Moin Jürgen!
>>Papababys und Jungvögel werden ausreichend auf dem Markt angeboten, wer jedoch einen Zimmergenossen für einen 4, 5, 6 oder mehrjährigen Papageien sucht und nicht gerade einen Rupfer oder anderweitig gestörten Geier bei sich aufnehmen möchte - der wählt und läuft sich Blutblasen>>
Ja, die Erfahrung mache ich auch. Zumindest sind viele ältere Papas schon so auf Menschen fixiert, dass die Verpaarung mit einem ebenfalls auf Menschen fixierten Vogel sehr sehr schwer wird, weil beide sich nicht um einen Artgenossen bemühen.
>>Häufig jedoch werden von Haltern Pärchen abgegeben, die meistens auch schon etwas älter sind.<<
Dabei handelt es sich meines Erachtens aber in der Mehrzahl um (frei-)volierengewohnte Zuchtpaare, die eventuell für eine Wohnungshaltung nicht geeignet sind.
Ist aber nur eine Wohnungshaltung möglich und findet man kein Paar, das sich leicht daran gewöhnen läßt, wäre die nächstbessere Alternative, zwei junge Graue zu nehmen, die sich noch leicht miteinander verpaaren.
>>Gibt es unter Euch bereits Erfahrungen, ob es zu Problemen beim Zusammenlegen eines Einzeltieres mit einem solchen Pärchen kommt ?<<
Ich hatte zwei Einzelvögel, die eigentlich ein Paar werden sollten, aber nicht wollten - Alf und Charlie, beides stark auf uns fixierte Handauzuchten (Männchen). Die beiden haben sich nach anfänglichen Versuchen der Kontaktaufnahme weitgehend ignoriert, lediglich, wenn Charlie Alf zu Nahe kam (um aus Alfs Näpfen Futter zu klauen

), kam es zu Streitereien, oder wenn beide zur gleichen Zeit auf der Schulter sitzen wollten.
Als ich dann aus einer Zoohandlung befreit probeweise den Wildfang Henry bekam (inzwischen ist sicher, das sie eine Henriette ist), tat sie sich fast sofort mit Alf zusammen.
Auch dann verlief das Zusammenleben insgesamt sehr friedlich: Streitereien gibt es auch jetzt meist nur dann, wenn Charlie den Stammplatz von Alf und Henry anfliegt, um mal wieder aus deren Näpfen zu fressen.
Alf ist dabei der dominanteste Vogel: er kann Charlie vertreiben, läßt sich auch von gelegentlichen Flugattacken nicht beeindrucken, sondern wehrt sie erfolgreich ab ohne seinen Platz aufzugeben. Henry dagegen kann sich nicht so gut gegen Charlie durchsetzen und muß auch schon mal weichen, wenn Charlie kommt.
Besonders in der Gartenvoliere ist mir folgendes Verhalten aufgefallen: sitzt Charlie einmal weiter oben über Alf, dann traut er sich manchmal auch, Alf anzugreifen. Der allerdings reagiert damit, dass er Charlie entgegenklettert. Von einer tieferen Position aus traut sich Charlie nicht zu einem solchen Versuch. Kommt Alf von einer höheren Position auf Charlie zu, zieht Charlie fast sofort ab.
Alf seinerseits hat aber auch keine Bedenken, von einer tieferen Position Charlie anzugreifen, wenn er meint, das sei notwendig.
Ebenso ist es im Verhältnis Charlie - Henry: von einer tieferen Position traut sich Henry nicht, Charlie anzugreifen, nur von einer höheren Warte aus, wobei Charlie dann aber auch von unten Henry entgegenklettert.
Ich denke, daran läßt sich auch gut ihre jeweilige Rangorndung im Mini-Mini-Schwarm ablesen.
Wenn ich hier von Streitereien und Angriffe rede meine ich damit kurzes Hacken, kleine Schnabelgefechte u.an stark ritualisierte Formen der Auseinanderstzung, die an sich harmlos sind, bei denen es nicht zu Verletzungen kommt, auch wenn sie manchmal von einem lautstarken Geschrei begleitet werden, und die m.E. auch zur normalen Interaktion innerhalb eines Schwarms gehören.
Auch ist es nicht den ganzen Tag so, sondern es kommt vielleicht ein- bis fünfmal am Tag vor und ist stets schnell vorbei.
Eine weitere Änderung der Situation trat ein, als vor anderthalb Wochen Coco dazukam, der probeweise als potentieller Partner für Charlie gedacht ist.
Nach einem relativ friedlichen ersten Tag, an dem sich die Grauen wohl vorsichtig beschnuppert haben, folgte ein zweiter recht aufregender Tag, in dem sie wohl alle ihren Rang festlegten - nicht erstaunlich ist, das Coco da am Ende steht. Es ist aber so, das Alf gegenüber Coco überhaupt keine Agression zeigt (die beiden haben sich zumindest einmal sogar gekrault) und Coco auch dicht neben sich sitzen läßt.
Charlie versuchte am zweiten Tag neben kleinen Schnabelgefechten, die auch daher rührten, das Coco immer wieder die Nähe zu Charlie suchtem, auch einige Flugattacken und verfolgte Coco auch im Fluge. Inzwischen wird Coco weitgehend ignoriert, solange er Distanz wahrt.
Am agressivsten zeigte sich fast Henry, der Coco auch des öfteren verfolgte. Dies mag sein, weil beide am unteren Ende der Rangfolge stehen und deshalb Henry ihre Position stärker verteidigen will/muß; oder aber es ist eine Eifersuchtsreaktion auf das gute Miteinander von Alf und Coco. Schließlich könnte es auch sein, das Coco ebenfalls ein Weibchen ist und daher eine Eifersuchtsreaktion provoziert.
Dennoch ist es inzwischen so, das die Coco, Alf und Henry oft recht dicht und friedlich z.B. auf Cocos Käfig oder auf dem Grauenkletterbaum sitzen, während Charlie auf dem "Kerzenkletterbaum" etwas weiter ab sitzt.
Ich habe den Eindruck, das - zumindest solange Alf und Henry nicht in Brutstimmung kommt - die vier gut zusammenleben können. Allerdings ist Coco eine Naturbrut, die intensiv den Kontakt zu Artgenossen sucht und diesen Vogel als quasi Einzelvogel neben einem weiteren Einzelvogel und einem Paar zu halten wäre ein Jammer, deshalb werde ich mich schweren Herzens, wenn nicht noch ein Wunder geschieht und Charlie seine Liebe zu Coco entdeckt, auch wieder von ihm trennen müssen.
Nach meinen Erfahrungen würde ich also sagen, dass wenigstens außerhalb der Brutzeit die Haltung eines Paares mit einem Einzelvogel möglich ist - wenn auch nicht zusammen in einem kleineren Käfig/
Voliere, so doch in einer größeren Flugvoliere oder beim gemeinsamen Freiflug.
Auch wenn ich es selbst nicht bei meinen Grauen beobachte kann es passieren und davon habe ich auch gehört, das sich ein Paar gegen einen Einzelvögel regelgerecht verbündet.
Ich kenne das allerdings etwas von Wellis und Nymphen, vor allem aber von den Agas. Ist jedoch der Flugraum bzw. die
Voliere groß genug, so das der Einzelvogel ausweichen kann, so spricht aus dieses Verhalten nicht gegen eine Zusammenhaltung Paar - Einzelvogel .
Anders könnte sich meines Erachtens die Situation entwickeln, wenn das Paar in Brutstimmung gerät (wobei ich nochmal betonen möchte, dass dies ein Vorgang ist, auf den der Halter nur begrenzten Einfluß hat und der nichts damit zu tun hat, ob man die Tiere brüten lassen will oder nicht: in Brutstimmung geraten können sie auch dann).
Ich habe erst einmal von zwei Freilandbeobachtungen gelesen, bei denen zwei Graupapageienpaare ihre Nisthöhlen in einem Baum hatten. In aller Regel sondern sich die Brutpaare aber von dem Schwarm ab und suchen ein eigenes Revier. Von daher sollte man m.E. darauf vorbereitet sein im Falle der Brustimmung Paar und Einzelvogel zeitweise getrennt halten zu können, da das Paar in dieser Zeit doch agressiver werden kann.
Schließlich passiert es auch im Freileben, das es Einzelgänger ohne Partner im Schwarm gibt. Diese würden aber wahrscheinlich immer wieder versuchen, einen Partner zu bekommen und von daher kommt es sicher öfters zu Auseinandersetzungen. Hat man jedoch einen auf Menschen fixierten Einzelvogel zu Hause, halte ich die Wahrscheinlichkeit, das es zu Streitereien um einen Vogel kommt, für eher gering, schließlich sieht der Einzelvogel ja nicht den Artgenossen, sondern (leider) den Menschen als Geschlechtspartner an.
Meines Erachtens die Haltung eines potentiell unverpaarbaren Einzelvogels zusammen mit einem artgleichen Paar oder (natürlich noch besser) in einem Schwarm artgleicher Vögel der absoluten Einzelhaltung immer vorzuziehen. Die Haltung eines unverpaarbaren Einzelvogels (falls es wirklich so etwas gibt) zusammen mit artfremden Papageien wäre die naächstbessere Alternative.
Der Einzelvogel hat dadurch doch mehr Abwechslung und "Unterhaltung", ist mehr Reizen ausgesetzt und bei artgleichen Tieren findet doch oft noch eine Kommunikation und Interaktion statt, auch wenn diese sich möglicherweise vor allem auf agressive Verhaltensformen beschränkt.
Selbst ein gewisses Maß an Streß ist für das körperliche und geistige Wohlempfinden eines Vogels förderlich, regt er doch u.a. auch den Stoffwechsel an.
Ups, das ist wieder etwas länger geworden!
P.S. Ich habe eben erst Gudruns Beitrag gelesen und muß ihr zustimmen: es hängt sicherlich viel auch vom individuellen Charakter ab (und Charakter haben Graue ja), ob es klappt oder nicht. Alf bspw. ist zwar der dominanteste, aber auch der friedlichste der drei. Es braucht schon eine ganze Menge, ihn aus der Ruhe zu bringen.
Ganz wichtig ist natürlich auch, wieviel Freiflugraum den Vögeln zur Verfügung steht - der muß ausreichend groß sein. Dabei fällt mir ein, das es gerade bei der Haltung in zwei Käfigen mit gemeinsamen Freiflug öfters mal zu Problemen kommt, u.U. mehr als in einer gemeinsamen großen
Voliere, weil manche Vögel bei jedem gemeinsamen Freiflug erst wieder neu Rangordnung und Reviergrenzen festlegen. Anmerken will ich dann noch, das ich getrennte Futternäpfe habe: für Alf und Henry auf dem Kletterbaum, für Charlie und Coco in ihren jeweiligen Käfigen.
[Geändert von Rüdiger am 07-06-2001 um 10:41]