Ich oute mich auch
Ich glaube nicht, dass ich mich tatsächlich für ein Leben mit Papageien entschieden hätte, hätte ich damals auch nur ansatzweise geahnt, was mir blüht.
Bis Bogi bei uns einzog, konnte ich zur Not gerade noch so zwischen einem Spatz und einer Taube unterscheiden, hatte wirklich Null Ahnung vom Federvolk, und an einen Vogel in der Wohnung habe ich nicht im Traum gedacht, zumal ich eigentlich nie ohne Katzen im Haus gelebt habe. An Bogi war noch lange nicht zu denken, als ich mich in der Tierabteilung von Karstadt in einen Mittelbeo verliebt habe. Ein Jahr später kam ein solches Exemplar zu mir, kurz darauf ein zweiter. Damals dachte ich tatsächlich noch, diese Mehrarbeit, die man sich durch die Haltung von Weichfressern auflädt, wäre schlimm, aber noch etwas später übernahm ich einen Graupapagei, einen Wildfang, der mir schnell zeigte, wie klein der Aufwand bei Beos doch ist. Der Graue bekam einen Partner, ebenfalls ein Wildfang, wobei ich allerdings nach zwei Jahren zu der Erkenntnis gekommen bin, beide Vögel haben ein besseres Schicksal verdient, als auch nur einen Tag länger zur Wohnungshaltung verdonnert zu sein. Ich habe sie deshalb einem Freund gegeben, wo sie unter sehr viel besseren Voraussetzungen leben konnten, denn in der neuen Unterkunft konnten sie über riesige Innen- und Außenvolieren verfügen, sich mit Artgenossen anfreunden, anstatt sich auf Menschen konzentrieren zu müssen, mit denen sie in ihrem früheren Leben offensichtlich schlechte Erfahrungen gemacht haben.
Von nun an wollte ich mit meinen Beos und Kater Lakritze allein bleiben, aber besagter Freund stellte mir Bogi vor. Nur mal zeigen. Da hockte nun dieser fünf Monate alte Hosenscheißer,
Handaufzucht, vom Züchter total verwöhnt, große Klappe und schon 10 Minuten später nicht mehr wegzudenken. Mein Mann hat weiter gedacht und sich anfangs noch zu wehren versucht, doch im Grunde genommen war es auch um ihn geschehen. Ein Jahr später kam die drei Monate alte Pyka hinzu, eine Naturbrut, die ich von einem Züchter aus Hessen abholen konnte. Anfangs klappte es noch recht gut mit Babysittern, so dass wir auch weiterhin in Urlaub fahren konnten, aber nachdem erst Bogi und ein Jahr später auch Pyka geschlechtsreif wurden, wurde es immer schwieriger, Freiwillige zu finden, die sich von Papageien kostenlos piercen lassen wollten. Den letzten gemeinsamen Urlaub habe ich zuletzt vor ca. fünf Jahren erleben dürfen, denn von nun an fand ich keine Möglichkeiten mehr dazu.
Heute, nach 14 Jahren mit Bogi und 13 Jahren mit Pyka, haben wir so ungefähr 12 Mal die Wohnungseinrichtung austauschen müssen. Ich richte mich komplett nach ihren Bedürfnissen, stehe morgens zu unmöglichen Zeiten auf, um die Nachbarn nicht wecken zu lassen, koche täglich, weil die Herrschaften drauf bestehen, exakt um 16.00 Uhr bedient zu werden, kann anschließend nichts mehr unternehmen, denn der Nachmittag gehört bis zum Abend den Grünen, weil sie nach dem Essen nämlich wunderbar und höchst gesellig drauf sind. Somit habe ich Termine so zu legen, dass sie bis zum frühen Nachmittag erledigt sind, zumal die Grünen bis ca. 14.00 Uhr Siesta halten. Wenn ich darüber nachdenke, was von meinem früheren Leben noch übrig geblieben ist, so fällt mir überhaupt nichts ein. Ich liebe meine Vögel, das steht außer Frage, ich achte rund um die Uhr auf sie und gerate bereits in Panik, wenn sie einfach nur brav und pflegeleicht sind. Sieht ihre Kacke mal anders aus, sofort tickt die Zeitbombe, bis mir einfällt, dass sie ja kürzlich erst dies und das gegessen haben. Sie hängen mit einer einzigen Kralle am Fensterrahmen, ackern an einer neuen Kerbe im Holz, aber gleichzeitig auch am Stuck. Sie sehen mit Argusaugen, ob wir ggf. vergessen haben, div. Fernbedienungen auf die richtige Seite gelegt zu haben. Steht ihnen der Sinn nach einem gemeinsamen Brüllkonzert, so wird es skrupellos gestartet, zu welcher Tageszeit auch immer.
Für mich sind Papageien keine wirklichen Haustiere, mit denen man immer nur Spaß haben kann. Im Grunde genommen sind sie überhaupt keine Haustiere, sondern eher so was wie Mitbewohner, die ihre Rechte bis auf's Blut durchsetzen. Man kann sie einfach nicht übersehen, wie z.B. eine böse Katze oder einen ungezogenen Hund. Was sie wollen, das bekommen sie, um welchen Preis auch immer. Man tut es nicht nur um des Friedens willen, sondern auch wegen eines permanent vorhandenen schlechten Gewissens, weil man ihnen das bieten will, was sie durch ihr Leben mit uns vermissen könnten. Man schleppt Zweige und andere Mitbringsel aus der Natur an, fühlt sich jedoch verraten, wenn sie sie ignorieren und statt dessen doch lieber das Holzregal bevorzugen, freut sich über den neuen Gemüsehändler, der die tollen exotischen Früchte anbietet, die jedoch nicht mit dem Bürzel angesehen werden, weil sie ausgerechnet in dieser Woche nur scharf auf Erbsenschoten vom Feld sind.
Es verändert sich tatsächlich alles, wenn man mit Krummschnäbeln lebt. Seit Jahren sprechen wir anders, planen anders, kaufen anders ein, essen anders, laden andere Leute ein und andere vorsichtshalber aus, wohnen anders, bewegen uns anders, und selbst die Hausapotheke sieht jetzt ganz anders innen aus.
Wie gesagt, ich liebe meine Schätzchen über alles. Eher friert die Hölle zu, bevor ich mich von ihnen trennen würde, doch hätte ich vor ihrer Anschaffung gewusst, was auf mich zu kommt, so hätte ich mich gegen sie entschieden.
Viele Grüße, Angela