A
Anke
Guest
Zum Thema Bejagung von Rabenvögeln möchte ich Euch ein wenig Lesestoff liefern.
In einer Live-Übertragung der Sendung "Drehscheibe Deutschland" nahm sich das ZDF am 4. Mai 1999 im Volkspark in Mainz des strittigen Themas "Rabenvögel und Jagd" an.
Es taucht eine erboste Dame mit Plastikeimer auf. Im Plastikeimer hat sie einen Meisenkasten mit einem 35 Millimeter großen Einflugloch, passend für Kohlmeisen. Zielsicher erreicht sie die Dame aus der Redaktion einer Tageszeitung. Der Deckel vom Meisenkasten ist abgenommen. "Das waren die Elstern, ich habe es selbst gesehen". Ein Neugieriger mischt sich ein: "Haben Sie es wirklich gesehen, daß es die Elstern waren?" "Ja". Die Frau hat sogar eine Kamera im Garten installiert. Der Fall ist glasklar, die Sünder sind ertappt. Belegt durch Augenzeugin und Kamera. Ein Pressesprecher erscheint ganz zufällig - während die Sendung 30 Meter weiter abgespult wird: "Ja, genau solche Meldungen von erbosten Bürgerinnen und Bürgern laufen beim Ministerium ständig ein, mit der Forderung, die Elstern zu bejagen". Der Tatort ist schon auffällig. Die Elster hat offensichtlich im Nistkasten die weniger schmackhaften Reste der Kohlmeisen zurückgelassen, nämlich die noch weichen Flügel der Kinder mit den Kielen dran und die zusammenhängende, schon völlig vertrocknete "Hülle" eines Elterntieres, bestehend aus Bauchdecke mit voller Befiederung, anhängenden Beinen und Flügeln. Der Kopf fehlt auffälligerweise. Der unbedarfte Beschauer fragt sich, wie die Elster in den Kasten gekommen ist. Hineingeschlüpft, meint Frau F. Sie meint sicher, daß die Elster mit Kopf und Hals in den Kasten eingedrungen ist. Ja, das könnte man sich vorstellen. Aber warum hat die Elster die Jungvögel nicht einfach herausgezerrt, sondern im Kasten drinnen verspeist und die Essensreste drinnen liegen lassen? Oder hat sie die Reste sogar säuberlich wieder hineingelegt? Und wie hat die Elster es geschafft, die erwachsene Meise im Kasten sauber auszufressen und die weniger schmackhaften Teile als zusammenhängende Hülle drinnen zu lassen? Oder hat sie auch dieses Stück wieder hineingeworfen? Ein Fachmann, nennen wir ihn "M", hat die Erklärung: "Der Altvogel hat sich sicher innen festgekrallt oder verhakt, so daß die Elster ihn nicht herausziehen konnte; daß so etwas passiert, ist doch bekannt". Aha, und als der innen verhakte Altvogel dann samt Kopf aufgefressen war, löste sich die Resthülle von der Verhakung und fiel hinunter in den Kasten hinein. Eigenartig. Der neugierige Herr P. bleibt bei seiner ungläubigen Fragerei: "Ist das wirklich vorgestern geschehen? Die Reste der alten Meise sind schon ein bißchen arg vertrocknet". Frau F erklärt, daß sie vorgestern die Elster auf dem Kasten gesehen hat, aber vielleicht war es auch schon ein bißchen länger her. "Und haben Sie wirklich gesehen, wie die Elster die Vögel gefressen hat"? "Nein, ich habe nur gesehen, daß die Elster auf dem Kasten saß". "Und kann man das Ganze mit der Kamera belegen"? "Nein, die Kamera beobachtet einen anderen Kasten und dort habe ich gesehen, wie der Specht die jungen Vögel herausgeholt hat". "Sollten wir auch die Spechte endlich abschießen"? Nein, die Spechte und die Eichhörnchen, die dürfen in Frau F's Garten gerne leben. "Da hat der Specht vermutlich in den anderen Kasten unten an der Seite ein Loch gehackt, um die Jungvögel herausziehen. Das beobachtet man öfters", meinte Herr P. "Vielleicht war es ja auch hier der Specht"? "Aber ich habe doch die Elster auf dem Kasten gesehen"!
"Aber doch nicht, wie sie die Jungvögel gefressen hat"! "Nein". Aber wollen wir dem Specht nicht zuviel anlasten. Dieser Kasten hier hat keine vom Specht zusätzlich gehackte Öffnung. Oder sollte der schlaue Specht es durchs Einflugloch versucht haben? Aber dann müßte man ja die gleichen dummen Fragen stellen wie bei der Elster. Und daß Spechte den ganzen Kopf einer Meise mit Vorliebe fressen und die übrigen Reste liegen lassen, so wie es bei Ratten Sitte ist, das wäre doch schon eigenartig. Herr P fragt Frau F, ob sie schon mal überlegt habe, ob der Täter auch ein Wiesel oder ein Siebenschläfer gewesen sein könnte. Frau F konnte sich kaum vorstellen, daß es solche Tiere hier gibt. Dezenter Weise fragt Herr P nicht nach dem Vorkommen von Ratten. Aber um die Artenkenntnis von Frau F ein bißchen zu testen, unterschiebt er ihr eine mitgebrachte ausgestopfte Saatkrähe. Frau F erkennt sofort die Krähe, allerdings mit dem leichten Bestimmungsfehler "Dohle".
Daß die immer noch weit verbreiteten Vorurteile gegen Rabenvögel nachweislich nicht gerechtfertigt sind, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Eine Studie über das Nahrungsspektrum von Elster und Rabenkrähe ergab folgendes:
Die Hauptnahrung besteht aus:
Oberirdisch lebenden Gliederfüßlern 90,9 %(Elster) 83,4 % (Rabenkrähe)
davon Insekten 85,3 % (E) 78,4 % (R)
davon Käfer 67,2 % (E) 45,2 % (R)
Regenwürmer 2,8 % (E) 7,6 % (R)
Kirschen 2,1 % (E)
Getreidekörner 1,4 % (E) 5,2 % (R)
Wildkrautsamen 1,7 % (R)
Vogeleier und Jungvögel 0,2 % (E) 0,1 % (R)
Wirbeltiere, v.a. Wühlmäuse u. Eidechsen 0,6 % (E) 0,5 % (R)
Reste von Niederwild konnten nicht nachgewiesen werden
Wer mehr zu diesem Thema lesen möchte, kann sich z.B. unter
http://www.oejv.de/positionen/rabenvoegel.htm
http://www.rabenvoegel.de
informieren.
Die Bejagung von Rabenvögeln steht im Widerspruch zum geltenden Tierschutzgesetz, welches besagt:
§ 20d Allgemeiner Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen
(1) Es ist verboten,
1. wildlebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten, ....
Diesen "vernünftigen Grund" gilt es meiner Meinung nach weiterhin zu finden.
Ein Erlebnis aus eigener Erfahrung möchte ich Euch auch nicht vorenthalten:
Im Rahmen des Tags der offenen Tür in unserem Tierheim zeigte ich einer Besucherin die Voliere, in der sich meine jungen Elstern befanden, die ich aufzog. Die Frau war empört, wie kann man nur Elstern aufziehen, die plündern doch Nester aus. Wenn sie eine junge Elster fände, würde sie ihr nicht helfen. Ich erwiderte dann, daß die eigentlichen Nesträuber Katzen und Eichhörnchen seien. Ob sie denen auch nicht helfen würde, wenn sie sich in Not befänden?
Die Frau war empört und antwortete, das wäre doch etwas völlig anderes...
Viele Grüße,
Anke
http://www.vogelforen.de/upload/hucke1.jpg
[Geändert von Anke am 14-12-2000 um 15:33]
In einer Live-Übertragung der Sendung "Drehscheibe Deutschland" nahm sich das ZDF am 4. Mai 1999 im Volkspark in Mainz des strittigen Themas "Rabenvögel und Jagd" an.
Es taucht eine erboste Dame mit Plastikeimer auf. Im Plastikeimer hat sie einen Meisenkasten mit einem 35 Millimeter großen Einflugloch, passend für Kohlmeisen. Zielsicher erreicht sie die Dame aus der Redaktion einer Tageszeitung. Der Deckel vom Meisenkasten ist abgenommen. "Das waren die Elstern, ich habe es selbst gesehen". Ein Neugieriger mischt sich ein: "Haben Sie es wirklich gesehen, daß es die Elstern waren?" "Ja". Die Frau hat sogar eine Kamera im Garten installiert. Der Fall ist glasklar, die Sünder sind ertappt. Belegt durch Augenzeugin und Kamera. Ein Pressesprecher erscheint ganz zufällig - während die Sendung 30 Meter weiter abgespult wird: "Ja, genau solche Meldungen von erbosten Bürgerinnen und Bürgern laufen beim Ministerium ständig ein, mit der Forderung, die Elstern zu bejagen". Der Tatort ist schon auffällig. Die Elster hat offensichtlich im Nistkasten die weniger schmackhaften Reste der Kohlmeisen zurückgelassen, nämlich die noch weichen Flügel der Kinder mit den Kielen dran und die zusammenhängende, schon völlig vertrocknete "Hülle" eines Elterntieres, bestehend aus Bauchdecke mit voller Befiederung, anhängenden Beinen und Flügeln. Der Kopf fehlt auffälligerweise. Der unbedarfte Beschauer fragt sich, wie die Elster in den Kasten gekommen ist. Hineingeschlüpft, meint Frau F. Sie meint sicher, daß die Elster mit Kopf und Hals in den Kasten eingedrungen ist. Ja, das könnte man sich vorstellen. Aber warum hat die Elster die Jungvögel nicht einfach herausgezerrt, sondern im Kasten drinnen verspeist und die Essensreste drinnen liegen lassen? Oder hat sie die Reste sogar säuberlich wieder hineingelegt? Und wie hat die Elster es geschafft, die erwachsene Meise im Kasten sauber auszufressen und die weniger schmackhaften Teile als zusammenhängende Hülle drinnen zu lassen? Oder hat sie auch dieses Stück wieder hineingeworfen? Ein Fachmann, nennen wir ihn "M", hat die Erklärung: "Der Altvogel hat sich sicher innen festgekrallt oder verhakt, so daß die Elster ihn nicht herausziehen konnte; daß so etwas passiert, ist doch bekannt". Aha, und als der innen verhakte Altvogel dann samt Kopf aufgefressen war, löste sich die Resthülle von der Verhakung und fiel hinunter in den Kasten hinein. Eigenartig. Der neugierige Herr P. bleibt bei seiner ungläubigen Fragerei: "Ist das wirklich vorgestern geschehen? Die Reste der alten Meise sind schon ein bißchen arg vertrocknet". Frau F erklärt, daß sie vorgestern die Elster auf dem Kasten gesehen hat, aber vielleicht war es auch schon ein bißchen länger her. "Und haben Sie wirklich gesehen, wie die Elster die Vögel gefressen hat"? "Nein, ich habe nur gesehen, daß die Elster auf dem Kasten saß". "Und kann man das Ganze mit der Kamera belegen"? "Nein, die Kamera beobachtet einen anderen Kasten und dort habe ich gesehen, wie der Specht die jungen Vögel herausgeholt hat". "Sollten wir auch die Spechte endlich abschießen"? Nein, die Spechte und die Eichhörnchen, die dürfen in Frau F's Garten gerne leben. "Da hat der Specht vermutlich in den anderen Kasten unten an der Seite ein Loch gehackt, um die Jungvögel herausziehen. Das beobachtet man öfters", meinte Herr P. "Vielleicht war es ja auch hier der Specht"? "Aber ich habe doch die Elster auf dem Kasten gesehen"!
"Aber doch nicht, wie sie die Jungvögel gefressen hat"! "Nein". Aber wollen wir dem Specht nicht zuviel anlasten. Dieser Kasten hier hat keine vom Specht zusätzlich gehackte Öffnung. Oder sollte der schlaue Specht es durchs Einflugloch versucht haben? Aber dann müßte man ja die gleichen dummen Fragen stellen wie bei der Elster. Und daß Spechte den ganzen Kopf einer Meise mit Vorliebe fressen und die übrigen Reste liegen lassen, so wie es bei Ratten Sitte ist, das wäre doch schon eigenartig. Herr P fragt Frau F, ob sie schon mal überlegt habe, ob der Täter auch ein Wiesel oder ein Siebenschläfer gewesen sein könnte. Frau F konnte sich kaum vorstellen, daß es solche Tiere hier gibt. Dezenter Weise fragt Herr P nicht nach dem Vorkommen von Ratten. Aber um die Artenkenntnis von Frau F ein bißchen zu testen, unterschiebt er ihr eine mitgebrachte ausgestopfte Saatkrähe. Frau F erkennt sofort die Krähe, allerdings mit dem leichten Bestimmungsfehler "Dohle".
Daß die immer noch weit verbreiteten Vorurteile gegen Rabenvögel nachweislich nicht gerechtfertigt sind, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Eine Studie über das Nahrungsspektrum von Elster und Rabenkrähe ergab folgendes:
Die Hauptnahrung besteht aus:
Oberirdisch lebenden Gliederfüßlern 90,9 %(Elster) 83,4 % (Rabenkrähe)
davon Insekten 85,3 % (E) 78,4 % (R)
davon Käfer 67,2 % (E) 45,2 % (R)
Regenwürmer 2,8 % (E) 7,6 % (R)
Kirschen 2,1 % (E)
Getreidekörner 1,4 % (E) 5,2 % (R)
Wildkrautsamen 1,7 % (R)
Vogeleier und Jungvögel 0,2 % (E) 0,1 % (R)
Wirbeltiere, v.a. Wühlmäuse u. Eidechsen 0,6 % (E) 0,5 % (R)
Reste von Niederwild konnten nicht nachgewiesen werden
Wer mehr zu diesem Thema lesen möchte, kann sich z.B. unter
http://www.oejv.de/positionen/rabenvoegel.htm
http://www.rabenvoegel.de
informieren.
Die Bejagung von Rabenvögeln steht im Widerspruch zum geltenden Tierschutzgesetz, welches besagt:
§ 20d Allgemeiner Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen
(1) Es ist verboten,
1. wildlebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten, ....
Diesen "vernünftigen Grund" gilt es meiner Meinung nach weiterhin zu finden.
Ein Erlebnis aus eigener Erfahrung möchte ich Euch auch nicht vorenthalten:
Im Rahmen des Tags der offenen Tür in unserem Tierheim zeigte ich einer Besucherin die Voliere, in der sich meine jungen Elstern befanden, die ich aufzog. Die Frau war empört, wie kann man nur Elstern aufziehen, die plündern doch Nester aus. Wenn sie eine junge Elster fände, würde sie ihr nicht helfen. Ich erwiderte dann, daß die eigentlichen Nesträuber Katzen und Eichhörnchen seien. Ob sie denen auch nicht helfen würde, wenn sie sich in Not befänden?
Die Frau war empört und antwortete, das wäre doch etwas völlig anderes...
Viele Grüße,
Anke
http://www.vogelforen.de/upload/hucke1.jpg
[Geändert von Anke am 14-12-2000 um 15:33]