Ich bin da immer zwiegespalten.
Wir haben in Deutschland schon recht wenige Traditionen, die uns alle verbinden und für viele gehört Silvesterfeuerwerk dazu. Das sage ich als jemand, der von Kindheit an nie selbst mitgeböllert hat. Aber ich verstehe schon Menschen, die das als eine der wenigen, verbindenden Traditionen betrachten.
Hier gab es letztes Jahr im Radio die Geschichte eines Mannes, der wenig Geld hat und das ganze Jahr spart, damit er am Jahresende 2000 € zusammenhat, die er dann in einer kleinen Feuerwerksfirma ausgibt. Das ist wohl sein Jahreshighlight. Dafür spart er übers Jahre gesehen immer wieder stark am Essen. (Er soll wohl Rentner mit geringer Rente sein laut der Firma.)
Bei den Tieren muss man aber sagen, ja, das ist sicher für die Tiere ein Schock, sie verstehen nicht, was da los ist, haben Angst, werden teilweise auch verletzt oder getötet - aber es gibt so viele andere Gelegenheiten, bei denen zumindest die Angst genauso groß ist. Plötzlicher lärm von Motorsägen, Baustellen, Alarmsirenen etc.
Ich selbst feiere seit Jahren ein sehr bescheidenes Silvester mit einem kleinen Essen (das die meisten an normalen Wochentagen essen) und ohne Alkohol, ohne Böller, ohne rauszugehen etc. Also, es ist nicht so, dass ich großer Fan davon wäre. Trotzdem verstehe ich, dass vielen Menschen, gerade in der heutigen, unsicheren, traurigen Zeit etwas fehlen würde, wenn sie das Böllern wegließen oder es ganz verboten würde.
Davon abesehen habe ich dieses Jahr zum ersten Mal in meinem Ort Schilder gesehen, die das Böllern rund um bestimmte Adressen oder Straßen verbaten. Vermutlich wegen Reetdächern - die da allerdings die letzten Jahrzehnte auch schon standen.
Man hat doch in der Pandemie gesehen, wie schlecht es uns geht, wenn wir vieles nicht machen können, was für die meisten normal ist (nicht nur böllern, auch raus gehen, etwas trinken, feiern etc.) Jetzt sind viele gerade wieder in dieser gedrückten Stimmung wegen Krieg/en und Inflation. Für viele dürfte es ein Lichtblick sein, dass einige böllern und ihnen ein Stück Normalität aus der Vergangenheit wiedergeben, als diese Probleme noch nicht am Horizont standen.
2020, als das Böllern eigentlich verboten war, habe ich Silvester im Pflegeheim gefeiert. Es wurde dann noch "ein bisschen" geböllert - als wir dann gegen 00:30 Uhr das Heim verließen, herrschte draußen dichter Nebel (dachte ich erst). Auf dem (langen) Weg zur Bushaltestelle bzw. am Ende zum Bahnhof (waren vielleicht 5 km zu Fuß, weil die Busse da unregelmäßig fuhren) sahen wir dann am Straßenrand durchgehend die Böllerreste (keine Ahnung, wie man diese Dinger nennt - keine Raketen, sondern "Pappröhrchen" in einer Batterie) - ca. alle 30 bis 50 cm am Randes des Fußweges, fast die gesamte Strecke entlang. Das Pflegeheim lag in einer reinen Wohngegend. Da merkte man einfach, wie wichtig das wie vielen Menschen war und - das überraschte mich am meisten - wie viele Menschen offenbar ein Jahr lang haufenweise Böller bei sich im Keller aufbewahrt hatten, denn man konnte ja in dem Jahr meines Wissens keine kaufen.