Hallo Bianca!
Ich hoffe, du kannst mit meiner Antwort was anfangen, denn der große Rechtsexperte bin ich nicht.
Wildfang bedeutet, wie der Name schon sagt, dass die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung, in wildem Zustand, eingefangen wurden, also in Lateinamerika aus ihren Nestern geholt. Soviel ich weiß, ist die Einfuhr solcher Vögel zwar nicht gänzlich verboten, aber rechtlich stark eingeschränkt, was ja auch sinnvoll ist, denn Nachzuchten an Amazonen gibt es in Deutschland genug. Außerdem ist es meines Erachtens moralisch nicht vertretbar, Tiere unter erbärmlichen Bedingungen zu transportieren, wobei billigend in Kauf genommen wird, dass ein Großteil dabei zugrunde geht. Die Gewinnspanne durch die überlebenden Vögel ist scheinbar noch immer attraktiv genug. Inwieweit illegal dabei nachgeholfen wird, weiß ich nicht.
Eine andere Möglichkeit, Großvögel aus dem Ausland zu importieren, sind Aufzuchtstationen, wo Aras, Amazonen und dergleichen extra für den Handel aufgezogen werden, meist per Hand, was dann gleich auf den Preis draufgeschlagen wird. Diese Vögel sind dann, was ihre Kindheit betrifft, in etwa vergleichbar mit deutschen Aufzuchten. Allerdings ist mir bis heute nicht einsichtig, warum man einen Jungvogel auf den Philippinen aus dem Ei pellt, ihn mühsam hochpäppelt, ihn dann per Flugzeug quer über den Globus schickt, nur damit er in Deutschland neue Halter findet. Da kann ich mir doch gleich eine heimische Zucht nehmen, vor allem weil mir keiner erzählen kann, dass der Transport keine Spuren hinterlässt. Außerdem kann ich nicht nachprüfen, unter welchen Bedingungen diese Nachzuchtstationen betrieben werden. Auch hier wäre ich auf die Informationen der Zoohandlungen angewiesen, und ob die mir immer das Richtige sagen können oder wollen? Wie gesagt, finanziell sind solche Aktionen wohl immer noch einträglich, sonst wären diese (obskuren) Amazonen, von denen keiner recht weiß, was sie mitgemacht haben, schon längst aus den Zoogeschäften verschwunden.
Wenn die Amazone, die du besuchst, plötzlich spanisch spricht, deutet das, würde ich mal vermuten, tatsächlich auf eine Aufzuchtstation im entsprechenden Ausland hin. Man hat sich also offenbar Mühe gegeben, vielleicht der Amazone beim Füttern was vorgesagt. Solche Mühe machen sich traditionelle Vogelfänger in Lateinamerika in der Regel nicht. Da bleibt der eingefangene Jungvogel nicht lange beim Zwischenhändler, sondern kommt ohne große Wartezeit in den Weiterhandel. Eine individuelle Bindung zwischen Fänger und Vogel besteht nicht. Woher sollte er also spanisch sprechen gelernt haben?
Dass die Zooleute nicht wissen, welches Geschlecht die Amazone hat, liegt wahrscheinlich daran, dass sie noch keine Genanalyse haben machen lassen. Das kostet ein paar Euro und wird wohl gern eingespart von Leuten, die eh nicht den Vogel behalten wollen. Das obliegt dann den neuen Haltern, sich darum zu kümmern, falls ihnen das wichtig sein sollte.
Beim Preis gibt es keine Vorgaben. Jeder, der eine Amazone verkauft, kann verlangen, was er will. Daher kommen auch diese enormen Preisunterschiede zustande. Im Allgemeinen sind natürlich die selteneren Arten teurer als die weiter verbreiteten. Und dann gibt es noch Unterscheide zwischen Wildfang, Naturbrut und
Handaufzucht. In der Regel sind die
Handaufzuchten die teuersten, weil sich die Züchter erstens die Arbeit beim Hochpäppeln der Küken bezahlen lassen, und zweiten weil
Handaufzuchten gern gekauft werden wegen der schon zahmen Vögel, die an Menschen gewöhnt sind und vielleicht nicht so lange brauchen werden, um sich an die neuen Halter zu gewöhnen. Wenn man sich also für eine Amazone interessiert, sollte man sich vorher gründlich umgucken, nicht nur, damit man einen gesunden Vogel bekommt aus guter Zuchthaltung, sondern auch, damit der Preis stimmt.
Ich kann verstehen, dass man sich beim Anblick einer prachtvollen Amazone derart verliebt, dass man blind wird gegenüber dem Preis. Aber überteuerte Preise durch dreiste Händler sollte man nicht unterstützen.
Viele Grüße
Rinus.