Handaufzuchten

Diskutiere Handaufzuchten im Forum Allgemeines Vogelforum im Bereich Allgemeine Foren - Hallo, ich würde gern mal Geschichten von allen Vogelbesitzern hören zum Thema Handaufzuchten und Naturbruten. Wer hat schlechte Erfahrungen mit...
Hallo Ingo, treffend ausgedrückt. Grüßle Fliegenbein;)
 
Blaustirnamazone. Männlich. Handaufzucht. Mehrere Vergesellschaftungsversuche. Verstand nicht die Körpersprache von Artgenossen. Kein Gefiedersträuben. Kein "Blitzen". Angriffe ohne vorheriges Drohen. Beißen. Gegen Artgenossen. Gegen Mensch. Halterwechsel. Wohnungshaltung. Volierenhaltung. Einzelvogel – paarweise Haltung – Gruppenhaltung. Im Verhalten nicht berechenbar. Leichte Verbesserungen. Allmähliches Übernehmen der arteigenen Körpersprache. Wenig sozial. Weiterhin aggressiv. Weiterhin Problemvogel - trotz 4jähriger intensiver Bemühungen.

Venezuelaamazone. Männlich. Handaufzucht. Menschenbezogen. Mittlerweile in artgleicher Gruppe lebend. Etwa 2 Jahre bis zur Normalisierung des Verhaltens.

Gelbnackenamazone. Handaufzucht. Auf eine Person fixiert. Erfolgreicher Vergesellschaftungsversuch im Alter von 2 Jahren. Seither hyperaggressiv jedem Mensch gegenüber.

Graupapagei. Handaufzucht. 4 Jahre Einzelhaltung. Wohnzimmer. Absolut menschenbezogen. Mehrere Versuche der Zugesellung eines Artpartners. Nicht mehr möglich. Aggression gegen Artpartner. Permanent. Weiterhin Einzelhaltung. Abgabe in andere Umgebung nicht erwünscht.

Mittlerer Gelbhaubenkakadu. Handaufzucht. Einzelhaltung. 6-Personen-Haushalt. Frei im Wohnbereich. Enger Menschenbezug. Superzahm. Dauerschreien bei Kontaktentzug. Probleme mit Nachbarschaft. Abgabe zur Vergesellschaftung. Mehrere gescheiterte Versuche. Seit einiger Zeit Rupfer. Mittlerweile wieder Einzelvogel. Neuer Besitzer.

Gruß
MMchen

PS: Meinen Dank an "alpha" und "fliegenbein".
Hallo,
genau das meine ich, das sind "fundierte Erfahrungen" auf deren Grundlage man weiter diskutieren kann. Interessant wäre z.B. im Hinblick auf andere Posts, ob die Beispielvögel
- Blaustirnamazone. Männlich. Handaufzucht.
- Venezuelaamazone. Männlich. Handaufzucht.
- Gelbnackenamazone. Handaufzucht.
- Graupapagei. Handaufzucht.
- Mittlerer Gelbhaubenkakadu. Handaufzucht.

Handaufzucht ab Brutmaschine oder ab x. Woche waren,
zunächst einzeln gehalten wurden,
in Wohnungs- oder Volierenhaltung
mit oder ohne Artgenossen,
...
Ich denke dann kommt man dem Problem der "Prägung" (bitte nicht neu diskutieren!!!! - deshalb hab' ich's in "" gesetzt) näher. Ich kenne bisher nur eine HZ ab Schlupf (Brutmaschine), die keine Beißattacken machte und sich mit 2 Jahren noch problemlos vergesellschaften ließ mit anschließender Verpaarung; außerdem mehrere Handaufzuchten (Naturbrut, HZ ab 5./6. Woche) die nach dem futterfest werden sofort in Volierenhaltung in den Schwarm umsiedelten und heute problemlose, aber immer noch zutrauliche und verhältnismäßig zahme Vögel sind (mit "verhältnismäßig" meine ich: keine Panikattacken wenn sich ein Mensch nähert; nehmen Leckerlies aus der Hand; fliegen auch mal auf den Kopf oder die Schulter; kommen ans Volierengitter, wenn man sie ruft; beißen und hacken nicht nach dem Menschen;...) weiterhin HZ ab 5. Woche, die nach dem futterfest werden sofort mit einem bereits vorhandenen, alters- und artmäßig passenden Partnervogel verpaart wurden und mit diesem in ein neues Zuhause gezogen sind, dort ihre Zahmheit behielten und sich überwiegend mit dem Vogelpartner beschäftigen durften.

Also bei den o.g. Problemhandaufzuchten: Handelt es sich da evtl. um Vögel, die nach der HZ zunächst extrem (nämlich in Einzelhaltung) an den Menschen gebunden wurden???
LG
Susanne
 
Hallo Susanne,

Und in der gleichen Zeit schoss die Anzahl der Auffang- und Vermittlungsstationen in die Höhe. Susanne (Uhu) schrieb zwar, dass keiner ihrer aufgenommenen Vögel eine Handaufzucht sei, aber könnte dies nicht auch daran liegen, dass sich die Halter eben gerade deshalb, weil ihnen das Bild von den problemlosen HZ vorgegaukelt wurde, von den Vögeln getrennt haben? Gäbe es dieses Bild nicht, hätten sie ihren Vogel evtl. aus einem anderen Blickwinkel betrachtet und wären zufrieden gewesen.

eigentlich...........wollte ich ja hier nichts mehr schreiben,........ aber:
da hat Dagmar vollkommen Recht: "Abgegebene Vögel" sind bei uns diejenigen, die die Erwartungen der Halter nicht erfüllten.......egal in welcher Richtung - nur eben keine HZ (zahm) die werden verkauft!!!

das mag sich aus Deiner Sicht (und auf Grundlage Deiner Erfahrungen) in Bezug auf "Deine" Aufnahmevögel vordergründig vielleicht so darstellen. Aber Vorsicht: daraus ist weder eine Signifikanz noch eine Wahrscheinlichkeit herzuleiten. Im Gegenteil: Halter, die sich von einem Papageienvogel trennen, weil er in irgendeiner Weise problematisch und/oder "lästig" geworden ist oder aus sonstigen Gründen nicht mehr bei ihnen verbleiben konnte, dürften (jedenfalls überwiegend) eher selten mit dem Gedanken spielen, sich überhaupt ersatzweise einen (oder mehrere) Papageie/n aus Handaufzucht anzuschaffen. Mir sind solche Aufzucht-Tausch-Konstellationen jedenfalls nicht bekannt.

Mir sind bisher ebenfalls keine Inserate mit beispielsweise den Textzeilen "Gebe ab XY-Amazone (NB) / Suche XY-Amazone (HZ)" aufgefallen. Und: Ich beobachte den "Inseratmarkt" sehr interessiert. Es müßte sich hierbei schon um einen sehr im "Geheimen" stattfindenden Umtausch-Trend "NB/WF zu HZ" handeln. Tatsache ist sicherlich, daß sowohl HZ-Vögel als auch Wildfänge oder Exemplare aus naturorientierter Brut (unabhängig von der Aufzuchtmethode) so "auffällig" werden können, daß Abgaben in Erwägung gezogen werden (oder es zu Abgaben kommt). Was andere Aufnahmestationen (zum Beispiel die von mir bereits erwähnte "Vogelburg / Weilrod-Taunus) oder TAZE (Tier-und Artenschutzzentrum Eifel) betrifft, so setzt sich deren "Belegschaft" aus Vögeln unterschiedlicher Aufzuchtformen zusammen. Wie schon gesagt: Herr Steiner ("Vogelburg") gab die - von mir natürlich nicht evaluierbare - Auskunft, daß der überwiegende Teil dort aufgenommener Graupapageien HZ-Vögel seien. Aber: Alle diesbezüglichen Überlegungen kranken letztlich an einer fehlenden verläßlichen Datenbasis und sind (trotzdem zulässige) Spekulation.

Interessant wäre z.B. im Hinblick auf andere Posts, ob die Beispielvögel
- Blaustirnamazone. Männlich. Handaufzucht.
- Venezuelaamazone. Männlich. Handaufzucht.
- Gelbnackenamazone. Handaufzucht.
- Graupapagei. Handaufzucht.
- Mittlerer Gelbhaubenkakadu. Handaufzucht.

Handaufzucht ab Brutmaschine oder ab x. Woche waren,
zunächst einzeln gehalten wurden,
in Wohnungs- oder Volierenhaltung
mit oder ohne Artgenossen,
...

Unterschiedlich. Sowohl HZ ab Schlupf als auch HZ zu späteren Zeitpunkten und im Geschwisterverband (Beispiel: Venezuelaamazone / Graupapagei / Gelbnackenamazone). Natürlich spielt immer auch die (erste) frühe Haltungsform eine Rolle. Das wird vernünftiger Weise nicht zu bestreiten sein. Macht auch keiner. Natürlich ist eine HZ ab einem möglichst späten Zeitpunkt und mit Artgeschwistern die weniger "harte" (aber von mir trotzdem aus mehrfach genannten Gründen ebenfalls abgelehnte) Variante. Eine Sozialisierung auf/mit Artgeschwister/n ist zweifelsfrei "natürlicher", als eine Sozialierung mit/auf zunächst (ausschließlich) den artfremden Mensch. Den von der Natur sinnvoller Weise "vorgesehenen" ("angelegten"), und auf einen bestimmten Zweck ausgerichteten Abläufen entspricht dies jedoch nicht. Der Wesentlichkeit früher Elternkontakte bei/für die Verhaltensentwicklung wird in aller Regel ebenfalls nicht (oder nur unzureichend) entsprochen.

genau das meine ich, das sind "fundierte Erfahrungen" auf deren Grundlage man weiter diskutieren kann.

Nett gemeint. Aber das sind keinesfalls "fundierte Erfahrungen". Erfahrungen per se können auch gar nicht "fundiert" sein. Das sind lediglich Beobachtungen ohne Kontext wissenschaftlicher Methodik, die immer aufs Neue hinterfragt und analysiert werden müssen, sollen daraus letztlich (zumindest bedingt taugliche) Erkenntnisse gewonnen werden.

Gruß
MMchen
 
Hallo Ingo,

Also ich würde mich freuen, wenn mehr Leute hier so fundiert diskutieren würden/könnten, wie MM.
Ein Beleg am richtigen Ort kürzt viele unnütze Diskussionen ab, hilft bei der Infosuche und belegt die Fundiertheit der Angaben des Posters.
Warum sollte man da etwas gegen haben?
Auch, wenn ich nicht immer in allen Punkten MMs Meinung bin, kann ich nur sagen: weiter so.

schönen Dank. Es ist eigentlich absolut nachvollziehbar, fast zwangsläufig und kaum vermeidbar, daß es bei einem solch komplexen, und bisher (zu) wenig beforschten Thema differierende Ansichten gibt. Diese auf einer vernünftigen Basis unter Berücksichtigung bisheriger Kenntnisse und (soweit eben möglich ) vorbehaltlos auszutauschen sollte/müßte Zweck einer Diskussion in einem Vogelforum sein. Persönliche Animositäten oder gar Aversionen sind dabei ziemlich hinderlich. Aber: Es geht.

Gruß
MMchen
 
Wesentlich scheint mir der Hinweis darauf, daß nach eigenen Beobachtungen und mir vorliegenden Berichten bei während der Jugendentwicklung einzeln gehaltenen Papageien in deutlich schwächerer Ausprägung als bei mit und auf Artgenossen sozialisierten Papageien sog. "moralanaloge" Verhaltensmechanismen* im Sinne der Definition von Lorenz und Rensch (Lorenz, 1963; Rensch, 1979) vorhanden sind, was sich unter anderem im der jeweiligen Situation nicht angemessenen groben Gebrauch von Schnabel und Krallen äußern kann. Das Einschätzen und Einordnen des Verletzungspotenzials dieser arteigenen "Waffen" konnte nicht im Umgang mit Artgenossen erlernt und erprobt werden. Man könnte von einer im Wortsinn situationsblinden – dem Arterhalt nicht dienlichen - Aggression ohne jede "Folgenabschätzung" reden, die nicht eben selten auch dem Halter "zugute kommt". Ähnlich gelagerte Defizite (oder besser: Übersteigerungen) treten zwar nicht zwangsläufig bei allen Papageien aus gleicher Haltungssituation auf, lassen aber eine dahingehende Tendenz vermuten. Im "Verhältnis" zum Mensch/Halter kommt (wie auch von Reinschmidt beschrieben) die meist fehlende Scheu erschwerend hinzu. Im Prinzip ist es paradox. Das, was viele Halter eigentlich wollen, also die "fehlende Scheu", kann sich durchaus (auch) als Nachteil erweisen.

Matthias Reinschmidt (Zuchtstation des Loro parque - Teneriffa): "Durch ihre Handaufzucht verlieren die Amazonen jedoch jegliche Scheu vor dem Menschen (...). Da die Amazonen keine Angst vor dem Menschen haben, greifen sie den Pfleger oft bei der Fütterung oder Reinigung der Voliere an, so dass es bei diesem zu Verletzungen kommen kann, wenn er sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringt oder geeignete Abwehrmaßnahmen ergreift." (Reinschmidt, 2000)

*der/einer Moral analog = also nicht "moralisch" im menschlichen Sinn, sondern lediglich in der Ausgestaltung der Verhaltensform so, daß eine Ähnlichkeit mit dem, was wir unter "Moral" verstehen, gegeben ist. Der menschliche "Moralkodex" verbietet es (auf Grund von "Einsicht"), Mitmenschen körperlich zu schädigen. Entsprechende Schädigungshemmungen beim Tier haben zwar grundsätzlich meist den gleichen Effekt, aber eine andere Genese.


Quellen:

Lorenz, K. (1963): Das sogenannte Böse - Zur Naturgeschichte der Aggression, Borotha-Schoeler, Wien

Reinschmidt, M. (2000): Kunstbrut und Handaufzucht von Papageien und Sittichen, Arndt Verlag, Bretten

Rensch, B. (1979): Gesetzlichkeit, psychophysischer Zusammenhang, Willensfreiheit und Ethik, Duncker Hublat, Berlin

Gruß
MMchen
 
[QUOTEMir sind bisher ebenfalls keine Inserate mit beispielsweise den Textzeilen "Gebe ab XY-Amazone (NB) / Suche XY-Amazone (HZ)" aufgefallen. Und: Ich beobachte den "Inseratmarkt" sehr interessiert.][/QUOTE]

Doch Mäusemädchen, es gibt sie, schau mal diesen Thread z. B.:
http://www.vogelforen.de/showthread.php?t=134538

Da hatte eine Userin im Zusammenhang mit dem Thread folgende Annonce gefunden:
Anzeige: biete meinen männlichen graupapagei geboren 01.er ist ein bisschen gerupft nicht ganz handzahm(NB)aber sehr ruhig und zutraulich.FP:400 euro oder tausch gegen handaufgezogenes baby.

Da du sehr belesen und interessiert zu sein scheinst, würde ich dir mal das Buch "Billy der Graupapagei" ans Herz legen. Das ist sicherlich ein Buch, wo sich bei dir alle Nackenhaare aufstellen werden und es hat auch garantiert mit deiner echten Fachlektüre nichts gemeinsam.
Der Besitzer des Graupapageien Billy schildert in diesem Buch seine eigenen Erfahrungen mit dem WF, ist von seiner Art der Haltung total überzeugt. Eine Haltung, die einen robusten WF zu einem Schreier und Rupfer machte, aber das sind ja "bloß böse Eigenschaften des Vogels:~ :o ".

Durch solche und ähnliche Haltungen wurden viele Papas zu Rupfern oder Schreiern. Die Art der Aufzucht scheint mir da nur die Nadel im Heuhaufen zu sein. Das eigentliche und größte Problem für Verhaltensstörungen sind ganz einfach Haltungsfehler. Ich finde, das ist der wichtigste Punkt, wo ständig Aufklärungsarbeit nötig ist.

Liebe Grüße
Elke
 
Hallo Elke,

danke für den Hinweis auf diese Annonce. Sicher nicht schön. Aber eben so sicher nicht repräsentativ oder eine neue Tendenz anzeigend.

Der Besitzer des Graupapageien Billy schildert in diesem Buch seine eigenen Erfahrungen mit dem WF, ist von seiner Art der Haltung total überzeugt. Eine Haltung, die einen robusten WF zu einem Schreier und Rupfer machte, aber das sind ja "bloß böse Eigenschaften des Vogels:~ :o ".

Grundsätzlich: Eine nicht den jeweils arteigenen Bedürfnissen halbwegs angemessene Haltung kann, unabhängig davon, ob es sich um Wildentnahmen (Stichwort: "robuste WF"), Exemplare aus Naturbrut oder Handaufzucht handelt, physische und/oder psychische Schädigungen hervorrufen.

Gerade was das "Eigenrupfen" betrifft, scheinen Wildfänge sogar häufiger betroffen zu sein, als Zuchtvögel, wie einer Arbeit von Andrea Juppien zu entnehmen.

Unter 5.1.3: Eigenrupfer - Wildfänge, Nachzuchten oder Handaufzuchten schreibt Juppien:

"Anhand der Verhältniszahlen wird deutlich, daß Wildfänge häufiger betroffen sind als Handaufzuchten, und diese wiederum sind mehr als doppelt so oft Eigenrupfer als die normalen Nachzuchten."

Also: Wildentnahmen (und hiervon insbesondere wohl Graupapageien und einige Kakaduarten) scheinen in dieser Hinsicht wohl gar nicht so "robust" zu sein.

"Böse Eigenschaften des Vogels"? Eine derartig unsinnige Zuschreibung wirst Du in meinen Postings vergeblich suchen. Aggressionsverhalten bei Tieren (wenn Du (oder der Autor des Buches) das mit "böse" meinst (meint)) sind nicht an/mit menschlichen Moralzuschreibungen ("gut" / "böse") zu bemessen. Innerartliche Aggression hat sich in der Vergangenheit als reproduktionsdienlich bewährt. Das bedeutet jedoch keinesfalls, daß sich Aggression in ihrer reinsten Ausprägung, also in finalen Verletzungskämpfen mit eventuell tödlichen Folgen zeigen muß. Vielmehr ist auch bei Papageien in der Mehrzahl eine gelenkte und regulierte Aggression, die sich in umgewandelten und ritualisierten Formen präsentiert, die Regel. So erstaunlich es klingen mag: Je mehr eine aggressive Gegenwehr im Bereich der Erwartung liegt, umso vorteilhafter wird der Verzicht auf Aggression (Maynard Smith, 1974). Aber das ist ein zusätzlicher Themenbereich, der nicht die Kernpunkte dieser Diskussion berührt. "Rupfen" und "Schreien" sind traurige und bemitleidenswerte Entgleisungen des Verhaltens, deren Bedenken mit Kategorien wie "gut" oder "böse“"geradezu aberwitzig wäre.

Durch solche und ähnliche Haltungen wurden viele Papas zu Rupfern oder Schreiern.

Ja – Fehler in der Haltung können in je nach Art graduell unterschiedlicher Ausprägung (und mit unterschiedlichen Folgen) Verhaltensauffälligkeiten/Verhaltensstörungen und/oder körperliche Schädigungen auslösen/begünstigen.

Die Art der Aufzucht scheint mir da nur die Nadel im Heuhaufen zu sein.

Das ist zu pauschal. Bei isoliert handaufgezogenen Papageienvögeln dürfte klar sein, daß diese Art der Aufzucht auf Grund der daraus resultierenden Defizite (vorsichtig formuliert) recht stark auf das spätere Verhalten einwirkt. Auch "weichere" Formen der Handaufzucht bleiben nicht ohne Auswirkungen. Allerdings sind hier eher Kompensationen möglich. Aufzucht und Art der Haltung stehen in einem wechselwirkenden Verhältnis. Das trifft nicht nur auf die Verhaltensontogenese selbst, sondern insbesondere auch auf die aus den Haltererwartungen (an einen HZ-Vogel) vielfach resultierenden (Fehl-)Haltungsformen zu.

Um nochmals auf das Eigenrupfen (und mögliche Zusammenhänge mit der Aufzucht) einzugehen: Auch hierbei scheint die Art der Aufzucht (lt. Juppien) eine gewisse Wertigkeit zu haben. So steht als ein Ergebnis ihrer Arbeit (Gesamtzitat siehe oben), daß bei ihrem Beobachtungskollektiv Handaufzuchten doppelt so oft als Eigenrupfer auffällig wurden, als Nachzuchtvögel (Anmerkung: mit Nachzuchtvögel sind NB gemeint).

(...) würde ich dir mal das Buch "Billy der Graupapagei" ans Herz legen. Das ist sicherlich ein Buch, wo sich bei dir alle Nackenhaare aufstellen werden und es hat auch garantiert mit deiner echten Fachlektüre nichts gemeinsam.

Danke für die Empfehlung. Warum sollten sich bei mir "alle Nackenhaare aufstellen"? Ich lese im übrigen nicht ausschließlich "Fachlektüre" sondern gelegentlich ganz gerne auch "Mickymaus" ;) .

Quelle:

Juppien, A. (1998 ): Statistische Erhebungen zum Auftreten von Verhaltensstörungen bei Großpapageien in Menschenobhut (1.Teil), in: Parrot Biology, Volume 2, Juni 1998, Arndt Verlag, Bretten, S. 80

Maynard Smith, J. (1974): The theory of games and the evolution of animal conflicts, J. Theor. Biol. 57, 209 - 221

Gruß
MMchen
 
Vielleicht noch ergänzend zu dem von mir zitierten Matthias Reinschmidt (siehe Posting 125):

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, daß M. Reinschmidt in seinem Buch insgesamt gesehen die (aus seiner Sicht) positiven Aspekte der Handaufzucht in den Vordergrund stellt.



Die "Elternperspektive" - nüchtern und sachlich:

Wenn Gelege zur Kunstbrut, oder Nestlinge zur Handaufzucht entnommen werden, wird der Bruttrieb erneut angeregt. Es kommt oft zu einer weiteren, unter normalen Umständen nicht vorgesehenen, Brut. Das kann, je nach Verfassung des Weibchens, zu einer körperlichen Schwächung führen. Die Entnahme von Gelege oder Nestlingen stellt eine Streßsituation dar. Eva Millesi vom Institut für Zoologie der Universität Wien hat den Einfluß von Streßsituationen auf die Sexual- und "Streß"hormone bei Graupapageien dokumentiert. Streß führte zu einer deutlichen Erhöhung dieser Hormonwerte (beispielsweise zu nennen: Corticosteroide). Millesi geht davon aus, daß auch immunologische Faktoren von der sozialen Situation beeinflusst werden. Gestreßte Vögel hatten einen höheren Anteil krankheitserregender Bakterien im Kot (Millesi, 2001).

Die "Elternperspektive" / Emotional und völlig neben jeder wissenschaftlich seriösen Betrachtung (und für manche User/innen vielleicht nachvollziehbarer):

Was würden Menscheneltern dazu sagen, wenn ihr Baby aus der Wiege genommen und einem Menschenaffen zur "Aufzucht" übergeben würde ?

Quelle:

Millesi, E. (2001): Einfluss von Stresssituationen auf die Sexual- und Stresshormone bei Graupapageien, Science goes public, Universität Wien

Gruß
MMchen
 
mäusemädchen,
Die "Elternperspektive" / Emotional und völlig neben jeder wissenschaftlich seriösen Betrachtung (und für manche User/innen vielleicht nachvollziehbarer):

Was würden Menscheneltern dazu sagen, wenn ihr Baby aus der Wiege genommen und einem Menschenaffen zur "Aufzucht" übergeben würde ?
Hattest du nicht noch noch wenige postings vorher zu größter Vorsicht bei der Verwendung von Begriffen aus der Menschensprache gemahnt und zur Vermenschlichung das Zitat "Todsünde" gebracht? Bei diesem Vergleich bedienst du dich der Vermenschlichung, und zwar in einem weit gravierenderem Maße als wenn ein Halter das Verhalten seines Tieres in Umgangssprache beschreibt: Du vergleichst Tiereltern mit Menscheneltern, Tiernachwuchs mit Menschenbabys. Bei aller Anerkenntnis der Fähigkeiten von Großpapageien - das geht einfach zu weit. Kein Tier wird sich lange an ein verlorenes Jungtier erinnern noch sich Gedanken über dessen Verbleib und Zukunft machen.

Wozu also ein solcher Vergleich, der vollkommen hinkt, der genau die gleichen Emotionen anspricht wie das Kindchenschema bei der Vermarktung?
Geschieht dies etwa unter deiner, nicht zum ersten Mal geäußerten, "hohen Meinung" über den durchschnittlichen Forenuser, Zitat "(und für manche User/innen vielleicht nachvollziehbarer)"?
 
Bei aller Anerkenntnis der Fähigkeiten von Großpapageien - das geht einfach zu weit. Kein Tier wird sich lange an ein verlorenes Jungtier erinnern noch sich Gedanken über dessen Verbleib und Zukunft machen.

was bedeutet für dich lange, ich kann nur aus Erfahrung schildern das meine Käthe gelitten hat als ihre Babys alle tot waren, sie hat sogar weiter auf dem toten Baby gesessen. Als ich es ihr abnahm war sie noch einen Tag in der Höhle und hat 2 weitere gebraucht bis sie wieder einigermaßen normal war. Sie hat dann nach 3 Monaten nachgelegt, was sie sonst nicht tut, der Intervall ist so ca 14 Monate.
Wenn die Babys flügge sind ist es für sie kein Problem wenn sie weggehen, aber vorher schon. Wegen mir kannst du denken das es menschlich gedacht ist, aber auch die Elterntiere leiden stark darunter und deshalb darf dieser Aspekt nicht vergessen werden
 
Wegen mir kannst du denken das es menschlich gedacht ist, aber auch die Elterntiere leiden stark darunter und deshalb darf dieser Aspekt nicht vergessen werden
Ich bestreite nicht, dass die Elterntiere unter dem frühen Verlust ihrer Jungen leiden. Selbst unsere einheimischen Wildvögel suchen verloren gegangene Junge mindestens einen Tag lang (möglicherweise solange, wie sie ohne Fütterung überleben könnten).
Deine Beobachtung würde ich unter "Hineinversetzen in das Tier und Verstehen" einordnen.

Es ist genau das, was ich versucht habe, deutlich zu machen: wir denken menschlich und beschreiben Beobachtungen mit unseren Worten, dies muss keine Vermenschlichung des Tiers bedeuten. Ein Wissenschaftler würde das Verhalten von Käthe sicherlich mit hormonellen Abläufen o.ä. erklären.
 
(...) ich kann nur aus Erfahrung schildern das meine Käthe gelitten hat als ihre Babys alle tot waren, sie hat sogar weiter auf dem toten Baby gesessen. Als ich es ihr abnahm war sie noch einen Tag in der Höhle und hat 2 weitere gebraucht bis sie wieder einigermaßen normal war. Sie hat dann nach 3 Monaten nachgelegt, was sie sonst nicht tut, der Intervall ist so ca 14 Monate.
Wenn die Babys flügge sind ist es für sie kein Problem wenn sie weggehen, aber vorher schon. Wegen mir kannst du denken das es menschlich gedacht ist, aber auch die Elterntiere leiden stark darunter und deshalb darf dieser Aspekt nicht vergessen werden


"(...) Rein physiologisch haben viele Tierarten die Voraussetzung, Trauer zu empfinden. Das limbische System, wo man im menschlichen Gehirn den Sitz der Gefühle vermutet, ist auch bei vielen Tieren vorhanden. Die ringförmige Gehirnstruktur am Boden der Großhirnrinde ist evolutionär betrachtet ein uralter Gehirnteil, den sogar Reptilien und Vögel besitzen. (...)"

http://www.sueddeutsche.de/wissen/artikel/144/83061/print.html

Gruß
MMchen
 
Die ethische (bzw. unethische) Komponente der Entnahme von Nestlingen zur Handaufzucht ist wohl auch deshalb kaum "greifbar", weil ethisches (bzw. unethisches) Handeln gegenüber der Mitkreatur Tier sich nicht auf einen allgemein gültigen "ethischen Kodex" stützen kann. Es gibt ihn nicht. Es gibt zwar einige Wissenschaftler/innen (sowohl innerhalb der Geistes- als auch innerhalb der Naturwissenschaften), die damit befaßt sind, zu verschiedensten Bereichen "ethische Grundlagen" zu erarbeiten und zu defineren. Es sind zu verschiedenen Themenbereichen "Ethikkommissionen" präsent. Auch im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren mit Relevanz für den Umgang mit tierischen Mitgeschöpfen werden gelegentlich ethische Fragen erörtert. Einen Lehrstuhl für "Tierethik" (bitte nicht in Verbindung setzen mit der Einforderung von "Menschenrechten" für Tiere) sucht man allerdings vergebens. Ethik basiert allerdings nach wie vor weitestgehend auf "ungeschriebenen" Regeln. Trotzdem ist wohl bei vielen Menschen ein gewisses (ungutes) Gefühl (Gespür) dafür vorhanden, daß die Wegnahme von Nestlingen "Etwas" ist, daß man (eigentlich) nicht tun sollte. Ein kleines Stückchen von der Selbstverständlichkeit, mit der man eine solche Vorgehensweise beim "modernen Tier Mensch" nicht nur als unethisch, sondern als zutiefst abgründig empfindet, sollte sich auf den Umgang mit der Mitkreatur Tier übertragen. Diese (vage) Erkenntnis sollte unabhängig von allen anderen Aspekten eigentlich schon genügen, Handaufzuchten nicht ohne tiermedizinische Indikation (oder im Rahmen wissenschaftlich betreuter Erhaltungsprojekte) durchzuführen. Sollte...

Stets dann, wenn der Mensch (oder richtiger: einige - manchmal viele - Menschen) meint/meinen, das machen zu dürfen/können, was machbar ist, werden zwar gehäuft Diskussionen über die ethische "Zulässigkeit" geführt.

Der "Erfolg" besteht meist darin, daß die Grenzen "ethischer Vertretbarkeit" Schritt für Schritt erweitert werden.

Gruß
MMchen
 
Hans Jonas fragte in "Das Prinzip Verantwortung" (1989) ob "die Gesamtheit der Natur als Ganzes und in ihren Teilen, die jetzt unserer Macht unterworfen ist, (...) so etwas wie einen moralischen Anspruch an uns hat – nicht nur um unsretwillen, sondern auch um ihrer selbst willen und aus eigenem Recht." Jonas ging es um die Notwendigkeit der Etablierung einer universalen Ethik. Aber: Denken und Handeln in ethischen Kategorien kann natürlich nicht per definitionem "verordnet" werden. Jonas spricht (schreibt) von den "Teilen, die jetzt unserer Macht unterworfen sind" – dazu gehört ganz unmittelbar auch ein Teilchen dieser Teile: "unsere" Papageienvögel. Wir manipulieren die natürlich angelegten und bewährten Vorgänge der Elternaufzucht "unserer" Papageienvögel nicht "um ihrer selbst willen", sondern um "unsretwillen".

Bei Wegnahme der Nestlinge zur Handaufzucht kann (ausgenommen: tiermedizinische Notwendigkeit oder anderweitig zwingende Gründe) von einem Handeln im Interesse der Elternvögel keine Rede sein.

Hierzu (also im Prinzip zu den ethischen Aspekten) der Wegnahme von Nestlingen/Jungvögeln schrieb "Walter" (Posting 94):

Außerdem ist es für mich nicht akzeptabel, daß ohne zwingenden Grund Vogeleltern ihr Nachwuchs weggenommen wird, obwohl das in freier Natur natürlich auch immer wieder vorkommt (womit ich jetzt nicht das Ausräumen der Nester oder Nisthöhlen durch Menschen sondern die Verluste durch Prädatoren meine).

Hierzu (also ebenfalls zu den ethischen Aspekten) schrieb "Ingo" (Posting 44):

Den Eltern regelmäßig die Babies wegzunehmen empfinde ich so intelligenten Tieren gegenüber durchaus als psychische Grausamkeit und die Babies grundlos der potentielle gefährlichen Handaufzucht zu unterwerfen fnde ich ebenso unverantwortlich.

Beiden ist zuzustimmen.

Der Vorteil (oder besser: der erwartete Vorteil) liegt ausschließlich bei demjenigen, der "Macht" ausübt. Oder umgekehrt: Es wird "Macht" ausgeübt, in der Absicht, einen "Vorteil" in Form "handgerechter" ("zahmer") Nachzuchtvögel zu erhalten. Dabei/dafür werden Beeinträchtigungen/Nachteile für diejenigen, die "unserer Macht unterworfen" sind, billigend (oft auch einfach gedankenlos) in Kauf genommen oder rechtfertigend zur Seite geschoben.

Manche "Fundamentalethiker" von deren Ansichten ich mich ausdrücklich distanziere (ich denke hierbei z. B. an Peter Singer), gehen soweit, für Tier und Mensch absolut gleiche Maßstäbe anzulegen. Dies ist m. E. schon deshalb unangebracht (zu Ende gedacht: sogar diskriminierend für beide "Arten"), weil artspezifische Unterschiede einen den arteigenen Lebensweisen und Funktionalitäten angemessenen Umgang erfordern. Es gibt Gemeinsamkeiten. Es gibt Trennendes. Ein Vogel hat logischer Weise grundsätzlich andere "arteigene Interessen" als ein Mensch. Die gilt es zu kennen (oder kennen zu lernen). Es wäre schon viel getan, wenn diesen halbwegs Rechnung getragen würde und Eingriffe, die diesen diametral zuwiderlaufen, wo immer möglich unterblieben.

Jonas, H. (1989): Das Prinzip Verantwortung – Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Suhrkamp, Frankfurt



Bezüglich der Auswirkungen bei/durch Entnahme von Gelegen/Nestlingen ist auch zu bedenken:

Eine nach Wegnahme von Gelegen oder Nestlingen oft eintretende zweite sexuell-reproduktive Phase nimmt sogar Einfluß auf die Mauser. Alte Federn werden dann abgestoßen, wenn die Geschlechtssteroide (Östrogen, Testosteron) am Minimum liegen. Die Natur hat das sehr gut eingerichtet. Ein Durchmausern während Balz, Brut und Aufzucht wäre sehr hinderlich. Eine provozierte zweite Reproduktionsphase verhindert/verzögert/unterbindet die Mauser.

Solche "Nebenwirkungen" sollten zumindest "versierten" Züchter/innen bekannt sein. Sie sind es manchmal auch. Aber (Ironie an) welcher Verkäufer preist schon gerne "Produktmängel" an (Ironie aus).

Gruß
MMchen
 
Das sind die Realitäten. Die Bilder kommentieren sich selbst:

http://www.birdsinternational.net/stages.html

Die Nachzuchten von "de Dios" (Oberzeile auf der Page: "Stages of Parrot Production") unterliegen keinem Einfuhrverbot. Sie werden u. a. von einem deutschen Kooperationspartner in den Handel gebracht.

Es soll nicht unerwähnt bleiben: "Birds International" ist andererseits auch in Artenschutzprojekte und Erhaltungszuchten eingebunden. Aber: Kann eine gute Sache mit einer (vorsichtig formuliert) eher bedenklichen Handlungsweise (im Wortsinn) "verrechnet" werden?

Aus der Internet-Präsenz einer deutschen Papageienzucht:

"Wir geben fast das ganze Jahr über Jungtiere vieler Arten (...) ab. (...) Die ab Ei oder ab der 5. Woche von Hand aufgezogenen Jungtiere sind (...) alle superzahm zu jedermann. Sie können sofort angefasst werden und sind zum Teil bei Abgabe auch schon sprechend (...). Bei Bedarf übernehmen wir auch Handaufzuchten für Sie ab Ei."

Fast beiläufig wird vom gleichen Anbieter darauf hingewiesen, daß "auf Wunsch" auch Naturbruten erhältlich sind.

Gruß
MMchen
 
Thema: Handaufzuchten

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