Ich möchte auch mal meine Erfahrungen mit dem "Spöttertalent" (so nennt man das in der Fachsprache) von Kanarien mitteilen.
Vor Jahrzehnten, es dürfte in den 50er gewesen sein, wurden schon Kanarien mit Nachtigallengesang angeboten. So weit ich mich erinnern kann, war es damals ein Züchter aus Nürnberg, der diese Vögel hatte und in der Gefierderten Welt sehr teuer angeboten hatte. Ist also nichts Neues.
Dieser Züchter wurde allerdings sehr aufs Korn genommen und angefeindet, denn er hatte nicht deutlich bei seinen Inseraten gesagt, dass dies ein angelernter Gesang war und keine Vererbung. So wie diese Vögel gekommen waren, verschwanden sie auch wieder. Denn viele waren enttäuscht, dass die Nachzucht nicht ebenso sang wie der Vater. Denn die Nachzuchtvögel hatten nicht die Ausbildung, also das Vorspielen der Nachtigallengesänge. Wer also viel Geld ausgegeben hatte in der Hoffnung, nun Nachtigallenvögel in Kanariengestalt züchten zu können, der war auf dem Holzweg.
Aber nun meine eigene Erfahrung.
Ein Jahr bevor ich nach Neuseeland auswanderte, fing ich schon an, meine Vögel zu verkaufen, da ich sie ja nicht mitnehmen konnte. Im Frühjar waren alle Vögel verkauft, nur ein Weibchen brütete noch in der Freivoliere. Ich beließ sie dort, denn es war noch reichlich Zeit, um auch diese Brut noch zu erledigen und sie hatte tatsächlich noch ein befruchtetes Ei, aus dem dann ein Hahn schlüpfte und in der Freivoliere groß wurde. Ich schenkte ihn dann meiner Schwester und hatte somit noch Gelegenheit, ihn noch oft zu hören, bevor wir dann endgültig im nächsten Frühjahr Deutschland verliessen.
Dieser besagte Hahn hatte niemals einen Kanarienvogel gehört. Jedoch viele Vögel im Garten, u.A. auch Amseln. Diese wohl am meisten, da sie sehr häufig waren.
Nun war interessant, dass dieser Vogel sehr deutlich Teile des Amselgesanges imitierte. Aber auch andere Liedteile brachte er, die von allen möglichen Vögeln im Freien stammen konnten. Aber auch einige typische Kanarientouren waren im Gesang enthalten.
Beim Kanarienvogel ist mit großer Sicherheit sein Gesang nur teilweise angeboren. Ich würde mal sagen, zu etwa 50%. Die zweite Hälfte wird erlernt. Das weiss jeder Gesangszuüchter und schätzt einen guten Vorsänger aus eben diesen Gründen.
Mir persönlich hat der Gesang dieses beschriebenen Vogels sehr gut gefallen. Ich fand ihn sehr abwechlungsreich und die oft spitzen Töne der Farbenvögel waren überhaupt nicht vorhanden. Wenn ein Vogel aus einer Zucht stammt, in der man auf eine gute tiefe Tonlage wert legt und diese Anlage genetisch vorhanden ist, wird diese Anlage uch weiter vererbt, auch wenn er andere Vögel imitiert.
Da mein Vogel in der Freiviliere groß wurde, beweist dies, dass ein guter Gesang nicht an einen kleinen Käfig gebunden ist. Allerdings ist eine Prämierung wohl nur in einem Käfig möglich und somit muss der Vogel, falls man ihn zum Wettbewerb bringen will, auch dort sein Training erfahren.
Wer allerdings für seine eigenen Vögel einen abwechslungsreichen Gesang schätzt, der kann dies erzielen, indem er sehr bald nach der Zucht alle Vögel, die nicht den erwünschten Gesang haben, ausser Hörweite bringt, Mit Kassetten kann man auch viel erreichen. Das machen manche Gesangszüchter auch (mit Kanariengesang natürlich).
Für den genannten Professor, der sich für diese Dinge interessiert, gäbe es in dieser Hinsicht viel zu erfahren. Ich denke, dass auch mein Bericht für ihn interessant sein könnte.
Schöne Grüße
Werner