Eine Rabengeschichte

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Phisamofu

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Der kleine Mog

Mitte Mai vor einigen Jahren bat mich der ortsansässige Jagdpächter um einen Gefallen. Mit Vergnügen sagte ich zu, als er mir erzählte, auf seinem Gartengrundstück am Ortsrand seien zwei Rabenkrähenküken aus dem Nest in seinen Tannen aufs Dach seines Schuppens gefallen. Beim Heckenschneiden und Rasenmähen hätten die beiden durchweg gebrüllt. Am nächsten Tag wurden sie immer noch nicht gefüttert und so habe er die beiden mit einer Leiter geholt. Von den Eltern keine Spur …
Nun habe er aber einen Urlaub geplant und ich hätte doch einige Erfahrung mit Viechlein …

Die beiden Rabenkinder waren unterschiedlich groß und kräftig und das schwächere war wohl auch krank, wollte nichts zu sich nehmen und starb leider gleich in der ersten Nacht.
Der Mog - so hat er immer gerufen: Moooog, mooog… - aber schluckte gierig alle Insekten, die man ihm in den Rachen steckte und schlief selig in seinem mit weichen Kosmetiktüchlein ausgelegten Brotkörbchen.
Nach wenigen Tagen stand der kleine Vogel dann auf wackligen Beinen, weil die hinteren Zehen nach vorn geklappt waren. Ein paar Tage später klappte eine der Zehen nach hinten. Die Zehe am anderen Fuß wollte nicht.
Als der Mog nach wiederum einigen Tagen immer noch über den behinderten Fuß stolperte, schnitt ich ein schmales Sensitiv-Pflaster zu und klebte die Zehe nach hinten. Nach knapp einer Woche und dem Pflasterentfernen genoss der Mog das Herumhüpfen mit ordentlichen Füßen.

Allerdings kratzte er sich arg viel und oft und als ich genauer nachsah, entdeckte ich ganze Scharen von Federlingen unterm Gefieder. Also – Gesichtchen zuhalten und mit ein wenig Frontline einsprühen – das half.

Als sein „Wirkungskreis“ in Bezug auf Flattern und Verdauung größer wurde und unsere Hunde, die mit einem ausgeprägten Jagdtrieb ausgestattet sind, sich an den Rudelzuwachs gewöhnt hatten, bauten wir eine Voliere.
Der „Rabenstall“ war tagsüber immer offen - mit einer Ausnahme: Als der Mog schon ein bisschen fliegen konnte, wollte er unbedingt beim Hundespaziergang mit.
Schon am ersten Feld fielen vier Krähen, vermutlich die hiesige Revierinhaberfamilie, über ihn her und sie hackten auf ihn ein, bis er reglos im Gras lag. Ich trug ihn heim und sperrte ihn in seinen Stall - aus Angst, er könnte wieder mitgehen.
Als wir zurückkamen, stellte ich entsetzt fest, weil er das Eingesperrtsein nicht gewöhnt war, hatte er sich mehrere Schwanzfedern abgebrochen, als er das Gitter auf- und abgelaufen war. Deshalb blieb die Tür dann wieder immer offen….
Später hat er sich dann, wenn’s gefährlich wurde, weil zum Beispiel der Rotmilan über dem Haus kreiste oder die Inhaber des hiesigen Krähenreviers von Nachbars Kirschbaum herüber krächzten, unter Charlys Bauch versteckt. Charly ist groß, schwarz und sieht gefährlich aus …

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In einem so kleinen Dorf wie hier spricht sich das schnell rum, wenn man eine Krähe aufzieht und eigentlich gab es nur positive Reaktionen. Vor allem Belustigung über mich als Hexe, weil ich fast immer schwarz angezogen bin, meines Musikgeschmacks wegen ….

Der einzige Unmensch, den hier wohl auch sonst kaum jemand leiden kann, muss aber gerade neben uns wohnen!
Er ist ein notorischer Nörgler und mag wohl keine Tiere. Früher hab ich immer behauptet, ich könne mit jedem auskommen – dieses Individuum hat mich eines Besseren belehrt!

Nun hat dieser Nachbar von mir verlangt, ich solle den Mog einsperren, weil ich verpflichtet sei, meine Haustiere auf meinem eigenen Grundstück zu halten. Also erwiderte ich, der Mog ist kein Haustier, sondern ein Wildvogel und gehört mir nicht, ich hab ihn bloß aufgezogen. Dann fragte ich, was ihn denn an dem Vogel störe. Der Rabe habe auf sein Hausdach gesch……, war die Antwort. Naja, das kann schon mal passieren ...
Zwangsweise ließ er sich darauf was ganz anderes einfallen.
Nun zeigte er mich beim Naturschutz an, indem er mich beschuldigte, einen Wildvogel gefangen zu halten.
Sofort und unangemeldet wurden wir von der Naturschutzpolizei überprüft. Alles wurde fotografiert und ans Landratsamt weitergeleitet.
Der Mog durfte bleiben, zum Schlafen, Baden und Futtern - und manchmal redete, bellte oder miaute er auf den Dächern. Das ist alles, was er angestellt hat - und alle anderen schien es - damals! - nicht zu stören.

Eines Morgens wurde ich vom Polizisten gewarnt, der Nachbar habe sich wieder beklagt, der Rabe habe seine Solaranlage kaputt gehackt, das war die frechste Lüge aller Zeiten! Der Umweltpolizist hat ihm dann halt erklärt, das wäre ein privat-rechtliches Problem und ginge seine Behörde nix an…. Eine Anzeige gab es nie, weil es gar keinen Schaden gab, und ein Anwalt kostet ja auch...

Daraufhin hat ein anderer Nachbar, der den Mog mochte und der auch unter dem Unmensch zu leiden hat, einem Reporter die Geschichte erzählt, das Ganze kam in der Zeitung, garniert mit einem Klischee-Bild - der Mog auf meiner Schulter - und mit Bemerkungen über frühere Anzeigen des Nörglers – zum Beispiel, weil wir ein Skelett besitzen, welches an unserer Terrassentür steht und das die Polizei entfernen sollte.
In der Hoffnung, wenn der Mog durch den Zeitungsartikel prominent genug wird, könnte ihm weniger passieren, spielten wir gerne mit.

Schon bald nach den ersten Problemen mit dem Nachbarn war mir klargeworden, auch mir war passiert, was mit den meisten Rabenvogel-Ersatzeltern geschieht: Der kleine schwarze Vogel hatte mich total verzaubert und ich machte mir furchtbar viele Sorgen um seine Sicherheit. War er mehrere Stunden verschwunden, dann wurde ich unruhig und fing an, nach ihm zurufen und suchte ihn verzweifelt.
Fand ich den Mog dann endlich im Nussbaum hinterm Haus vor sich hindösend oder eifrig im Kompost stochernd, dann fiel mir gleich ein ganzer Felsbrocken vom Herzen.

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Inzwischen bin ich nun viele hundert Mal die verschiedenen Runden mit den Hunden gelaufen, auf denen uns damals drei Monate lang der kleine Mog begleitet hat.
Die erste Woche ohne den Raben kam ich jedes Mal völlig verheult heim und noch lange danach konnte ich mir oft ein paar Tränen nicht verkneifen. Zum Beispiel, immer wenn wir - die Hunde und ich -, an einem toten Mostbirnenbaum vorbeikamen, auf dem der Mog besonders gerne saß, wenn er voraus geflogen war und auf uns wartete. Einige Tage im September stand der Sichelmond in der Morgendämmerung genau hinter diesem Baum, und dann der - na ja, ein bisschen mickrige, mauserig zerfledderte, zwerggeierähnliche - Mog auf dem kahlen Ast und - herrje! - ich hatte nie den Fotoapparat dabei….

Wenn wir die letzten Häuser passiert hatten, kam der Mog meistens von seinen Beobachtungsposten auf den Dächern heruntergeflogen und lief! dann zwischen den beiden Hunden den Berg hoch zum Wald. Dorfbewohner, die uns begegneten, lachten und meinten, unserem „Dritthund“ sollten wir doch ein Stachelhalsband umlegen und eine pinkfarbene Leine würde ihm auch stehen….
Einmal bremste ein Rennradfahrer seine rasante Fahrt über den Feldweg ab, hielt an, starrte die drei Tiere an und wiederholte immer wieder fassungslos den Kopf schüttelnd: „Des glaub i jetzt aber net! Des glaub i jetzt aber net! …“

Manchmal jedoch blieb der Mog auf dem letzten Hausdach sitzen und hielt seine Reden ans Volk, dass man ihn kilometerweit unsere Enkelin, Hunde, Katzen, Hühner und Enten imitieren hören konnte: „Oma, aua, Oma aua, miau, wuffwuff, gagack….“
Die Dorfbewohner fragten mich oft lachend: „Gerlinde, hast heut morgen Deinen Raben wiedermal auf meinem Dach abgestellt?“
Ein älterer Dorfbewohner erzählte mir, einmal habe er draußen vor dem Haus ein Kind arg jammern hören, und als er rausging, um nachzuschauen, sah er keine Menschenseele – bloß ein Rabe sei auf dem Brückengeländer gesessen …

Dort saß er oft und gern, der kleine Mog, auf dem Brückengeländer am Ortsausgang zu den Feldern hin - unser Dorf ist eine „Sackgasse“, hier gibt es keinen Durchgangsverkehr - und wartete bis jemand vorbeikam.
War es eine Katze, dann knatterte er los wie ein Maschinengewehr - die hatten alle gehörig Respekt vor ihm.
Da gibt’s auch eine kleine Fotoreihe, wie "Mog-san" liederlich gackernd Frau Wetzels roten Kater Serafin auf den Rücken legt…. Frau Wetzel erzählte später, von Tag an habe Serafin sich geweigert, bei ihren Spaziergängen dieses Stück Weg wieder mit ihr zu gehen. Er habe immer lieber einen größeren Umweg in Kauf genommen, um nicht womöglich nochmal diesem schrecklichen schwarzen Vogel begegnen zu müssen …

Große Hunde liebte der Mog natürlich, legte ihnen „Sturmwellen“, indem er ihnen knapp über den Kopf sauste und spielte gern Fangen mit ihnen. So mancher Hundehalter sparte sich einen langen Marsch mit seinem Hund, wenn der Mog eine Viertelstunde den Hund „an der Nase herumführte“…
Als eines Tages mein Schwiegersohn vor unserem Haus nicht nur seinen eigenen großen Hund aus dem Auto springen ließ, sondern auch noch seines Nachbarn kleiner Westi raushüpfte, knatterte der Mog plötzlich los – ein Maschinengewehrdauerfeuer … Er hatte den kleinen weißen Einstein für eine Katze gehalten.

Menschen gegenüber war der Mog sehr reserviert. Anfassen ließ er sich von niemandem außer von mir und – je nach Laune – den Mitgliedern meiner Familie. Er hat auch nie jemand belästigt, ich hatte immer wieder überall nachgefragt…
Bloß den bösen Nachbarn, die ihn hassten, ist er immer wieder kreischend und gehässig kichernd dicht über die Köpfe geflogen. Entweder lag es am noch lauteren Kreischen der Nachbarin oder weil er es übel nahm, dass von dort auf ihn geschossen wurde….

Als der Mog einmal zur Rabenschlafenszeit - in der Abenddämmerung - länger nicht auftauchte, ging ich suchend ums Haus und da saß er und bewachte einen fast noch nackigen Spatz - nur ein paar Federkiele standen diesem zu Berge...
Erstaunt, dass der Mog ihn nicht gevespert hatte, trug ich den Spatz rein und 15 Tage später flog er aufgeregt tschilpend mitten in einen Spatzenpulk auf ein Hausdach gegenüber...

Im September änderte sich viel im Leben des Mog. Er blieb jetzt - nach der Lockerung der Reviergrenzen, die von den Krähenpaaren dann im kommenden Frühling neu ausgekämpft und abgesteckt werden - oft auf den Feldern zurück und ich konnte beobachten, wie er versuchte, Anschluss an die inzwischen gemeinsam pickenden Krähengruppen zu bekommen. Anfangs war er frech und wurde von den Artgenossen zurechtgewiesen, aber nie richtig böse.

Ganz besonders freute ich mich, als der Mog an einem wunderschönen Spätsommertag einen Spielkameraden fand…
Er hatte sich vorlaut gackernd – knapp an einer ähnlich mickrigen Krähe vorbeirauschend – auf die Holzstütze eines Strommasten gesetzt. Die fremde Krähe näherte sich unauffällig – eifrig pickend – schoss plötzlich hoch, warf den Mog von seinem erhöhten Sitzplatz und nahm den Platz selbst ein. Der Mog hüpfte ein bisschen hin und her und zahlte dann mit gleicher Münze heim – gackernd warf er die fremde Krähe runter. Die Hunde waren mit ihrem Lieblinssport, der Mäusejagd beschäftigt, so hatte ich mich auf die Wiese gesetzt und konnte in aller Ruhe das Rabenspiel verfolgen. Die beiden blödelten wie sich balgende Kinder oder junge Hunde, flogen sich gegenseitig verfolgend kleine Runden und kehrten immer wieder zum Strommasten zurück.
Diese kleine Krähe wartete nun fast jeden Morgen auf uns – auch später, als wir ohne den Mog unterwegs waren, saß sie noch wochenlang einzeln am Wegrand und ließ die Hunde recht nah herankommen. Sie kannte meine Pfeifmelodie (Moog, Moog, wo bist Du?) und mein Rufen….

Mein größtes Vergnügen hatte ich, wenn der Mog bei starkem Wind fliegen übte. Vom Berg aus sah ich, wie er übers ganze Dorf weg Sturzflüge übte, sich vom Wind hoch tragen ließ, kurz die Hunde „rasierte“ - und weg war er wieder … Ein wunderschöner Anblick, wie er sein Leben und die Freiheit genoss… Wer so etwas einmal miterlebt hat, kann kein gesundes Wildtier einsperren – bestimmt nicht mit gutem Gewissen….

Im Garten und auf dem Feld konnte ich sehen, dass sich der Mog viel Futter selbst besorgte: Nachtfalter, Heuschrecken, tote Mäuse, Raupen, Maden, Käfer, Spinnen, Beeren, Obst, Gemüse, Nüsse… Vieles weichte er erst im Gartenteich, der Vogeltränke oder Pfützen ein, bevor er es genüsslich vesperte.
Worüber ich bei einem Spaziergang an einem Spätsommertag staunte - der Mog hüpfte den Rand eines betonierten Wegs entlang und immer wieder fuhr sein Schnabel ganz plötzlich neben dem Weg tief in die Erde – und jedesmal hatte er eine Käferpuppe ergattert. Kein einziges Mal blieb sein Schnabel leer. Woher wusste er …? Die Puppen waren schon ganz trocken und unbeweglich …

So sehr ich mich darüber freute, wie gut der junge Rabe sich inzwischen selbst versorgte, recht frustrierend war der Anblick meines Gemüsegartens in diesem Sommer. Bald sparte ich mir den Gang mit Seiher oder Schüssel dorthin, um zu ernten – alles war durchlöchert und zerfetzt: Gurken, Tomaten, Paprika, Bohnen …
Den Mog selbst fand ich meist gemütlich dösend auf einem Zaunpfosten und wenn ich laut fluchte, blinzelte er mich bloß erstaunt und ganz unschuldig an …
Nicht nur mein Garten litt unter Mogs Spiel- und Lerneifer, auch die Terrasse wurde zum Rabenspielplatz umgewandelt, was Nicht-Rabenmütter wohl einen „argen Schweinestall“ nennen würden. Außerdem musste jeder Besucher gewarnt werden, Sitzflächen und Lehnen von Gartenstühlen erst auf Rabenhäufchen zu kontrollieren …
Wäsche trocknen an der frischen Luft - das konnte man sich diesen Sommer ganz abschminken. Der Mog dekorierte treffsicher jedes frischgewaschene Teil großzügig schwarzweiß …
Und das Lüften des Hauses fiel in diesem Sommer immer ganz knapp aus, denn man konnte dafür nur die Zeit nutzen, wenn der Rabe auf dem Feld zurückblieb. Vergaß ich mal, das Badfenster zu schließen, musste ich dies bitter büßen. Der Mog merkte alles und - ruckzuck – hatte er das Badezimmer erobert. Es gab nichts, was ihn nicht interessierte und er konnte alles brauchen! Dabei ging so einiges in Brüche wie z.B. das Zahnputzglas, verschwand auf Nimmerwiedersehen wie viele, viele Haargummis oder war halt nicht mehr zum ursprünglichen Zweck zu gebrauchen. Je neuer zum Beispiel eine Klopapierrolle war, umso größer war der Spaß, sie vollständig abzuwickeln und sie zu zerfetzen. Mit halben Sachen begnügte sich der Mog nicht …

Dass Rabenvögel nicht ganz ungefährlich sind, musste ich schon damals beim Mog andeutungsweise erfahren, denn als die kleine Krähe sah, wie ich meiner kleinen Enkelin etwas zum Essen gab, wurde diese von ihm umgehend als Konkurrentin eingestuft und fortan stürzte der Vogel sich auf sie und pickte sie in die Füße, sobald er sie erblickte.

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Auch als der Mog nicht mehr immer von den Hundespaziergängen mit heimkam, wollte er einen geregelten Tagesablauf. Spätestens um die Mittagszeit erschien er um zu fressen, baden, sich putzen und schlafen. Dann ging er wieder mit auf Tour …
Lustig hüpfte er vor uns her, zerrupfte mit Begeisterung vertrocknete Regenwurmleichen und gammlige Mäusekadaver, schlang genüsslich bestens abgehangene Stücke runter und stocherte eifrig in jedem Hundehaufen nach Schmeißfliegenmaden - um gleich anschließend auf meine Schulter zu flattern und mir mit demselben Schnabel frech ins Ohr zu zwicken und sich mit dem anderen Rabenende stilvoll auf meinem T-Shirt zu verewigen. Denn wie bei allen Kindern gilt auch bei Rabenkindern: Stopft man vorne was rein, kommt umgehend hinten was raus …
Dann konnte es passieren, dass er plötzlich aufhorchte, aufmerksam in eine Richtung spähte, weil ihn dort in der Ferne etwas interessierte – und weg war er …

Eine Stunde vor der Abenddämmerung saß er dann aber wieder auf der Lehne eines Terrassenstuhls und wartete auf Familiengesellschaft. Wenn ´s dunkel wurde, hüpfte er in seine Voliere und wenn ich dann vergaß, die Tür zu verriegeln, kam er geflattert und erinnerte mich dran, indem er mich am Ohrring zupfte.

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Wie gerissen der kleine Schlawiner war, bemerkte ich, als die Hunde die ersten Walnüsse des Jahres unter einem Baum fanden. Als Charly (Charlotte) sich niederließ, um ihre Nuss zu knacken, lief der Mog immer im Kreis um sie herum um - wie immer – zu versuchen, etwas zu mopsen. Charly brummelte und gab nix her. Schließlich konnte der Mog doch noch ein Stück Schale ergattern und Charly fuhr mit der großen Schnauze herum - wie immer, wenn der Mog zu frech wurde und klaute –, berührte ihn jedoch nicht. Da drehte sich der Mog geschwind auf den Rücken, streckte die Füße nach oben und stimmte ein furchtbares Geschrei an, schlimmer als ein Eichelhäher – grad so, als hätte Charly einen Mordversuch an ihm unternommen.

Hatte der Mog doch genau verstanden, wie ich den Hunden eingeschärft hatte, ihn, den Mog, sorgsam zu behandeln und so versuchte er jetzt, den Eindruck zu erwecken, Charly habe ihm Schlimmes angetan.
Weil er nicht mehr auf die Füße kam, musste ich ihm helfen. Das schien ihm nun aber so peinlich zu sein, dass er gleich anschließend seinen ganzen Frust an der armen Ronja ausließ und ihr eine ganze Serie „Sturmwellen“ verpasste.

Im Lauf der Zeit hatte sich bei uns hier eine praktische Ordnung ergeben: Der Mog bekam sein Futter und - wie es sich für einen Raben gehört - versteckte er immer erst das eine oder andere Hühnerherz draußen auf unserem Autostellplatz oder einige der Hundegutsele zwischen den Steinen im Garten, bevor er futterte.
Im Garten waren jede Nacht unser Igel und die Hunde unterwegs, um Rabenverstecke zu plündern.
Außerhalb des Zauns übernahm diese Säuberungsmaßnahme eine ganz scheue Nachbarskatze, die den eigenen Garten eigentlich nie verließ, außer um bei uns Hähnchenherzen zu suchen.
Das wurde ihr zum Verhängnis, denn auch sie erwischte von den vergifteten Brocken, die für den Mog bestimmt waren….

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Ja. Meine Tochter und ich sahen die Nachbarn mit Schaufel und Besen herumstehen und drauf warten, dass wir von unserer Terrasse verschwinden, um die Tiere zu entfernen zu können. Da wussten wir aber noch nichts und wunderten uns einfach über das Herüberstarren des seltsamen Paares (Vater und Tochter, von ihm genannt "Knusperknäuschen"). Als abends die Katzenbesitzerin zu uns kam und fragte, ob unser Rabe auch fehle, da dämmerte es uns langsam, warum der Mog nicht nach Hause gekommen war.
Am nächsten Morgen, einem Sonntag, bewies ein Test, dass wir mit unserem Verdacht richig lagen.
Seit Monaten war ich immer vor der Dämmerung aufgestanden, um den Mog sofort aus seiner Schlafvoliere herauszulassen, damit er nicht rufen, also keinen Lärm machen, soll. Täglich, wenn ich den Riegel der Voliere hörbar aufschob, wurde in Sekundenschnelle der Rolladen gegenüber hochgeratscht - mit Schmackes! Um klarzustellen, dass man (als ehemaliger Stasi-Ostberliner) alles beobachtet
Am Sonntag in der Früh tat sich gar nichts, als ich den Riegel aufschob.. Man schlief, wie vorher all die Jahre, plötzlich bis 8.00 h. Man wusste ja, der verhasste Rabe ist nicht mehr ...
Der Mann der Katzenbesitzerin wollte in den Mülleimer des Knusperknäuschenhalters gucken. Da ist der Knusperknäuschenhalter ausgerastet und hat mit einer Verleumdungsklage gedroht, anstatt den Katzenbesitzer in die Tonne schauen zu lassen ...
Ich konnte eh gar keine Ansprüche stellen, weil der Mog ja "nur" ein Wildtier war ...
Das war auch nicht die einzige Schandtat der beiden Tierhasser. Si

Und in den letzten Jahren stellte sich auch noch heraus, dass es noch mehr Rabenvogelhasser gibt.
Auf Elstern und auch die Krähen wird geschossen - aus einer anderen Richtung ...
Vom Naturschutz wurde mir geraten, die Polizei zu holen. Als beim Anruf auf dem Revier der Name des (berechtigten) Waffenbesitzers fiel, sollte ich zuerst Einschusslöcher nachweisen, dann würden Ermittlungen eingeleitet. Naja, der beschossenen Vogel sitzt auf dem Dach oder einem Baum - wo Einschusslöcher hernehmen? Ich bedankte mich und kündigte an, mich dann wiederzumelden, wenn ich in meiner Enkelin Einschusslöcher vorweisen könne.
Auch wurde in jenem Garten ein fertiggestelltes Krähennest heruntergeschmissen. Das habe ich - erst nach mündlicher Androhung - fotografiert und beim Naturschutz dann angezeigt. Einem ehemaligen hohen Beamten passiert da aber natürlich nicht viel ... Die Androhung einer Geldstrafe geht solch reichen Leuten am Hintern vorbei - und sie vergrämen die Revierkrähen weiterhin jedes Jahr.
Wenn man dann auch noch weiß, dass Menschen mit soviel Naturverständnis auf unsere Jugend losgelassen werden und diese unterrichten dürfen - da kann einem schon der Hut hochgehen.
Man brüstet sich dort jedoch bei Naturschutzorganisationen damit, einen Eulenkasten aufgehängt zu haben ....
Ja, ich hab das große Los gezogen - als Wildvogelauffangstation mit solchen Nachbarn ...
Drei- bis viermal im Jahr hab ich Ordnungsamt und Polizei hier, weil man mir mit allen Mitteln das Handwerk legen will. Immer wieder muss ich alles rechtfertigen, Nachweise erbringen, Genehmigungen einschicken ...

Ja, diese Geschichte ist unendlich und gar nicht amüsant ...
 
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Die Igel und Hunde müsste es ja auch erwischt haben......
Nö, weder Igel noch Hunde gehen raus in den Carport. Dort waren die Fleischstücke ausgelegt. Der ist außerhalb des Zauns. Na gut, vom igel kann ich es natürlich nicht mit Sicherheit sagen.

Die Originalfassung hab ich damals ganz spontan geschrieben und sie ist deshalb als "Kurzfassung" geraten.
 
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