Moin moin!
Kuni, was Du erzählst, ist auch ein sehr ernstzunehmendes Argument für die
Handaufzucht. Ich bin schon der Ansicht, das bei (Groß-)Papageien in Wohnzimmerhaltung eine gewisse Zahmheit gegeben sein muß, soll das Zusammenleben von Mensch und Papageien dauerhaft harmonisch sein. Das ist mit den handaufgezogenen Papas natürlich einfacher, vor allem aber sind handaufgezogene Vögel von Beginn an an Menschen gewohnt, so das die Umstellung für sie stressfreier ist. Dies ist sicherlich auch im Sinne der Vögel.
Und natürlich hast Du Recht, das es verschiedene Formen der
Handaufzucht bedenken: die isolierte
Handaufzucht ab Ei oder die Aufzucht zumindest im Geschwisterverband, bei denen die Vögel zudem möglichst lange bei den Elterntieren verbleiben, machen meines Erachtens schon Unterschiede aus.
Ein weiteres Argument für die
Handaufzucht könnte sein, das sie selbst bei Arterhaltungsprogrammen eingesetzt wird, bspw. von Aras: da die Tiere meist nur ein Junges aufziehen und das zweite verhungern lassen, werden die übrigen Eier aus dem Nest entfernt, künstlich ausgebrütet und die Jungen - allerdings, soweit ich weiß, stets im Kontakt mit anderen Jungvögeln - per Hand aufgezogen werden. Jedoch beschränkt sich hier sicherlich der Kontakt zum Menschen auf die notwendigsten Maßnahmen. Diese Vögel werden wieder in die freie Natur entlassen, insofern ist davon auszugehen, das es bei der
Handaufzucht keine irreversiblen Schäden gab.
Ich glaube aber nach wie vor, das es auch bei einer Naturbrut, bei der sich der Züchter um einen intensiven Kontakt mit seinen Vögeln bemüht, möglich ist, Jungtiere zu
haben, die zumindest die Anwesenheit von Menschen gewohnt sind und die recht schnell und stressfrei zahm werden. Ich weiß von einigen Züchtern, das ihnen dies gelingt, aber auch von Züchtern, die ihre Anwesenheit während der Brut und Aufzucht stark einschränken müssen, weil sonst die Gefahr besteht, das die Alten das Gelege im Stich lassen.
Ich selber habe allerdings bei der Zucht von Großpapageien keine eigenen Erfahrungen, nur bei der Zucht von Agas in der Wohnzimmerhaltung und da waren die Jungtiere wenig scheu und wurden schnell zahm.
Und nach wie vor sprechen für mich, auch wenn es dafür noch keine wissenschaftliche Beweise gibt (allerdings fidnet sich unter
http://www.papageien.org unter "von Haltung und Zucht" eine Studie über die Fehlprägung handaufgezogener Papaqgeien von Ralf Sistermann), gegen eine
Handaufzucht
(zumindest isoliert und ab Ei):
- mögliche Fehlprägungen, die eine Verpaarung erschweren oder sogar unmöglich machen;
- in der Folge neurotisches Verhalten des Papageien bis hin zum Federrupfen;
- die wachsende Gefahr, das bei Vögeln, die doch zur Brut schreiten, die Unfähigkeit, ihre eigenen Jungen dann auch aufzuziehen, die dann wiederum auch von Hand aufgezogen werden müssen;
- eventuell die "Weitergabe" von Erbanlagen bei Vögeln, die
bei einer "natürlichen Selektion" bei einer Naturbrut nicht lebensfähig wären (ich schreibe ausdrücklich natürliche Selektion in Anführungszeichen, denn die ist ja bei der Zucht nie möglich) und dadurch bspw. erhöhte Krankheitsanfälligkeit der Tiere.
Ich frage mich immer wieder, wenn ich von den vielen kranken
Gropapageien lese, inwieweit es da nicht auch Zusammenhänge mit der
Handaufzucht gibt - freilich: auch dies (noch?) eine unbewiesene These.
Dann aber wäre natürlich selbst bei einer
Handaufzucht im Notfall zu überlegen, ob sie tatsächlich richtig ist oder ob man so nicht Vögel am Leben erhält, die aus einem bestimmten Grunde von den Eltern nicht aufgezogen werden. Ich weiß, das ist ein heikles Thema und ich kann jeden verstehen, der trotz dieser Erwägung eine
Handaufzucht probiert und würde im Fall des Falles wohl ebenso handeln. Dennoch muß man sich m.E. fragen, ob dies im Sinne der Arterhaltung sein kann.
Kuni, Du hast natürlich auch recht, das
Handaufzucht nicht nur aus Profitgier, sondern auch aus Liebe zu den Vögeln vorgenommen wird. Wenn wir hier von
Handaufzucht sprechen, so haben wir wohl eigentlich vor allem die geradezu massenhafte
Handaufzucht einiger (Groß-)Züchter und Händler im Auge.
Dennoch nimmt auch die
Handaufzucht privater Halter meiner Einschätzung nach immer mehr zu und ich frage mich, weshalb.
Wenn es auch hier nicht um Gewinn geht: mag nicht auch hier die Erwägung eine Rolle spielen, das die Abgabe handaufgezogener Tiere angesichts der keineswegs geringen Zahl der angebotenen Tiere einfacher ist? (Und abgeben muß man sie ja, man kann ja nicht alle behalten.)
Mich würde wirklich interessieren, weshalb der Züchter
Handaufzuchten vorzieht.
Als weitere Ursachen für die Zunahme der
Handaufzucht bei kleineren Züchtern und Privathaltern kann ich mir einmal die genannten Notfälle vorstellen: neben dem Tod der Eltern eben auch deren Unfähigkeit, die Jungen selbst hochzuziehen. Ursache hierfür wiederum könnte (muß aber nifcht, wie Dein Beispiel zeigt) sein, das es sich bereits bei den Eltern um
Handaufzuchten handelt, oder aber, das die Haltungsbedingungen nicht ausreichend und damit artgemäß genug für eine Zucht sind.
Dann ist auch der Kenntnisstand erheblich größer geworden
(ob ausreichend, mag ich nicht beurteilen) und die Möglichkeiten, selbst eine
Handaufzucht vorzunehmen, hat man jetzt auch als "Privathalter". Es gibt inzwischen ja einige Literatur zum Thema.
Schließlich haben wohl auch einfach die Halter von Großpapageien wohl zugenommen und das Bewußtsein für eine möglichst artgemäße Haltung ist vielleicht doch etwas mehr geschärft worden, was vermehrt zu einer paarweisen Haltung geführt hat und im Einzelfall zu einer keineswegs vorab geplanten Zucht.
Und nicht zuletzt: die
Handaufzucht kann ein tolles Erlebnis sein, einen zahmen, selbst aufgezogenen Papageien eine schöne Erfahrung, die manchen dazu bringen mag, seine Jungvögel per Hand aufzuziehen.
Wir sind nach wie vor hinsichtlich der
Handaufzucht auf viele Spekulationen angewiesen, ohne Zweifel. Dennoch bleibt
Handaufzucht für mich etwas, was nicht dem Ziel einer möglichst artgemäßen Haltung entspricht und das nur aus triftigen Gründen (Arterhaltungsprogrammen oder Notfällen) gemacht werden sollte. Das Bestreben sollte meiner Meinung immer sein, eine natürliche Brut und Aufzucht zu ermöglichen, wobei bei Vögeln, deren weiteres Schicksal in Menschenhand liegen wird, auf eine frühzeitige Gewöhnung an den Menschen hinzuwirken ist.
Kuni, zu Deinem Problem mit Balu: ich habe selbst gerade seit vier Wochen einen scheuen Wildfang-Grauen bei mir. Nach einer Woche bekam er das erste Mal Freiflug. Beim Freiflug erhält er aber kein Futter. Sein Käfig ist oben aufklappbar, wenn er Hunger hat, geht er auch wieder in den Käfig zurück.
Natürlich dauerte das beim ersten Mal einige (fast zehn

) Stunden, weshalb der erste Freiflug an einem meiner freien Tage stattfand. Die Zeit hat sich aber kontinuierlich verkürzt, inzwischen ist es auch kein Problem mehr, ihn nur wenige Stunden am Abend freizulassen, wenn es denn nicht anders geht (was aber Gott sei Dank nur selten der Fall ist). Wichtig ist dabei meines Erachtens, das der Käfig/
Voliere eine möglichst große Tür hat oder eben oben aufklappbar ist, damit steigt meiner Beobachtung nach (nicht nur bei Großpapageien) auch die Neigung des Vogels, von selbst in den Käfig zurückzukehren.
Sicherlich gibt es immer wieder individuelle Unterschiede bei den Geiern. Vor Jahren jedoch hatte ich schon einmal einen Timneh-Wildfang, der noch viel scheuer als der jetzige war: auch dieser bekam nach kurzer Zeit Freiflug, ohne das er zahm war, und kehrte zum Fressen in seinen Käfig zurück. Ebenso sind bis auf meine beiden anderen Grauen und ein Mohr keine meiner Geier handzahm, nur einige futterzahm: alle aber gehen von selbst in ihren Käfig oder lassen sich mit bestimmten Tricks zur Rückkkehr bewegen.
Ein absoluter Einzelfall ist es also nicht.
Vielleicht überlegst Du nochmal, ob Du nicht doch bereits
Freiflug für Balu riskieren willst?
Und gib die Hoffnung bei Balu nicht auf: bei meinem Timneh-Wildfanh hat es etwa ein jahr gedauert, ehe er Futterzahm war und ich bin sicher, er wäre auch handzahm geworden, wenn er länger gelebt hätte.:(
(Falls Fragen auftauchen, wieso ich Wildfänge hatte bzw. habe: es waren bis auf eine Ausnahme, meinem ersten Mohren, bei dem ich noch zu unwissend war, keine käuflich erworbenen Vögel).
So, eigentlich wollte ich heute etwas zu meinem "Neuzugang" Henry schreiben, muß das aber erstmal verschieben.