Also ich finde, die direkte Retourkutsche macht schon Sinn. Man beobachte nur mal einen Papageienschwarm und schaue, wie die Vögel sich verhalten, wenn sich einer aufspielt. Von wegen ignorieren. Da wird zurückgehackt, geschrien und auch mal gescheucht.
So lernen die Kleinen in den Flegeljahren -und gerade bei den Grauen sind die sehr ausgeprägt- dass man nicht alles machen darf.
Unser Männchen ist uns, vor allem mir, überaus herzlich verbunden, legt aber enorm großen Wert darauf, im sozialen Gefüge des Familienschwarms eine dominante Position innezuhaben. Er wartet also auf günstige Augenblicke (beide Hände voll) und beisst dann gezielt. Je nach Stärke des Angriffs bekommt er dann mit dem Finger ein par Schnipser auf den Schnabel, wird kurz angebrüllt oder im Extremfall auch mal zwei Runden durch den Raum gerscheucht.
Seine Frau macht das nicht anders als ich. Er meint zwar dann -in beiden Fällen- "Spinnst Du?" oder "Au, das tut doch weh", kapiert das ganze aber durchaus und bietet danach als Unterlegenheits und Zusammenhaltsfestigungsgeste sein Köpfchen zum Kraulen an.
Dann ist wieder Frieden.
Es gibt klar sensiblere Gemüter unter den Grauen, aber ein Ignorieren (und man mache das mal, wenn Blut fliesst), ein scharfes nein oder ein kommentarloses in den Käfig setzen beeindruckt unseren Herrn nicht im geringsten. Wird er nicht beachtet, weiss er schon genug interessante Dinge und im Käfig ists ihm auch nicht langweilig.
Für die Familienmitglieder, denen er sich rangmäßig überlegen fühlt ist er absolut nicht händelbar. Nicht, dass er die nicht mag, sie nicht sucht und ruft, wenn sie mal nicht da sind und nicht freundlich mit ihnen interagiert. Im Gegenteil, er hegt da deutlich positive Gefühle.
Er läßt sich aber von denen absolut "nichts sagen", sich nichts verbieten und sich in den Käfig setzen schon gar nicht.
Ich kann das alles mit ihm problemlos machen, da er akzeptiert, dass ich der Boss bin, auch wenn er es immer mal wieder in Frage stellen muss.
Es stimmt, Papageien sind weder gefiederte Hunde noch Affen, eine komplexe Sozialstruktur in der Kleingruppe (der große Schwarm ist was anderes) haben sie dennoch und dazu gehört ganz offensichtlich auch ein Bewusstsein von Rangfolge und bei vielen Exemplaren auch der Wunsch, sich da weit oben zu positionieren.
In der Adoleszenzphase müssen sie lernen, wen sie dominieren können, und wer sich von ihnen nichts gefallen läßt.
Unabhängig von sonstigen gegenseitig freundschaftlichen Gefühlen ist der Umgang mit einem Papagei, der sich rangmäßig überlegen fühlt auf Dauer eine Tortur.
Darum sollte man den Teenies schon nix durchgehen lassen.
Die Zurechtweisungen sind dabei dem Charakter des Einzelvogels anzupassen. Was unsere Julie schon nachhaltig beeindruckt, ist unserem Charlie grad noch egal.
Man muss für jeden Vogel neu lernen, was ihn nachhaltig beeindruckt und was das Verhalten nur positiv bestärkt. Dabei schadet es aber nichts, sich das eine oder andere von den Vögeln selber abzugucken.
Wer jetzt meint, ich unterdücke meine Papageien und führe ein Furchtregiment, darf gerne mal vorbeikommen und sich unsere Beziehung anschauen.
Klarheit ist wichtig -und auch im Papageienschwarm wird nicht alles über kuscheln geklärt.