Vogelgrippe: Infektionsgefahr durch Katzen?
http://sansibar.wordpress.com/2006/02/17/katzen-und-vogelgrippe/
Filed under: Vogelgrippe, H5N1, haustiere, Katzen — sansibar @ 1:29 AM
Ich habe mich heute über die Wahrscheinlichkeit einer H5N1-Übertragung von Vögel auf freilaufende Hauskatzen informiert. Die Quellen im Web sind im Moment recht mager und zum Teil widersprüchlich. Unter dem Strich bin ich nun um einiges schlauer. Meine Erkenntnisse beziehen sich aber leider in erster Linie auf die Bewertung von Quellen zu diesem Thema und weniger auf das Thema an sich.
Variante 1: Alles wird gut. Keine Panik!
Auf
www.gesundheitpro.de hatte ich einen zunächst sehr interessanten Artikel gefunden. Man konnte dort unter der Überschrift “Richtiger Umgang mit Haustieren” folgende Passage lesen:
“Bei Katzen hat man das Virus im Labor zwar
tatsächlich schon nachgewiesen”, erläutert
Götz [Anmerkung: Hans-Joachim Götz,
Präsident der Praktizierenden Tierärzte].
Hierzu wurde den Tieren Fleisch von infiziertem
Geflügel zu fressen gegeben. «Allerdings hatte
es keine krank machende Wirkung.” Auch
wurde weder eine Vermehrung des Virus in den
Körpern noch eine Ausscheidung über Kot oder
Speichel festgestellt. Letzteres wäre die
Voraussetzung dafür, dass das Virus auf
Menschen überspringt, die in engen Kontakt
mit den Tieren kommen.
Quelle:
http://www.gesundheitpro.de/Vogelgrippe-Richtiger-Umgang-mit-Vogelgrippe-A060216BAKAP020305.html [zur Zeit offline]
Was zuerst wie eine Entwarnung klang, entpuppte sich als halbherzig bearbeitete dpa-Meldung. Und diese ist offensichtlich auch noch fehlerhaft. Bereits in 2004 wußte man folgendes:
Katzen können sich mit H5N1 infizieren
Katzen können H5N1 auf andere Katzen übertragen
Katzen können an H5N1 sterben
Quelle: Thijs Kuiken, Virologisches Institut der Erasmus-Universität Rotterdam, veröffentlicht in Science Magazine 10/2004
Großkatzen sind bereits an Vogelgrippe gestorben
Quelle: Pressemitteilung des stellv. Premierminister Chaturon Chaisang, Thailand aus 2004
Nach dem ich diese Quellen an gesundheitpro.de gesendet hatte, wurde der Artikel innerhalb weniger Stunden aus dem Netz genommen. In einer E-Mail der Redaktion wurde mir mitgeteilt, dass man eine Überarbeitung für angebracht hält. gesundheitpro.de hat sich für mich damit wieder qualifiziert.
Variante 2: Katzen sind böse. Sehr böse!
Ganz anders dröhnt es aus Österreich. Dort meldet sich am 17.02.2006 “Die Presse” (
http://diepresse.com/) lautstark zu Wort:
Experten-Warnung. Katzen sind akut gefährdet und
stecken einander mit H5N1 an.
Das Vogelgrippe-Virus hat Artenschranken längst
überwunden. Katzen sind durch das Virus gefährdet
- und sie übertragen das Vogelgrippevirus H5N1
auch auf andere Katzen. “Es geschieht genau das,
was wir bei Menschen befürchten”, berichtet
Christian Walzer, Universitätsprofessor am
Forschungsinstitut für Wildtierkunde und
Ökologie in Wien - die Ansteckung unter
Säugetieren. “Das Virus wird von Katze zu
Katze übertragen.”
Quelle:
http://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=c&ressort=w&id=539813
Der aufmerksame Leser und Katzenliebhaber wird in den ersten Absätzen kräftig durchgeschüttelt. Es entsteht bei mir der Eindruck einer akuten Gefahr, die erst seit Kurzem bekannt ist. Weiter unten rudern die Autoren etwas zurück und verweisen indirekt auch auf die o.g. Studie aus Rotterdam. Natürlich ohne direkte Nennung der Quellen und natürlich mit einem Hinweis, dass die wissenschaftlichen Ergebnisse im Januar 2006 publiziert wurden. Es muss halt immer schön aktuell sein.
Verschwiegen wird allerdings, dass Thijs Kuiken et. al. bereits 2004 festgestellt haben, dass sich H5N1 auch auf Katzen übertragen lässt und das alle Versuche mit sehr hohen Dosen stattgefunden haben. Die ersten Ergebnisse wurden im Oktober 2004 im “Science Magazine” veröffentlicht:
During the 2003 to 2004 outbreak of avian
influenza A (H5N1) virus in Asia, there were
anecdotal reports of fatal infection in domestic
cats, although this species is considered resistant
to influenza. We experimentally inoculated cats
with H5N1 virus intratracheally and by feeding
them virus-infected chickens.
The cats excreted virus, developed severe diffuse
alveolar damage, and transmitted virus to sentinel
cats. These results show that domestic cats are at
risk of disease or death from H5N1 virus, can be
infected by horizontal transmission, and may
play a role in the epidemiology of this virus
Quelle:
www.ncbi.nlm.nih.gov
Dafür gibt es einen Abzug in der B-Note und “Die Presse” landet für mich damit in der selbigen für Schrott.
Variante 3: Sowohl als auch.
Etwas unsicher ist sich im Moment noch die Bundesregierung. Auf der Website liest man unter “Fragen und Antworten” folgendes:
Sind Katzen und Hunde Überträger des gefährlichen
Vogelgrippevirus?
Hinweise, dass H5N1 auf Hunde übertragbar ist, gibt es
derzeit nicht. Gleichwohl kann nicht ausgeschlossen
werden, dass sich Hunde und Katzen infizieren können.
Allerdings ist die Ausscheidung des Erregers dann so
gering, dass diese beiden Tierarten als Überträger
nicht in Frage kommen.
Grundsätzlich gibt es keine Hinderungsgründe anderen
Tieren als Geflügel den Auslauf beziehungsweise
Freilauf zu verwehren.
Quelle: Fragen und Antworten
Auffällig ist hier die Ausklammerung der Katzen. Hund und Katze stehen riskotechnisch anscheinend auf einer Stufe. Die Studie aus Rotterdam wird unter den Tisch gekehrt.
Das Statement auf den Seiten der Bundesregierung stammt anscheinend vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (
www.bmelv.de). Dieses arbeitet wiederum eng mit dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit
www.fli.bund.de. zusammen. Dort kommt man zu folgendem Fazit:
Fleischfresser können sich infizieren, wenn sie große Mengen
des Erregers aufnehmen. Dies könnte bei der Verfütterung von
an Geflügelpest erkrankten oder verendeten Hühnern geschehen.
So gibt es Berichte aus Südostasien, dass Großkatzen (Tiger,
Jaguare) in Zoos über diesen Weg erkrankten und starben.
Katzen können experimentell mit H5N1 Virus infiziert werden
und erkranken, sie spielen aber bei der Verbreitung bisher
keine Rolle. Eine Infektion und Erkrankung von Hunden ist
bis jetzt nicht bekannt.
Quelle: FAQ_AI_060131.pdf
Hier bezieht man sich also auf die o.g. Quelle aus Thailand sowie auf die Ergebnisse der Wissenschaftler in Rotterdam. Auf dem Weg vom Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit zum Bundesministerium für Verbraucherschutz scheinen wichtige Details auf der Strecke geblieben zu sein.
Dem gegenüber steht eine Aussage, welche anscheinend von Dr. Tina Kugler (Veterinärin beim Deutschen Tierhilfswerk e.V) stammt. Sie wird von der mit Werbung zugepflasterten
http://katzenberatung.blogspot.com wie folgt zitiert:
Dr. Tina Kugler, Veterinärin beim Deutschen Tierhilfswerk
e.V. klärt auf: “Haustiere wie Hund und Katze können sich
wohl selber anstecken, aber den Menschen dann vermutlich
nicht mehr infizieren. […]
Hier leben Hunde und Katzen wieder friedlich nebeneinander. Beide sollen sich anstecken können. Vertraut man dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, darf man diesen Ausrutscher überlesen.
Aufällig ist bis jetzt, dass Thailand und Rotterdam anscheinend die einzigen relevaten Quellen zu diesem Thema sind. Sie lassen aus meiner Sicht folgende Aussagen zu:
Katzen können sich mit H5N1 infizieren (im Laborversuch)
Katzen können H5N1 auf andere Katzen übertragen (im Laborversuch)
Katzen können an einer H5N1-Infektion sterben (im Laborversuch und in der “freien Wildbahn”)
Katzen und Großkatzen sind bereits an H5N1-Infektionen gestorben (im Laborversuch und in der “freien Wildbahn”)
Das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit meint allerdings:
Insgesamt besteht für die Übertragung von H5N1 zwischen
Vögeln und Säugetieren eine erhebliche Barriere. Säugetiere
und Menschen müssen sehr große Virusmengen aufnehmen,
um sich zu infizieren. Selbst bei einer Erkrankung scheiden
Säugetiere und Menschen nur sehr wenig Virus aus, so
dass sich die Erkrankungen unter ihnen nicht weiter verbreitet.
Quelle: FAQ_AI_060131.pdf
Variante 4: Ja, aber.
Kombiniert man nun die Quellen und deren Compilations kann man vermutlich folgendes Fazit festhalten:
Katzen können sich mit dem H5N1-Virus infizieren und daran sterben.
Allerdings besteht für den “Katzenhalter” anscheinend keine akute Gefahr. Die von der Katze ausgeschiedene Virusmenge wird als zu gering eingestuft, um einen Menschen zu infizieren.
Dieses widerspricht sich allerdings mit Aussagen, welche die Wissenschaftler aus Rotterdam angeblich getroffen haben sollen. Kuiken et.al. sehen anscheinend eine Gefahr, welche von der Katze ausgeht oder ausgehen kann. Wie diese Gefahr in der Praxis aussieht, konnte ich aber bisher noch nicht in Erfahrung bringen.
Fazit
Ist das jetzt eine Entwarnung? Nein. Ist das eine Warnung? Jein. Das ist im Moment der Stand der Dinge aus meiner Sicht. Mehr nicht. Achselzucken deluxe. Abwarten und Tee trinken.
To be continued…
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