Findlinge aufziehen !!!

Diskutiere Findlinge aufziehen !!! im Forum Pflege und Aufzucht im Bereich Wildvögel - Hallo, Jetzt kommt ja bald wieder die Zeit wo man überall Junge Vögel sieht und mir sicherlich wieder "vermeindlich" verlassene Jungvögel...
Toby

Toby

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Hallo,

Jetzt kommt ja bald wieder die Zeit wo man überall Junge Vögel sieht und mir sicherlich wieder "vermeindlich" verlassene Jungvögel gebracht werden (wie es mir die letzten Jahre gezeigt haben). Meistens habe ich den Leuten gesagt den Vogel dort wieder hinzubringen wo er gefunden wurde, da sie meist immer noch von den alten gefüttert werden und manche Vögel (wie z.B. Amsel, Singdrossel und verschiedene Finkenvögel) ja recht früh ausfliegen, ehe sie richtig fliegen können.


Doch wenn mal wirklich ein junger Vogel verlassen wurde, bzw. noch nackt aus dem Nest rausgefallen ist habe ich ihn größtenteils erfolgreich großgezogen. Doch meistens hatte ich das Problem das Jungen, wenn sie selbstständig waren nicht weg wollten. Viele kamen noch regelmäßig zum fressen bis sie dann ganz wegblieben. Momentan habe ich einen von mir aufgezogenen Eichelhäher (seit 4 Jahren) und eine Singdrossel (seit 2 Jahren) die es nicht geschaft haben alleine klarzukommen. Der Eichelhäher kommt jeden abend in meine Volierenanlage zum schlafen, währnd die Singdrossel auf einem Holzbalken unter dem Dachvorsprung unseres Gartenhauses schläft. Ihr fressen finden sie teilweise in der Umgebung, aber größtenteils muss ich sie noch versorgen. Sie sind auch sehr zahm, wenn ich mit unseren Hunden gehe "fliegen" sie mit oder auch sonst sind sie fast immer da wo ich bin.

Nun aber zu meiner eigentlichen Frage: Wann und vorallen dingen wie wildert man die Vögel am besten aus ? Bisher hatte ich sie immer in einer alten Voliere sitzen wo ich die Tür später dann immer offen lasse und sie dann irgendwann ganz wegbleiben. Doch wie es das Beispiel der Singdrossel und des Eichelhäher zeigt klappt es nicht immer und ich will nicht irgendwann tausend Wildvögel haben die nicht in der lage sind sich selbst durchzuschlagen. Und wenn mir dann ein ein hilfloser Jungvogel gebracht wird und die eltern ihn wirklich verlassen haben kann ich ihn ja auch nicht sein Schiksal überlassen.
Also: Wann ist der richtige Zeitpunkt des fliegen lassen da, oder was muss man schon bei der Aufzucht beachten, das die jungen nicht auf den Menschen geprägt werden ????

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MfG Tobias
 
Hallo Tobias,

Wenn man ein Tier aufnimmt, dann übernimmt man auch die volle Verantwortung für so ein Wesen.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß eigentlich nicht die Aufzucht das Hauptproblem ist, sondern das spätere Leben in Freiheit. Jungvögel lernen von ihren Eltern lebenswichtige Dinge, wie z.B. Feindbilder, die kann man ihnen als Mensch einfach nicht beibringen. Da sind uns einfach trotz des besten Futters und aller Mühe Grenzen gesetzt. Die jungen Vögel lernen, wenn sie fliegen können, von ihren Eltern, wo sie nach Nahrung suchen müssen.
Ich versuche immer, den Jungvögeln, sobald sie selbst fressen, beizubringen, wo und wie sie ihre Nahrung suchen müssen. Z.B. suchen Amseln ihre Nahrung vorwiegend am Boden, deshalb stelle ich nicht einfach einen Napf Futter hin, sondern verstecke in der Einstreu aus Erde, Blättern, Stöckchen usw. das Futter. Sie lernen dann, daß sie am Boden wühlen müssen, um ihre Nahrung zu finden. Auch Äste mit Beeren hänge ich hinein, nachdem ich ihnen erst ein paar Beeren von Hand angeboten habe, damit sie wissen, daß man das fressen kann.
Meisen bekommen z.B. Triebe mit Blattläusen, sie picken sich diese dann von selbst ab. Mit meinen Elstern habe ich stundenlangen "Unterricht" abgehalten. Sie bekamen ebenfalls Äste mit Beeren, hauptsächlich Sachen, die sie in Freiheit auf alle Fälle finden werden. Außerdem versteckte ich in Astlöchern Mehlwürmer, die sie dann finden mußten. Ich könnte jetzt noch jede Menge Beispiele nennen, es ist einfach wichtig, die natürlichen Bedingungen, unter denen der Vogel später seine Nahrung sucht, nachzuahmen. Und natürlich sollte auch das Futter weitestgehend dem entsprechen, was die Vögel später in Freiheit auch fressen. Hier eignen sich Heimchen, Regenwürmer, Mehlwürmer und andere Insekten und Spinnen.
Körnerfressern kann man frische Sträuße aus Grasrispen und was halt im Garten gerade brauchbares wächst, reichen.
Gut ist es natürlich, mehrere Jungvögel gleichzeitig in die Auswildervoliere zu setzen, dann werden sie sehr schnell dem Menschen gegenüber scheu und bleiben auch später erstmal zusammen.

Daß es Fälle gibt, die nie richtig selbständig werden, muß man leider akzeptieren, denn man kann wie gesagt einfach manche Dinge als Mensch den Jungvögeln nicht beibringen.
Ich glaube nicht, daß es "Tausende" sein werden. Vielleicht kannst Du ja auch mal Bekannte überreden, Jungvögel im Garten auszuwildern, wenn es Dir zu viel wird. ich habe auch im Tierheim zwei Auswildervolieren stehen, vielleicht wäre das auch eine Lösung für Dich, wenn es Dir zu viele Auswilderkandidaten werden.

Viel Spaß beim Aufpäppeln, vielleicht können wir uns in der Hochsaison ein paar Tips geben. Ich hatte letztes Jahr um die 50 Jungvögel zum Aufziehen. Der größte Anteil waren übrigens Singdrosseln.

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viele Grüße,

Anke
 
Hallo Anke,

danke für deine ausführlichen Tipps.

Wir können gerne später mal Erfahrungen austauschen bzw. Tipps einholen.
Naja tausend werden es garantiert nicht aber da ich jeden Tag von 7 - 18 Uhr arbeiten muß und nebenbei auch noch andere Dinge zu erledigen habe und meine Vögel auch was haben wollen ist halt manchmal relativ wenig Zeit sich auch noch um anderePiepmätze zu kümmern, besonders wenn sie alle paar Stunden futter brauchen.

Ich hatte letztes Jahr 13 Junge Vögel, unter anderem auch einen jungen Turmfalken, für den ich ersatz Eltern mit gleichaltrigen Jungen gefunden habe und es sind alle gut durchgekommen und flogen bei uns durch die gegend.
Wie gesagt meistens versuche ich die jungen Vögel anderen Vögeln der gleichen Gattung unterzuschieben wenn sie gleichaltrige junge haben, denn das ist m.E. immer noch am besten.

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MfG Tobias
 
Hallo, Tobias!
Ich bin seit heute hier dabei, aber ich kann dir bestimmt in fast allen Situationen bezgl. Aufzucht von Nestlingen/Wildvögel helfen.
Seit 10 Jahren ziehe ich im Rahmen der NABU Nestlinge von Wild-und Ziervögeln groß.
So einen ähnlichen Fall mit dem Eichelhäher hatte ich auch - allerdings habe ich auswildern können, wenngleich es anfangs etwas schwierig war.
Kurz die Story über "Heini" den Eichelhäher.
Ihn bekam ich von Stuttgart, gefunden von irgendwelchen Leuten.
Ich nannte ihn "Heini"- er war eben ein Heini!
Kaum befiedert , aber sooooo hungrig....
Da hilft nur eines: Hackfleisch (nur Rind!)und Aufzuchtfutter Mehlwürmer, Spaghetti, und Obst und Gemüse, etc.
Er war groß geworden, flog durch unsere Wohnung; jetzt das Wichtige: Futter und Wasser nur noch in seinem gewohnten Käfig anbieten - nicht außerhalb.
Zwei Wochen vor dem Auswildern( oder nur 1 Woche vorher) je nach Charakter des Vogels- ihn in seinem gewohnten Käfig in einen separaten Raum stellen und 3 Tage nur zum Futter/Wasserwechsel sich zeigen.
Dann Käfig/Voliere raus auf Terrasse/in den Garten- auch nachts, wenn es das Wetter zuläßt und sich selbst nur zu Fütterungszeiten blicken lassen. Immer eine bestimmte Melodie pfeifen, wenn es Futter gibt,denn so kann der Vogel, wenn er frei ist, selbst entscheiden, ob er kommt, oder nicht, aber er hört und sieht, daß Futter gegeben wird. Er kennt das Angebot, muß es aber nicht in Anspruch nehmen.
Die Auswilderung von Heini erfolgte an einem sonnigen Tag, aber abends war Regen gemeldet.
er kam zum Regen zurück, aber ich habe ihn nicht in die Wohnung gelassen, sondern habe seinen gewohnten Käfig draußen gelassen mit einer Regenplane abgedeckt. Ab da blieb er draußen.
Dann kamen 1/2 Woche Dauerregen und irgendwann in diesem Dauerregen war er weg und kam nicht mehr zum Schlafen.
Aber: Nach 2 Jahren kam Heini, (ich lüftete gerade mein Wohnzimmer, auf einmal saß ein Eichelhäher im Bücherregal - ein Platz , den nur Heini kennt.
Große Begrüßung , Belohnung mit Hackfleisch, Vollbad genommen , sich füttern lassen, in seinem Käfig schlafen.
Am nächsten Tag ist er raus und kam mit Frau und Kind wieder.: das Kind war unterernährt, irgendwie krank- jetzt hat doch Heini tatsächlich sein Vogelkind zu mir gebracht und ich habe es gewogen, auf Gewicht gefüttert und wieder frei gelassen.
Seine Eltern hatten inzwischen Einzug in unserem Baumgrundstück an unserer Wohnung gehalten.
Als das Junge gesund war flogen sie alle fort und waren nicht mehr gesehen. Ich weiß, es hört sich unglaubwürdig an, aber genauso hat es sich zugetragen - fast wie in einem Märchen.

Ich hoffe, ich konnte mit diesem Beitrag helfen- ansonsten beantworte ich gerne ganz konkrete Fragen in Sachen Wildvogelaufzucht und Auswilderung und stelle meine mehrjährige Erfahrung gerne zur Verfügung1
Ciao Andy
 
Hallo Tobias, hallo Andy,

ich muß gestehen, daß ich mich wirklich sehr freue, auf diesem Weg Leute gefunden zu haben, die auch Erfahrung mit der Aufzucht von Wildvögeln haben.
Es ist so schwer, an entsprechende Informationen heranzukommen. Für mich immer noch unentbehrlich ist das Buch "elternlose Jungvögel" von Frau Polaschek. Leider wird das Buch nicht mehr verlegt, nur über Frau Polaschek selbst kommt man noch an ein Exemplar. Ich habe die Dame schon ab und zu angerufen und sie um Rat gefragt. Tja, und ansonsten mußte ich zwangsläufig eben eigene Erfahrungen sammeln.
Ihr könnt vermutlich bestätigen, daß die Anzahl derJungvögel, die man bekommt, von Jahr zu Jahr zunimmt, bei mir hat sich die Anzahl1999 fast verdoppelt, im Vergleich zum Vorjahr.
Ich gebe Tobias vollkommen recht, es ist wirklich eine Belastung, wenn man berufstätig ist (das bin ich übrigens auch) und natürlich auch noch anderen Interessen nachgehen möchte, dann alle naslang, manchmal über Wochen hinweg, die Jungvögel füttern zu müssen. Ich habe zum Glück einen netten Chef, der (noch) nichts sagt, wenn in meinem Büro das Fensterbrett voll mit Käfigen steht, in denen die piepsenden Findelkinder sitzen. Anders wäre es mir einfach nicht möglich, ich muß die Findlinge notgedrungen überall mit hinnehmen.
Letzten Sommer habe ich es gerade ein einziges Mal geschafft, schwimmen zu gehen, nachdem meine Nachbarin sich bereit erklärt hatte, alle 90 Minuten die Kleinen zu füttern.
Es ist ja auch nicht das stündliche Füttern allein, viel schlimmer finde ich die ständige Sorge, ob sie durchkommen, ob sie gesund sind, usw. Wenn dann doch mal ein Vögelchen stirbt, belastet mich das mehr als ich zugeben würde. Und es bleibt auch die Sorge, ob und wie die ausgewilderten Kandidaten in der Freiheit zurecht kommen.

Deswegen bin ich so froh, zu wissen, daß es doch noch mehr Menschen gibt, die das ebenfalls auf sich nehmen, trotz aller Belastungen und Mühen.

Ich drücke Euch für diese Saison ganz fest die Daumen.

viele Grüße,
Anke
 
Thema: Findlinge aufziehen !!!
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