5 Sonntagsfragen

Diskutiere 5 Sonntagsfragen im Forum Edelsittiche im Bereich Sittiche - Heute morgen sah ich eine Naturdokumentation aus dem äquatorialafrikanischen Staat Elfenbeinküste. Es ging hauptsächlich um unterschiedliche Arten...
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HansWilhelm

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Heute morgen sah ich eine Naturdokumentation aus dem äquatorialafrikanischen Staat Elfenbeinküste. Es ging hauptsächlich um unterschiedliche Arten von Affen, die beim Fressen tropischer Früchte gefilmt wurden. Im Hintergrund hörte man Schreie, die von Halsbandsittichen hätten stammen können – falls es diese dort überhaupt gibt – ohne das deren Verursacher aber ins Bild gerückt wurden.

Mir kam jetzt zu Bewusstsein, dass ich noch nie eine Naturdokumentation gesehen hatte, in der afrikanische Halsbandsittiche zu sehen gewesen waren. Andere Vögel hingegen sind ausführlich und häufig dokumentiert worden: Webervögel, Greifvögel, Flamingos, Bienenfresser, Storchenvögel usw. Deshalb die erste Sonntagsfrage:

SF1: Ist der afrikanische Halsbandsittich selten in seinem Verbreitungsgebiet?

Da er als Ernteschädling eingeordnet wird, müsste man eigentlich annehmen, dass er häufig ist. Sind es also seine Habitate, die uninteressant sind und deshalb von Filmemachern nicht angesteuert werden, was sein Fehlen in Naturfilmen erklären könnte?

SF2: Was sind die Habitate des afrikanischen Halsbandsittichs?

Aus logischen (!) Gründen muß der Ursprungsort auch des afrikanischen Halsbandsittichs im südasiatisch - indischen Raum zu suchen sein. Heute zeigt die Verbreitung des Halsbandsittichs eine Lücke, die Afghanistan, Iran und die arabische Halbinsel umfasst. Wahrscheinlich ist er in einer anderen Klimaperiode auch dort verbreitet gewesen und nun ist sein Verbreitungsgebiet fragmentiert. Die afrikanischen Unterarten sind von den indischen leicht zu unterscheiden:

- sie sind kleiner und haben eine geringere Körpermasse
- sie haben eine abweichende Gefieder- und Schnabelfärbung
- sie haben eine andere Jahresperiodik, insbesondere die Brutzeit betreffend

.
Dann gibt es aber noch einen Punkt, den ich mal hypothetisch formulieren will. Afrikanische Halsbandsittiche sind giftiger und durchsetzungsfähiger als ihre indischen Brüder und Schwestern. Sie bringen die distanzierte und unerschrockene Wesensart der Halsbandsittiche noch deutlicher zur Geltung. Zweimal war ich bereits Zeuge einer gemeinsamen Gruppenhaltung von indischen Halsbandsittichen, zu denen ein afrikanisches Männchen hinzugesetzt wurde. Nach einigen Wochen hatte sich der Afrikaner zum Chef der Voliere hochgearbeitet und den indischen Hähnen regelmäßig die Weibchen ausgespannt. Das erste mal war der Afrikaner so klein, dass er ständig durch die Gitterstäbe eines Rundkäfigs, wo er zusammen mit einem Inder leben sollte, ausgerissen war, und deshalb einem Freund in Berlin-Spandau geschenkt wurde. Wir nannten ihn deshalb respektlos „Fuzzi“. Fuzzi nahm einem Inder sofort eine fast doppelt so große Henne ab und zog mit ihr erfolgreich zwei Jungen hoch. Noch als die Jungen im Kasten waren, entflog die Henne. Den Rest der Aufzucht besorgte Fuzzi alleine. Das gleiche Spiel wiederholt sich gerade in unserer Voliere im Natur- und Tiergehege Kreuzberg. Ein Afrikaner, acht Inder. Wer das Sagen hat, beschrieb ich soeben. Diese Fähigkeit zur Dominanz kann seine Ursache nicht in physischer Stärke sondern in einer abweichenden Verhaltensprogrammierung haben, deren Ursache in Anpassungsvorgängen auf unterschiedliche Anforderungen im Freileben besteht.

SF3: Welche Abweichungen zeigt das Sozialverhalten afrikanischer Halsbandsittiche im Freileben gegenüber den indischen Arten?
SF4: Lassen sich für SF3 Ursachen im Freileben aufzeigen?

Ein weiterer Punkt: Indische Halsbandsittiche sind ökologisch eingegrenzt durch weitere Verwandte ihrer Gattung, z.B. Pflaumenkopfsittich und großer Alexander. Diese haben sich ökologisch differiered eingenischt und versperren damit dem Halsbandsittich eben diese ökologische Nische. Dieselbe ökologische Nische kann nämlich nicht durch zwei verschiedene Arten ausgefüllt werden. Dem afrikanischen Halsbandsittich steht kein Gattungsverwandter im Wege. Von diesem Standpunkt aus gesehen könnte man erwarten, dass der indische Halsbandsittich einen höheren Grad an Spezialisierung haben muß, oder andersrum: Der afrikanische Halsbandsittich hat größere ökologische Freiheitsgrade und hat im Experimentierkasten der Natur einen weniger festgelegten Status als der Inder. Beim Prozeß der Bildung von Unterarten und echten Arten stehen dem afrikanischen Halsbandsittich generell die Türen offener, die naturgeschichtliche Dynamik seiner Evolution verläuft schneller und sprunghafter.

SF5: Könnte via Urbanisierung und weltweite Verbreitung gerade die afrikanische Unterart von Psittacula krameri zum Darwinfink unserer Zeit werden?
 
Moin, Moin,

Es gibt Halsbandsittiche an der Elfenbeinküste: Trip Report: Côte d'Ivoire (Ivory Coast), April 19 - June 24, 2000
http://www.camacdonald.com/birding/tripreports/IvoryCoast00.html


Original geschrieben von HansWilhelm

SF1:Ist der afrikanische Halsbandsittich selten in seinem Verbreitungsgebiet?

Hmm. In Sri Lanka oder Indien ist er jedenfalls sehr häufig. Selbst bei einem einfachen Neckermannurlaub in Sri Lanka bekommt man ihn sicher zu Gesicht, da er auch dort in urbanisierten Gebieten vorkommt und z.B. die Gärten von Hotelanlagen als Nahrungs- Brutreviere oder Schlafbäume nutzt und selbst im Zentrum von Colombo anzutreffen ist. Insofern stammen auch die meisten Reiseberichte die mehr als nur Sichtungen umfassen aus Asien. Das ist einfach billig und einfach durchzuführen. An neuern Berichten aus Afrika kenne ich nur einen aus der Gefiederten Welt? von Lietzow oder Ehlenbröker. Der aber weder von den Fotos noch von den sonstigen Informationen sehr erhellend war.

Original geschrieben von HansWilhelm

SF2: Was sind die Habitate des afrikanischen Halsbandsittichs?
In einer alten Ausgabe von Brems Tierleben (um 1925) schrieb der Autor, der sowohl afrikanische als auch asiatische Halsbandsittiche aus eigener Anschauung kannte, das sich in mehreren Punkten deutlich unterscheiden: Afrikaner wären mehr auf den Wald bezogen und würden nicht in Städte gehen.
Ein Vergleich von Vegitationskarten und Verbreitungskarte allein zeigt das aber auch. Nach Süden sind sie durch immergrünen Regenwald (dunkelgrün) und nach Norden durch Savanne (gelbgrün), bzw. Wüste (gelb) abgegrenzt.

Original geschrieben von HansWilhelm

Aus logischen (!) Gründen muß der Ursprungsort auch des afrikanischen Halsbandsittichs im südasiatisch - indischen Raum zu suchen sein. Heute zeigt die Verbreitung des Halsbandsittichs eine Lücke, die Afghanistan, Iran und die arabische Halbinsel umfasst. Wahrscheinlich ist er in einer anderen Klimaperiode auch dort verbreitet gewesen und nun ist sein Verbreitungsgebiet fragmentiert.

Das sehe ich genauso, Problem sind die isolierten Vorkommen weiterer Edelsitticharten auf kleinen Inseln und auf Madagaskar. Eine andere Überlegung nimmt ein Verdriften der Gattung mit dem Indischen Subkontinent an. M.E. steht dabei aber die Fossilüberlieferung bzw. der Beginn der Drift, vor der Herausbildung der Papageienvögel im Weg. Die spannende Frage ist die systematische Stellung des Echosittichs, der lange als Unterart des Halsbandsittichs galt. Zumindest die Männchen sind kaum zu unterscheiden, und auch die Weibchen sind sehr ähnlich.

Original geschrieben von HansWilhelm

Sie bringen die distanzierte und unerschrockene Wesensart der Halsbandsittiche noch deutlicher zur Geltung. Zweimal war ich bereits Zeuge einer gemeinsamen Gruppenhaltung von indischen Halsbandsittichen, zu denen ein afrikanisches Männchen hinzugesetzt wurde. Nach einigen Wochen hatte sich der Afrikaner zum Chef der Voliere hochgearbeitet ...

Das Gegenteil belegt ein Balg eines männlichen, afrikanischen Halsbandsittich im Senkenbergmuseum. Er wurde von indischen Weibchen kurz nach dem Einsetzen gekillt.



Original geschrieben von HansWilhelm
Ein weiterer Punkt: Indische Halsbandsittiche sind ökologisch eingegrenzt durch weitere Verwandte ihrer Gattung, z.B. Pflaumenkopfsittich und großer Alexander. Diese haben sich ökologisch differiered eingenischt und versperren damit dem Halsbandsittich eben diese ökologische Nische. Dieselbe ökologische Nische kann nämlich nicht durch zwei verschiedene Arten ausgefüllt werden. Dem afrikanischen Halsbandsittich steht kein Gattungsverwandter im Wege. Von diesem Standpunkt aus gesehen könnte man erwarten, dass der indische Halsbandsittich einen höheren Grad an Spezialisierung haben muß, oder andersrum: Der afrikanische Halsbandsittich hat größere ökologische Freiheitsgrade und hat im Experimentierkasten der Natur einen weniger festgelegten Status als der Inder. Beim Prozeß der Bildung von Unterarten und echten Arten stehen dem afrikanischen Halsbandsittich generell die Türen offener, die naturgeschichtliche Dynamik seiner Evolution verläuft schneller und sprunghafter.

Hmm. Betrachtet man die Körpergrößen der einzelnen Psittaculaarten- und Unterarten so zeigen sie sehr schön nahezu gleichbleibende Abstände, ich gehe daher davon aus, dass die Stammart halsbandsittichgroß war. Sollten mehrere Arten in einem Gebiet vorkommen so sind sie meist ungleich groß (Ausnahme z.B. Blauschwanzedelsittich und Pflaumkopfsittich sind sich ähnlicher als zu erwarten wäre – da muss man sich die Details ansehen).
Spannend ist die Frage nach der Konkurrenzfähigkeit des Großen Alexandersittichs. In Sri Lanka soll durch Halsbandsittiche arg bedrängt sein, wogegen er in Deutschland gerade in den Hochburgen der Halsbandsittiche zulegt. Etwas flapsig bezeichne ich den Großen Alexandersittich als den Ara unter den Edelsittichen, da sein großer Schnabel (sowohl absolut als auch relativ) ihn befähigt Nüsse zu knacken, die Halsbandsittichen weitgehend verschlossen bleiben. Woran könnte aber dann der Rückgang der Großen gegenüber Halsbandsittichen in Sri Lanka begründet sein? Ich würde zum einen auf Bruthöhlenmangel tippen. Bei uns brüten bisher Große Alexandersittiche ausschließlich in Platanen die einen relativ dicken Stamm und damit ein hohes alter haben. Solche Bäume könnten auf Sri Lanka Mangelware sein. Andererseits besuchen Große Alexandersittiche keine Schlafbäume, damit ist die Partnerfindung erschwert zugleich müssen sie ganzjährig ihre Schlaf- und Bruthöhle verteidigen.

Original geschrieben von HansWilhelm

SF5: Könnte via Urbanisierung und weltweite Verbreitung gerade die afrikanische Unterart von Psittacula krameri zum Darwinfink unserer Zeit werden?

Nein, wenn dann die südindische Unterart. Allein ihre Eroberung der asiatischen Städte und ihre Kolonien in Europa, Afrika (!) Nord- und Südamerika zeigen das. Bis die Afrikaner dort ankommen, haben die Südinder das alles schon besetzt. Inwieweit sich diese Vorkommen nach dem Verschwinden des Menschen vom Globus halten können und ob die Zeit bis dahin für Radiation ausreicht ist eine ganz andere Frage.

Gruesse,
Detlev
Afrika
 
Da fehlte noch ein Bild:
 

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Moin, Moin,
kleiner Nachtrag. Halsbandsittiche sind nach einem nicht sehr ergibigen Bericht (in Papageien 5/2001) in Gambia häufig. Exportzahlen aus dem Senegal:
1995 12.000 Tiere
1996 25.000 Tiere
1997 25.000 Tiere

Gruesse,
Detlev
 
Thema: 5 Sonntagsfragen

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