigen Internetforen zu tummeln, wo Ornis ihre Beobachtungen austauschen. Und bei allem nie vergessen: Das wirkliche (Vogel-)Leben spielt sich immer draußen ab... :)

So, genug des langatmigen Dozierens (sorry...), morgen geht's endlich wieder Richtung Helgoland (*freu*)...

Ciao und Dir/Euch eine prima Zugzeit,
Steffen
 
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