Dr. Dreyer

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Benny-Lucca

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DR. Stephan Dreyer


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Tierschutz im Zoofachhandel
Was die Unterbringung von Tieren angeht, herrschen im Zoofachhandel große Qualitätsunterschiede. Der Gesetzgeber lässt die Heimtierbranche im Regen stehen
Das Thema Tierschutz im Zoofachhandel ist ein Kapitel mit Fragezeichen. Viele davon stehen (leider) hinter offenen Fragen. In erster Linie ist dies ein Systemproblem. Aber rein politisch darf und soll man es nicht angehen. Denn gleichermaßen ist es ein pragmatisches oder praktisches Problem und da bin ich mitnichten ein Theoretiker oder Schreibtischtäter! Aber wie auch immer, Tierschutz ist modern, zeitgemäß, durchaus bis zu einem gewissen Grad auch richtig und wichtig.



Tiere haben großen Nutzen für den Menschen
Behandeln wir daher die oben angesprochenen offenen Fragen nach und nach, um uns dem Thema vorsichtig zu nähern und womöglich etwas zur Lösung beizutragen. Doch vorab ist eines zu fordern: Wer auch immer sich mit dem Tierschutz im Zoofachhandel befasst, hat zwei Kriterien unbedingt zu erfüllen und ­ bitte gleichzeitig ­ in die Diskussion einzubringen:

Sach- und Fachkenntnis in allen Belangen der Zoofachbranche und über alle handelsrelevanten Tiergruppen oder -arten hinweg
Gesunden Menschenverstand gepaart mit einem bisschen logischen Denken und einem vernünftigen Abwägen zwischen dem, was in der Theorie wünschenswert wäre, und dem, was in der Praxis machbar und sinnvoll ist, kurz: diplomatisches Geschick.
Berücksichtigt man beide Kategorien, schränkt dies den Kreis potenzieller Problemlöser und Fragenbeantworter zu diesem heiklen Thema schon gehörig ein!

Und noch eine weitere Forderung ergibt sich aus den möglichen "Sünden" bezüglich Tierschutz im Zoofachhandel mit ihrer künftigen Korrektur: Lasst uns bitte endlich aufhören mit der allgegenwärtigen Heuchelei! Denn unumstößlicher Fakt und naturwissenschaftlich-historisch begründet ist doch, dass Heimtiere ganz zweifelsohne großen Nutzen für den Menschen bringen. Ich spreche von der mehrfach in anerkannten Studien belegten psychosozialen Bedeutung dieser Tiere. Und damit gleichsam überleitend von der wichtigen Funktion des Zoofachhändlers als Mittler von Mensch-Tier-Beziehungen. Den parallel gegebenen volks- und betriebswirtschaftlichen Nutzen direkter und indirekter Art möchte ich einmal außen vor lassen, weil "Tierschützer" dies gar nicht so gerne hören, aber machen wir uns doch nichts vor!



Wie "richtige" Tierhaltung in der Praxis aussehen sollte, ist in der Branche umstritten. Letztlich wird die Verantwortung auf den Tierhalter abgeschoben.

Wenn nun dieser vielfältige Nutzen der Heimtiere gegeben ist, dann sprechen wir zumindest umgangssprachlich von "Nutztieren" und zwar von Nutztieren der besonderen Art. Dann aber, bitteschön, will ich diese "pets" oder "companion animals" sowohl vor dem Gesetz als auch in der Wirkung nach außen (Umsetzungen, Verordnungen, gleiches Recht für alle etc.) auch wenigstens annähernd so streng und/oder so locker (in jedem Fall aber ähnlich) wie landwirtschaftliche Nutztiere behandelt haben wollen. Dann müssen wir diese Heimtiere ­ provokativ gesagt ­ auch "produzieren" dürfen. Wir müssen sie ­ vorübergehend dort untergebracht ­ aus Zuchteinrichtungen, Wildfangstationen, im Einzelfall durchaus diskutabel, oder Ranching-Modellen weiterhandeln und via Großhandel aus dem Handel ­ wieder nur zeitweilig "aufgestallt" ­ in künftige "Endverbraucherhände" übergeben dürfen.



Staat zieht sich geschickt aus der Affäre
Ordnungsgemäß, sauber, tiergerecht usw. muss dies schon funktionieren, sonst funktioniert es nicht. Aber wer bestimmt dies? Was ist hier angebracht, was unabdingbar und was unsinnig? Das Tierschutzgesetz ermächtigt den Gesetzgeber, dazu Verordnungen zu erlassen. Solange er das nicht tut, haben wir Willkür und Auslegung, persönliche Neigungen und fehlendes oder im Einzelfall extrem überzogenes Know-how der Kontrolleure zu erdulden. In jedem Stadtbezirk oder Landkreis, in jedem Verwaltungssprengel ein bisschen anders, aber nirgendwo wirklich gut oder gar bundesweit und tierübergreifend einheitlich. Die Zoofachhändlerin G. Nichtand-Idecke forderte im pet-Euro-Fachmagazin schon vor Jahren endlich eine Zoofachhandelsverordnung für die allumfassend-einheitliche Reglementierung wichtiger Belange zur vorübergehenden Unterbringung von Heimtieren im Zoofachhandel.

Was haben wir bekommen? Gutachten! Papier, mit dem sich der Staat ohne Gesetzeskraft aber kaum angreifbar, geschickt aus der Affäre um den schlaffen 5-Milliarden-DM-Markt (ohne Tiere!) der Zoofachbranche drückt. Papier, welches weiterhin der persönlichen Auslegung Verantwortlicher bedarf und von dem wir inzwischen wissen, dass seine Inhalte in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des bereits 1998 (!) novellierten Tierschutzgesetzes landeten. Papier, das ebenso geduldig ist, wie der "Tierdealer um die Ecke", dem es eigentlich an den Kragen gehen müsste. Und das letztendlich dem verantwortungsbewussten Zoofachhändler kaum nutzt, weil er seine Inhalte ohnehin längst erfüllt.

Aber da kommen wir an einen wichtigen, durchaus tierschutzrelevanten Punkt: Das wichtigste Kriterium für Tierschutz im Zoofachhandel sind nicht Papiere und Verordnungen, Gutachten und (Amts-) Tierärzte, nein, es sind die Zoofachhändler selbst. Und zwar die der Zukunft, denn nichts täte unserer Branche besser, als endlich das Berufsbild und den anerkannten Ausbildungsberuf des Zoofachhändlers zu etablieren! Wer packt es endlich an, und nicht nur halbherzig? Was nützen dem Fachhändler, dem künftigen stolzen Heimtierbesitzer und damit dem Tierschutz im Sand verlaufene Monate des Jahres 1999 als tierärztliches Heimtier-Jahr!? Was nützen seit Jahren irgendwo kursierende ­ und ständig "rein redaktionell zu überarbeitende" ­ Listen mit möglicherweise tierschutzrelevantem Zubehör, wenn die Konsequenz fehlt? Ist es wirklich wahr, dass angebliche Fach-Organisationen zwar einzelne Zubehörteile als tierschutzwidrig einstufen, aber der Staat die Meinung vertritt, dass es ebenso wie bei Radar-Warngeräten erlaubt ist, damit zu handeln, also sie zu verkaufen und zu kaufen, nur benutzen darf man sie nicht. Soll diese gesetzliche Perversion des Abschiebens der Verantwortung auf den Verbraucher wirklich auch auf betroffene Lebewesen übertragen werden? Also soll so etwas etwa bei Sandpapierhülsen für Vogelsitzstangen auch gelten? Das kann es nicht sein.



Schonungslose Aufklärung ist an allen Fronten notwendig
Eine Staatsorganisation, die ernsthaft darüber nachdenkt, den Tierschutz im Grundgesetz zu verankern, muss sich da schon etwas mehr einfallen lassen! Und sie muss auch so unbequeme Details wie die vorübergehende Unterbringung spezieller Nutztiere im Zoofachhandel (= Heimtiere) speziell behandeln und sich dazu der geeigneten Praktiker bedienen, als da sind gute Fachhändler, Spitzen-Zoologen, Top-Agrarwissenschaftler, Biologen, First-class-Agrarbiologen und ca. zehn Prozent der Tierärztinnen und Tierärzte (die übrigen 90 Prozent müssen die naturwissenschaftlichen Grundlagen und biologischen Gegebenheiten der Heimtiere halt noch nachlernen). Und bitte endlich schonungslose Aufklärung an allen Fronten der Industrie, des Handels und der interessierten Verbraucher und nicht nur hinter verschlossenen Türen getreu dem Motto: Die Branche und ihre Kontrolleure an einem Tisch. Lügen wir uns nicht in die eigene Tasche. Geld dazu ist reichlich vorhanden, es ist nur ein Verteilungsproblem.

Aber wenn man die genannten Fragen und Problemweise nicht alle gleichzeitig anpackt, dann wird irgendwann irgendwo irgendwer (wie schon leise geschehen) laut die Frage stellen: Tierschutz im Zoofachhandel? Haben wir da nicht teilweise gar Tierquälerei, vom Staat gefördert?



Der Autor:



Dr.sc.agr. Stephan Matthias Dreyer ist Diplom-Agrarbiologe der Fachrichtung Tierproduktion und seit vielen Jahren beruflich eng mit der Zoofachbranche verbunden. Zur Zeit ist er in Teilzeit als wissenschaftlicher Berater für die egesa-zookauf e.G. und freiberuflich als Betreiber von 3er-Fachmarketing in Neustadt tätig. Ferner ist er Lehrbeauftragter für Heimtiere im Fachgebiet Nutztierethologie und Kleintierzucht der Universität Stuttgart-Hohenheim.
 
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