Offene tueren und Parrhaltung...

Diskutiere Offene tueren und Parrhaltung... im Forum Allgemeines Vogelforum im Bereich Allgemeine Foren - Weshalb existiert dieses forum? Was ist der zweck dieses forums? Ich denke vielleicht das ein wenig vom weg abgekommen worden ist wenn einer der...
Guido schrieb:
Hi Katrin
Dat ist doch wohl keine Grauer auf dem Plakat. Du verwechselste da irgendwat.
Liebe Grüsse
Guido :0-
ich glaube sie meinte mich und meinen beitrag wo ich den link zu gracies foto gab.
 
Hallo, Kathrin!
Leider möchten aber viele Leute eine Handaufzucht, der Wunsch wird noch verstärkt von Vogelhändlern (Namen möchte ich jetzt nicht nennen, eine Papageienhändlerin ist z.B. dadurch bekannt in den Medien) die genau mit dieser unverantwortlichen Masche gute Geschäfte machen. Aufklärung wird klein geschrieben; immer noch werden die Vögel einzeln als Schmusetier verkauft und wenns dann in den Eimer geht, werden die Tiere in die Ecke geschoben, wandern von Hand zu Hand oder werden, falls sie es noch können, einfach durchs offene Fenster geschickt. Wir Menschen verstehen uns ja noch nichtmal untereinander, wie sollen wir dann richtig auf Körpersprache und Laute, Bedürfnisse und Gefühle der Tiere eingehen können? Ich bewundere die Tiere immer wieder, wenn sie trotzdem gut Freund mit uns sind und uns unsere Unzulänglichkeiten verzeihen.

Ich habe auch Vögel, die als junge Tiere oder erwachsenen in meine Hände gekommen sind und zutraulich wurden. Kein Problem: es ist sogar toll, das tier nach und nach für sich zu gewinnen. Durch diese >Beziehungsarbeit< entwickelt sich oft tiefes Vertrauen, wenn man sich denn auch die Mühe macht.
Ich habe nur schon so viel Negatives gesehen, dass ich oft sehr traurig werde, wenn ich dann die einsamen, mißverstandenen >Geier< sehe.
Ich habe Achtung vor den Leuten, die dann diesen armen Geschöpfen alles zu geben versuchen und immer für sie da sind und auf vieles verzichten. Diese Leute sind heutzutage aber selten, wir leben schließlich in einer Fun-Gesellschaft, in der alles perfekt sein muß.
lg
Angie
 
Hallo Alpha,

> Ich hätte nämlich sehr gerne noch Antworten auf meine Fragen von Graehstone, und würde mich freuen, wenn ihr ihm die Chance dazu auch lassen würdet.

Nachdem mein erster Zorn verraucht war, habe ich mal zu dem Thema gegooglet. Und bin völlig geplättet, wie der Psychopharmaka-Einsatz bei Papageien in den USA propagiert wird (von Tierärzten, auf Kongressen, in Fachzeitschriften...) Meine 2 Cent zu deinen Fragen:

> 9. Nachtrag und Frage zum Haloperidol:
Hat der Vogel aufgehört zu Rupfen seit er das Medikament bekommt?

Findest du das relevant? Jemand, dem man Hände und Füße fesselt, kann sich natürlich nicht mehr kratzen. Jemand, dem man statt realer Fesseln psychopharmakologische Fesseln anlegt, natürlich auch nicht. Oder anders: was unterscheidet den echten Halskragen beim Papagei vom 'chemischen Kragen' Haloperidol?

> 10. Mich würde interessieren, was du (oder deine amerikanischen Experten) denn glauben, was für Ursachen (außer organische) für das Rupfen bei Papageien in Betracht kommen.

Das Problem der psychopharmakologischen (neuropsychiatrischen) Sichtweise ist gerade, dass über 'organische' Ursachen gar nicht hinaus gedacht wird. Da wird einfach eine 'Störung' im Botenstoffhaushalt im Gehirn zur Ursache erklärt, die mit Psychopharmaka 'behoben' werden kann. Fertig :-/

Diese Logik ist zwar gerade modern - aber sie ist völlig absurd. Das ist so, als wenn man bei jemandem, der normalerweise unglücklich ist, aber lustig drauf, wenn er besoffen ist, als 'Ursache' des Unglücklichseins einen Mangel an Alkohol im Blut als Krankheitsursache definiert. Und ihn dagegen mit einer Alkohol-Ersatzdroge 'behandelt', die genau so besoffen macht wie Alkohol. Hauptsache, sie wird nicht bei Aldi für 3,99 EUR frei verkauft, sondern von der Pharmaindustrie zum 10-fachen Preis auf Rezept...

Was Psychopharmaka (ob bei Mensch oder Tier) einzigartig macht, ist, dass sie - anders als alle anderen Medikamente - keine organischen Krankheiten 'behandeln' - sondern 'Verhaltensauffälligkeiten', für die Mensch keine Erklärung hat. Und was 'Fehlverhalten' ist, definiert im Falle der Papageien halt der Besitzer. 'Verhaltensgestört' ist einfach das, was dem Halter der Tiere auf die Nerven geht und womit er nicht umgehen kann.

Bei der Sichtweise ist es natürlich nur konsequent, nach USA-Vorbild den Tieren Tranquilizer (Benzodiazepine wie Valium - 'mothers little helper'), Antidepressiva oder Neuroleptika zu verabreichen. Mit irgendeiner Droge wird man dieses lästige Schreien oder Rupfen doch wohl abstellen können... Und ein sedierter Patient ist ein bequemer Patient, um den man sich nicht mehr aufwändig kümmern muss.

Was mich wundert, ist u.a., dass Psychopharmaka in der Tiermedizin überhaupt zugelassen sind. Liest vielleicht ein Tierarzt mit, der weiss, wie das in D geregelt ist? Ich weiss zwar, dass man trizyklische Antidepressiva gerne in der Schweinemast verwendet - aber 1. illegal und 2. nicht, damit die Schweine glücklicher sind, sondern weil die Nebenwirkung der extremen Gewichtszunahme den Profit steigert. Als 'echte' Therapie kannte ich Psychopharmaka bei (Haus)tieren bisher aber nicht.

Viele Grüße, Stefan
 
Hi
Worum geht es hier eigendlich ?????? Um Paarhaltung, oder Medizin ?
Liebe Grüsse
Guido nix winke
 
Hallo Stefan

Du musst nicht denken, dass ich das gut finde, Tieren Neuroleptika zu verabreichen.
Ich sehe das in der Humanmedizin allerdings etwas anders als du. Wenn ein Mensch Neuroleptika bekommt, dann wohl in den allermeisten Fällen, weil dieser psychotische Symptome hat, die man durchaus diagnostizieren kann. Und wenn diese psychotischen Symptome einen Menschen dazu bringen, entweder sich selbst oder aber andere Menschen zu gefähren, dann stehe ich da sehrwohl dahinter, dass ein Mittel wie z.B. Haldol verabreicht wird, weil Neuroleptika in vielen Fällen einfach das einzige ist, was gegen psychotische Symptome hilft. Eine handfeste Psychose kann man nicht, wie wohl viele denken, mit Psychotherapie (Gesprächstherapie, etc) wegreden.
Aber das ist wohl ein anderes Problem, welches ansich nun weniger hierher gehört.
Ich denke nun aber, dass man bei Tieren allenfalls von Neurosen sprechen kann, und nicht von Psychosen. Daher deutlich meine Haltung GEGEN Neuroleptika bei Tieren.

Meiner Frage Nr. 10 bezog sich nun aber nicht mehr auf die Haldol-Sache, sondern generell auf das Rupfen bei Papapgeien, und was man in den USA da so drüber denkt (eben über die möglichen Ursachen).

> 9. Nachtrag und Frage zum Haloperidol: Hat der Vogel aufgehört zu Rupfen seit er das Medikament bekommt?
Findest du das relevant?
Nicht relevant was die Verabreichung angeht. jedoch sehr interessant. Denn wie oben schon beschrieben, würde mich es sehr wundern, wenn ein "Antipsychotikum" gegen eine Neurose wirken könnte.

Also Stefan, keine Sorge: Zumindest was den Einsatz von sochen Mitteln bei Tieren angeht, sehe ich das genauso wie du.

LG
Alpha
 
off topic: Indikation für Psychopharmaka

Hallo Alpha,

> Du musst nicht denken, dass ich das gut finde, Tieren Neuroleptika zu verabreichen.

Das hatte ich auch nicht so verstanden, keine Sorge!

> Ich sehe das in der Humanmedizin allerdings etwas anders als du. Wenn ein Mensch Neuroleptika bekommt, dann wohl in den allermeisten Fällen, weil dieser psychotische Symptome hat, die man durchaus diagnostizieren kann.

Das ist jetzt zwar völlig off-topic: aber bei Psychiatrie-Praxis und -Historie weiss ich (leider) aus eigener Erfahrung recht gut Bescheid. Man kann zwar 'psychotische Symptome' 'diagnostizieren'. Aber keine Psychose. Weil kein Mensch weiss, was das eigentlich ist. Lies im ICD-10 nach, wenn du es nicht glaubst. Nach den dortigen Diagnosekriterien hast du genau so eine Psychose wie ich, und wie alle Vogelforen-Leser, und wie alle anderen Menschen... Oder geh' als gesunder Mensch testweise zu 5 Psychiatern - und wundere dich, welche 5 verschiedenen Diagnosen psychischer 'Krankheiten' dir da etikettiert werden...

Jeder Mensch, der eine Erscheinung der Mutter Gottes hat und vom Papst posthum heilig gesprochen wird... und jeder Mensch, der überhaupt nur an Gott glaubt und hin und wieder betet... jeder dieser Menschen, die zusammen 90% der Weltbevölkerung ausmachen, hat nach aktuellen diagnostischen Kriterien der Psychiatrie eine schwere Psychose (oder Schizophrenie, je nach Gusto) und gehört dringend sofort psychopharmakologisch zwangsbehandelt. Allerdings nur, wenn er anderen Leuten mit seinem Gottglauben auf die Nerven fällt. In einem Umfeld, das Religiösität 'normal' und gut findet, ist so ein Irrer hingegen eine wertvolle moralische Stütze der Gesellschaft.

> Und wenn diese psychotischen Symptome einen Menschen dazu bringen, entweder sich selbst oder aber andere Menschen zu gefähren, dann stehe ich da sehrwohl dahinter, dass ein Mittel wie z.B. Haldol verabreicht wird

Richtig. Allerdings gefährden 99,9 % der als 'psychotisch' diagnostizierten und zwangsbehandelten Menschen absolut niemanden. Sie verhalten sich halt nur 'störend' und fallen unangenehm auf. Und Anlass zur Zwangsbehandlung ist nicht die Gefahr, die von solchen Leuten ausgeht - sondern die irrationale Angst der Normalbevölkerung, dass jemand, der sich seltsam benimmt, einfach irgendwie gefährlich sein muss :-(

> Eine handfeste Psychose kann man nicht, wie wohl viele denken, mit
Psychotherapie (Gesprächstherapie, etc) wegreden.

Sicher nicht.

> Ich denke nun aber, dass man bei Tieren allenfalls von Neurosen sprechen kann, und nicht von Psychosen.

Niemand weiss, was eine 'Neurose' (in der Praxis - in der Theorie ist das natürlich völlig klar) überhaupt ist. Freud hat sich viel Blödsinn zusammen theoretisiert. Und seine eigentliche Leistung war, dass er diesen Blödsinn tatsächlich in der 'Wissenschaft' verankern konnte. Nur: es gibt kein Lebewesen auf der Welt, das nach aktueller Diagnostik nicht 'neurotisch' ist. In Relation zu den gesammelten Neurosen von Papageienhaltern ist jeder völlig kahl gerupfte Geier psychisch noch ziemlich gesund und hat gute Aussichten auf Heilung...

Wie auch immer: solche 'psychiatrischen' Diagnosen (und eine entsprechende 'Therapie) auf Tiere zu übertragen, ist IMHO einfach völlig aberwitzig. In solchen Fällen gehört eher der Halter in psychiatrische Behandlung als der Papagei...

Viele Grüße, Stefan

If you talk to God, you are praying;
If God talks to you, you have schizophrenia.
 
Modis: Bitte Thread gfl. teilen, danke und sorry.

Hallo Stefan

Ich arbeite seit über 10 Jahren in einer (geschlossenen) psychiatrischen Akutstation. Glaube mir, ich weiss ebenso, wovon ich rede ;)
In einem gebe ich dir Recht: Keiner kennt die genauen Ursachen einer Schizophrenie. Jedoch behauptet auch keiner, mit Neuroleptika ursächlich zu behandeln. Es werden Symptome behandelt. Was anderes können wir leider nicht tun, denn wie du ja auch geschrieben hast, die Ursache(n) einer solchen Krankheit sind leider (noch?) nicht bekannt.
Das ist im Übrigen nicht anders als bei endogenen (!) Depressionen. Keiner weiß warum ein Mensch derart depressiv ist, auch nicht er selbst. Aber es wird (und zwar meist erfolgreich) mit Antidepressiva behandelt. Auch wieder Symptombehandlung, und nicht ursächliche.
Hätte ich eine Schizophrenie (die ja sehr sehr häufig leider immer wieder auftritt, viele sogar chronsich psychotisch sind) und würde ständig Stimmen hören, mich ständig verfolgt fühlen, oder mich sonstwie ständig beeinträchtigt fühlen, dann würde ich jedoch lieber Neuroleptika einnehmen und etwas frühzeitiger evtl. einem Leberschaden erliegen, als mein ganzes Leben lang unter solchen Symptomen zu leiden.
Zudem: es gibt seit einiger Zeit schon sgn. Atypische Neuroleptika, welche kaum mehr Nebenwirkungen haben, und mit welchen man durchaus arbeiten kann, etc.... sprich: mit denen man in keinster Weise eingeschränkt ist.
Nicht jeder bekommt heute immer gleich Haldol (oder ähnliche hochpotente Mittel).
Nach den dortigen Diagnosekriterien hast du genau so eine Psychose wie ich, und wie alle Vogelforen-Leser, und wie alle anderen Menschen... Oder geh' als gesunder Mensch testweise zu 5 Psychiatern - und wundere dich, welche 5 verschiedenen Diagnosen psychischer 'Krankheiten' dir da etikettiert werden...
Also das bezweifle ich doch sehr. Es gibt bestimmte "Leitsymptome", die ganz sicher nicht auf alle Menschen hier oder woanders zutreffen.
Und wenn diese Psychiater jedem gleich so eine Psychose "etikettieren", dann habe ich wohl das Glück, in einer ganz außergewöhnlich guten Klinik mit ganz außergewöhnlich guten Ärzten zu arbeiten, welche sehr wohl eine Pschose von "keiner Psychose" unterscheiden können ;)
Allerdings gefährden 99,9 % der als 'psychotisch' diagnostizierten und zwangsbehandelten Menschen absolut niemanden.
Hier allerdings würden dann in "meiner" Klinik sehr viele dieser 99,9 % hocken.
Ich will nun nicht sagen, dass "Gewalt" an der Tagesordnung ist, es aber leider doch schon sehr viel häufiger zu tätlichen Auseinandersetzunten kommt. (Übrigens nicht nur "gegen" Ärzte und Pfleger, sehrwohl auch unter den Patienten).
Nur: es gibt kein Lebewesen auf der Welt, das nach aktueller Diagnostik nicht 'neurotisch' ist.
Da hst du wohl Recht. Ein jeder hat so seine "Neuröschen" ;)
Hier kommt es darauf an, ob mich meine Neurose im alltäglichen Lebensablauf derart beeinträchtigt, oder ob ich damit ganz gut zurecht komme.
Besipiel (was sicher auch jeder kennt hier) Kontrollzwang: Es ist wohl nicht schlimm, wenn jemand nochmal genau nachschaut ob der Herd aus ist, bevor er das Haus verlässt. Wenns nun aber soweit geht, dass jemand so oft nachschauen muss, dass er es nicht mehr rechtzeitig zu Arbeit schafft, oder sogar es überhaupt nicht mehr schafft das Haus zu verlassen, dann ist es wohl was anderes. Und diese Leute kommen (wie auch sehr viele psychiatrisch Kranke) absolut freiwillig zur Behandlung, eben weil sie im Leben nichts mehr auf die Reihe bekommen, vor lauter Zwangshandlung.

Übrigens sei noch angemerkt: Die wenigstens Patienten in der Psychiatire werden "zwangseingewiesen". Es ist lange nicht (mehr) alles so, wie es in Spielfilmen ("Einer flog über das Kuckucksnest") gerne dargestellt wird.

Man sieht hier also wieder ganz deutlich, dass alles 2 Seiten hat.

LG
Alpha
 
Jetzt muss ich mich doch einmal einschalten.

In Deutschland wird Haloperidol durchaus auch bei Papageien verschrieben.

Ich bin mit dem Medikament in Zusammenhang mit meiner schwer verhaltensgestörten GB-Henne (s. Nikita-Thread im Araforum) in Berührung gekommen.

Da mein Vater Psychiater und Neurologe ist, habe ich das Thema auch mit ihm eingehend besprochen, bevor ich die Entscheidung fällte diese Therapie bei Nikita durchzuführen.

Richtig ist, dass man in dem Tier damit nicht die Ursachen bekämpft. Aber wenn man bei einm Tier alle Ursachen einer Verhaltensstörung beseitigt hat, muss sich das Verhalten nicht unbedingt ändern, da es bereits zur Gewohnheit wurde. Dies ist bei Papageien aus zweiter Hand leider oft der Fall.

In solchen Fällen kann Haloperidol sehr wirksam sein, um den Verhaltenskreislauf zu durchbrechen.


Bzgl. Graestone:

In den USA wie auch in D gibt es sehr unterschiedliche Haltungs und Zuchtformen, die von den jeweiligen Anhängern mehr oder minder militant verteidigt werden. Ich utmmele mich in etwa so viel in amerikanischen Mailing Listen wie hier im VF und kenne durchaus die unterschiedlichen Meinungen.

Schade dass Graestone hier offensichtlich nicht mehr reinschaut, sonst könnte ich ihm solche Listen, Halter und Züchter nennen, bei denen die Tiere verpaart werden, fliegen dürfen und nicht mehr mit der Hand aufgezogen werden.

LG,

Ann.
 
Hallo Ann,

> Da mein Vater Psychiater und Neurologe ist, habe ich das Thema auch mit ihm eingehend besprochen, bevor ich die Entscheidung fällte diese Therapie bei Nikita durchzuführen.

Weisst du vielleicht auch, wie die Zulassung von Medikamenten für Tiere geregelt ist? Darf man für Tiere (die nicht zum Verzehr produziert werden) pauschal alle Medikamente einsetzen, die für Menschen gedacht sind, oder gibt es da eine 'Zulassungsliste'?

> wenn man bei einm Tier alle Ursachen einer Verhaltensstörung beseitigt hat, muss sich das Verhalten nicht unbedingt ändern, da es bereits zur Gewohnheit wurde. Dies ist bei Papageien aus zweiter Hand leider oft der Fall.

Ohne Zweifel.

> In solchen Fällen kann Haloperidol sehr wirksam sein, um den Verhaltenskreislauf zu durchbrechen.

Sicher. Aber... die Wirkung von Psychopharmaka läßt sich nicht nur am Verhalten ablesen - sondern am Gefühlsleben des Patienten. Das kann ein Tier, im Gegensatz um Menschen, nunmal nicht äußern.

Insofern finde ich begeisterte Berichte aus den USA von Haldol-Medikationen ('behaves like a _normal_ parrot!!!') nichtssagend. Wenn sich ein Patient unter Psychopharmakla nicht mehr umbringen möchte, heisst das nicht, dass er das Leben mit Psychopharmaka lebenswerter findet als ohne. Ein Papagei kann dir halt nur nicht sagen "he, das will ich nicht. Ich fühle mich besser, wenn ich krankhaft schreie und mich kahl rupfe!".

Sinnvoll wären Psychopharmaka bei Tieren für mich allenfalls, wenn ein Tier damit kurz-/mittelfristig behandelt wird, während der Behandlung mit der Selbstverstümmelung aufhört, und nach Ende der Behandlung damit auch nicht wieder anfängt.

Die Erfahrung bei Menschen zeigt aber leider, dass diese 'Therapie' oft zu einer Dauermedikation führt, weil sie den Patienten so leicht und praktisch handhabbar macht. Oder anders gesagt: diese Behandlung nützt oft nicht dem Patienten, sondern dem Pflegepersonal, das dann weniger Stress und Arbeit hat :-/

Viele Grüße, Stefan
 
Hallo Stefan!

Du wirfst ein paar sehr gute Punkte auf.

Weisst du vielleicht auch, wie die Zulassung von Medikamenten für Tiere geregelt ist? Darf man für Tiere (die nicht zum Verzehr produziert werden) pauschal alle Medikamente einsetzen, die für Menschen gedacht sind, oder gibt es da eine 'Zulassungsliste'?

Da bin ich mir nicht ganz sicher, aber es erscheint mir, von dem was ich weiss ein wenig gemischt zu sein.

Schlachttiere natürlich ausgenommen, denn das wird i.d.T. strenger gehandhabt.

Zum einen gibt es wenige papageien-spezifische Medikamente, da die Tiere zum einen zu teuer sind für Studien mit eier statistisch relevanten ANzahl von TIeren und zum anderen, es nicht genug "kunden" gibt, die der Pharmaindustrie diese Ausgabe schmackhaft machen könnte.

So sind denn auch viele Medikamente, die man gängig für Papageien einsetzt laut Angaben auf der Packung eher für andere Tiere zugelassen. Ich würde also mutmassen, dass eine Zulassung für Tiere, im Grunde genommen dann für alle Tiere gilt.

Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass Arzneimittel für Tiere einer Zulassung bedürfen, da esin den USA Mittel und Impfstoffe für Papageien gibt, die auf dem deutschen Markt nicht zugelassen sind.

zB Polyoma-Impfstoff. Denn könnte ich in USA besorgen, müsste ihn dann aber nach Deutschland schmuggeln. Würde meine TA meine Tiere damit impfen und sie würde erwischt werden, dann könnte sie ihre Lizenz verlieren. In dem Fall weiss ich es ganz genau, da ich dies mal gründlichst recherchiert hatte.

Ich mutmasse, dass Polyoma-Impfstoff in Deutschland in keiner Form zugelassen ist und es deswegen nicht geht.

Denn, und hier kommen wir zu den Humanpräparaten, Arzneimittel, die für Menschen zugelassen sind, aber nicht für Tiere werden oft für Papageien angewandt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass so viele TAs riskieren sich strafbar zu machen, also müsste es zulässig sein.

Fazit: man kann Arzneimittel für Papageien verwenden so lange sie in irgendeiner Form in D zugelassen sind.

DIES IST JEDOCH MUTMASSUNG MEINERSEITS! Falls jemand hierzu genaueres weiss, würde mich das sehr interessieren.

In diesem Zusammenhang, ich finde dies greift ineinander, wie wenig TIere medizinisch geschützt sind, möchte ich kurz die Tierheilkunde erwähnen. Diese ist in D überhaupt nicht geschützt. Bei der Naturheilkunde für Menschen, muss man eine staatliche Prüfung ablegen.

Bei Tieren ist das nicht nötig. Jeder Hinz- und Kunz darf sich ein Schild an die Wand nageln, dass er oder sie Tierheilpraktiker ist. Dass dies der Qualität des Berufs nicht zuträglich ist, kann man sich denken. Deshalb begegnen einem immer wieder "Tierheilpraktiker", die eigentlich nur Quacksalber genannt werden können.

Also ist äusserste Vorsicht geboten.

>Sicher. Aber... die Wirkung von Psychopharmaka läßt sich nicht nur am Verhalten ablesen - sondern am Gefühlsleben des Patienten.

Das sich aber in aller Regel im Verhalten äussert. Man muss halt den Patienten, ob Mensch oder Tier sehr genau beobachten. Denn auch menschliche Patienten können oder wollen nicht immer reden.

>Insofern finde ich begeisterte Berichte aus den USA von Haldol-Medikationen ('behaves like a _normal_ parrot!!!') nichtssagend.

So eine Aussage finde ich auch erschreckend. Denn ein Vogel auf Haldol benimmt sich nicht "like a normal parrot". Aber das sind oft Berichte von Haltern, die zu unwissend, oder zu faul sind, sich vernünftig mit der Problematik auseinander zu setzen.

Wenn Du auf manche US Mailinglisten gehst, kannst Du sehen, dass die Halter, und Profis dort sich durchaus differenzierter mit der Materie auseinander setzen.

Im übrigen, ist das kein US-Phänomen. Die Anfragen, die ich manchmal bekomme, zeigen sehr stark, dass auch in D Halter die schnelle, mühelose Lösung suchen und empört sind, wenn man ihnen diese nicht aufzeigen kann oder möchte.

>Wenn sich ein Patient unter Psychopharmakla nicht mehr umbringen möchte, heisst das nicht, dass er das Leben mit Psychopharmaka lebenswerter findet als ohne.

Natürlich nicht. Aber in solchen Fällen, muss man erstmal die gröbste Gefahr beseitigen, ehe man mit der oft langwierigen und nicht unbedingt vom Erfolg gekrönten Therapie beginnen kann.

Wenn jemand einen offenen Bruch hat, versuche ich zuerst eine extreme Blutung zu stillen, damit er überlebt, ehe ich das Bein richte.

Ein Papagei kann dir halt nur nicht sagen "he, das will ich nicht. Ich fühle mich besser, wenn ich krankhaft schreie und mich kahl rupfe!".

Leider kann man in ihre Köpfe nicht reinschauen. Deshalb kann man nur alles richten so gut man es weiss. Und wenn man nicht mehr weiter weiss, ist es durchaus einen Versuch wert. Gerade bei Rupfern tappt man oft im Dunkeln. Dieses Thema könnte man stunden- und tagelang erörtern.

Psychopharmaka statt gründlicher Diagnose (Rupfen kann unzählige Ursachen haben), Therapie und Optimierung der Haltungsbedingungen sind abzulehnen. Aber in Zusammenhang mit diesen Punkten können sie eine durchaus geeignete Massnahme innerhalb des Gesamtkonzeptes sein.

Sinnvoll wären Psychopharmaka bei Tieren für mich allenfalls, wenn ein Tier damit kurz-/mittelfristig behandelt wird, während der Behandlung mit der Selbstverstümmelung aufhört, und nach Ende der Behandlung damit auch nicht wieder anfängt.

Rhetorische Frage: und wenn Du alles getan hättest, und das Tier hört mit der Selbstverstümmelung nicht auf? Was würdest Du dann machen? Tatsächlich das Haldol absetzen und das Tier sich selbst verstümmeln lassen? Oder es euthanasieren?

Ich weiss nicht, ob ich das könnte, und ich bin mir auch gar nicht sicher, ob es das Richtige wäre.

Als Nikita auf Haldol war hat sie zum ersten Mal ihre unsägliche Angst/Verkrampfung/Nervosität gelöst. Das Tier, das nur durch intensives Training dazu gebracht werden konnte sich überhaupt zu bewegen, einen Ast hinunterzulaufen, oder irgend etwas anderes als sich selbst zu zerfleddern, ging auf einmal auf Erkundungstour durch die Wohnung.

Sie war ausgiebig gegen alles getestet worden, hatte einen Partner bekommen und Platz, und bekam ihre Flügel nicht mehr gestutzt. Wir wussten nicht mehr weiter, so haben wir es gemacht und es hat geholfen.

Später, nach ihrem Tod bei der Obduktion, erfuhren wir, dass sie an einer sehr seltenen Krankheit litt und ihr Lungengewebe sich auflöste. Dadurch versagten die anderen Organe. Aber dies ist eine Krankheit, die am lebenden Vogel nicht diagnostiziert werden kann. Hätte man dies gewusst, hätte man sie vielleicht eingeschläfert. Ich weiss es nicht.

Aber mit dem Wissen, das ich zu dem Zeitpunkt hatte – würde ich es vermutlich in so einem Fall wieder tun. Es hat ihr geholfen und hat sie wieder am Leben teilnehmen lassen, auch wenn es nur für einen kurzen Zeitraum war.

Oder anders gesagt: diese Behandlung nützt oft nicht dem Patienten, sondern dem Pflegepersonal, das dann weniger Stress und Arbeit hat :-/

Jain. Es gibt genug Patienten, die nicht in geschlossenen Anstalten leben und trotzdem Psychopharmaka nehmen. Freiwillig. Man sollte bei so etwas nicht pauschal über andere urteilen. Ja natürlich gibt es die Möglichkeit des Missbrauchs, oder einfach der Unterlassung. Man schaue sich nur die unzähligen Kinder an, die derzeit mit ADS diagnostiziert und medikamentös behandelt werden. Für mich ist dies in dieser Menge eine suspekte Diagnose.

Aber oft ist es auch so, dass der Patient sich dem Schmerz einfach nicht stellen kann. Er benötigt etwas zur Überbrückung damit er anschliessend scheibchenweise, seine Therapie durchführen kann. Und dann gibt es natürlich auch die organisch bedingten Krankheiten, die nur durch eine Therapie überhaupt nicht in den Griff bekommen werden könne.

Sagst Du einer Frau, deren zwei Geschwister sich bereits umgebracht haben, dass sie ihre Depression selbst in den Griff bekommen soll, und dass es Faulheit sei Psychopharmaka zu nehmen?

In der Psychiatrie gibt es solche Abgründe des Leidens, dass ich es vermessen finde zu urteilen und auch zu generalisieren. Um wirklich helfen zu können musst Du jedes Individuum als Einzelfall sehen und behandeln. Es ist doch auch bei „normalen“ Menschen nicht anders. Jeder hat unterschiedliche Schmerz- und Leidensgrenzen. Was der eine noch locker wegsteckt, bringt jemand anderen an den Rand eines Zusammenbruchs.

Und wenn ich so jemandem mit Hilfsmitteln helfen kann dies zu überstehen (sei es Prozac, oder mildere Mittel, wobei ich hier durchaus Bachblüten, Johanniskraut, Baldrian und Co mit dazu zählen würde), dann sehe ich darin nichts Verwerfliches.

Oh je dies ist jetzt furchtbar lang geworden, aber es ist m.E. ein wichtiges und leider viel zu oft falsch verstandenes Thema.

LG,

Ann.
 
Hallo,

ich habe ja oben meiner Verärgerung nur sehr sachte Luft gemacht; die ersten Gedanken gingen auch schon stark in die Richtung von Stefans erster Entrüstung.

Wenn für einen Papagei die einzige Trennwand zwischen Leben und Tod in einem medikamentösen Knockout besteht, würde ich es machen. Stichwort: extrem komplizierte Brüche, vielleicht auch Mutilation. In diesem Fall würden Drogen eingesetzt werden, um Zeit zu gewinnen, und mehr nicht. Aber die Gleichung Rupfer, keine organischen Ursachen = medikamentös ruhigstellen lehne ich ab. Es wird nicht nur mit Kanonen auf Spatzen geschossen, sondern m.E. wirklich nur ein Symptom bekämpft.

Ich bin mir einigermaßen sicher, daß bei organisch gesunden Rupfen kaum eine einfache oder einzige Ursache zu finden sein wird, sondern immer mehrere Faktoren zusammenspielen. Es gibt zudem genug Beispiele von z.B. einzeln gehaltenen Papageien, bei denen Verhaltensstörungen erst nach der Vergesellschaftung auftraten. Oder von vergesellschafteten, die mit dem Rupfen aufhörten und nach einigen Wochen/Monaten/Jahren ohne ersichtliche Ursache wieder damit angefangen haben.

Entsprechend fürchte ich auch, daß es z.B. für Rupfer keine Patentlösung geben wird, und stehe vor jedem neuen Fall ziemlich ratlos. Dennoch: wenn ein Vogel "nur" rupft, lehne ich die Gabe von Haldol oder ähnlichen Medikamenten nicht nur aus medizinischen Gründen ab. Es ist eine ethische Frage.
 
Hallo Ann,

> Ich würde also mutmassen, dass eine Zulassung für Tiere, im Grunde genommen dann für alle Tiere gilt.

Ich werde bei Gelegenheit mal unsere Vogeltierärztin (die beste Vogeltierärztin der Welt ;-) fragen - die sollte das ja wissen.

> Das sich aber in aller Regel im Verhalten äussert.

Im Prinzip schon. Aber bei der Gabe von Psychopharmaka eben nicht immer :-/ Natürlich kann man einen Papagei mit Valium sedieren, damit er keine Angst mehr zeigt. Aber was im Kopf des Papageien vorgeht (was er von der Welt um sich rum noch mitkriegt), das ist eine andere Frage. Schon wer als Mensch mal dauerhaft starke Schmerzmittel oder Tranquilizer nehmen musste, kennt das. Äußerlich 'normal', wenn auch ein bischen 'langsamer' als vorher... aber seelisch 'kastriert'', weil völlig gefühllos :-(

> Die Anfragen, die ich manchmal bekomme, zeigen sehr stark, dass auch in D Halter die schnelle, mühelose Lösung suchen und empört sind, wenn man ihnen diese nicht aufzeigen kann oder möchte.

Ich frage mich dann immer, warum sich solche Leute nicht lieber ein Stofftier zulegen. Das verhält sich 'schnell und mühelos' genau so, wie Mensch es gerne hätte...

> Rhetorische Frage: und wenn Du alles getan hättest, und das Tier hört mit der Selbstverstümmelung nicht auf? Was würdest Du dann machen?

Keine Ahnung, sowas musste ich zum Glück noch nicht entscheiden. Natürlich würde ich es auch am Verhalten festmachen - andere Indizien habe ich ja nicht. Ich würde aber wohl schauen, ob der Vogel nicht nur mit dem Rupfen aufhört, sondern auch, wie es um seine Lebensfreude - Neugier, Quasseln, Knabbern usw. - bestellt ist. Dafür muss man so ein Tier natürlich sehr gut kennen. Eine 'theoretische' Antwort weiss ich darauf aber wirklich nicht.

> Jain. Es gibt genug Patienten, die nicht in geschlossenen Anstalten leben und trotzdem Psychopharmaka nehmen. Freiwillig.

Ähem. In die 'Geschlossene' kommen sie oft auch erst, wenn sie sich der 'freiwilligen' Medikation verweigern. Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt...

> die unzähligen Kinder an, die derzeit mit ADS diagnostiziert und medikamentös behandelt werden. Für mich ist dies in dieser Menge eine suspekte Diagnose.

ADS ist IMHO keine suspekte, sondern eine frei erfundene Diagnose. Die Bedürfnisse von Kindern sind halt manchmal mit den Rahmenbedingungen ihres Umfeldes nicht 'kompatibel'. Die Frage ist, ob man in dem Fall wirklich die Kinder als 'krank' etikettieren sollte - oder ihnen doch lieber zu einem lebenswerten Umfeld verhelfen...

> Aber oft ist es auch so, dass der Patient sich dem Schmerz einfach nicht stellen kann.

Psychiater-Geschwätz (sorry)

> Sagst Du einer Frau, deren zwei Geschwister sich bereits umgebracht haben, dass sie ihre Depression selbst in den Griff bekommen soll, und dass es Faulheit sei Psychopharmaka zu nehmen?

Nein. Aber meine Frau ist auch kein Papagei. Sie kann selbst entscheiden, wie sie behandelt werden möchte. Der gerupfte Graue halt nicht.

Viele Grüße, Stefan
 
Hallo Alpha,

> Ich arbeite seit über 10 Jahren in einer (geschlossenen) psychiatrischen Akutstation. Glaube mir, ich weiss ebenso, wovon ich rede ;)

Gut. Dann weisst du ja auch, dass so eine Behandlung bei Patienten immer Spuren hinterläßt, und dass die manchmal in ihrer Kritik über's Ziel hinaus schiessen ;-) So wie ich hier. Ich bin aus Erfahrung bekennender Szasz-Anhänger, der die geschlossene Psychiatrie mit ihrer Zwangsbehandlung für Folter hält, die schlimmer als jeder Knast ist. Und der jedem Menschen das Recht auf 'Selbstgefährdung' zuspricht.

> In einem gebe ich dir Recht: Keiner kennt die genauen Ursachen einer Schizophrenie.

Nope. Niemand kann überhaupt sagen, was eine Schizophrenie eigentlich ist. Es gibt dafür schlichtweg - trotz 100 Jahren 'Forschung' - keine Diagnostik, die auch nur den geringsten Anforderungen an die medizinische Wissenschaft standhalten würde.

> Das ist im Übrigen nicht anders als bei endogenen (!) Depressionen.

'Endogene Depression' als Diagnose gibt es per definition (zum Glück) schon seit Jahren nicht mehr. Da hat sogar die WHO mit dem ICD mal was dazu gelernt. Bekommt ihr in eurer Klinik mangels Kohle auch keine Mitarbeiter-Fortbildungen bezahlt?

> Aber es wird (und zwar meist erfolgreich) mit Antidepressiva behandelt.

Das weiss ich. Ich bin deswegen seit vielen Jahren unter Dauermedikation - und habe es nur den Segnungen der psychopharmakologischen Forschung zu verdanken, dass ich die regelmäßig wiederkehrenden suizidalen Phasen bis jetzt immer irgendwie überlebt habe. Und das weiss ich schon zu schätzen. Aber Depris und Psychosen/Schizophrenie sind schon noch unterschiedliche Kategorien.

> Es gibt bestimmte "Leitsymptome", die ganz sicher nicht auf alle Menschen hier oder woanders zutreffen.

Die sind aber dehnbar wie Kautschuk. Das Rosenhan-Experiment könnte man auch heute jederzeit überall mit den gleichen schockierenden Ergebnissen durchführen. Fakt ist leider: Viele Psyschiater 'vom alten Schlag' diagnostizieren das, was sie schon seit 30 Jahren immer vorzugsweise diagnostiziert haben. Frag' mal deine Patienten in nicht geschlossenen Abteilungen, was ihnen so alles angedichtet wurde. Das wird eine ausgesprochen lustige Unterhaltung :-(

> habe ich wohl das Glück, in einer ganz außergewöhnlich guten Klinik mit ganz außergewöhnlich guten Ärzten zu arbeiten, welche sehr wohl eine Pschose von "keiner Psychose" unterscheiden können ;)

Dann hast du wirklich Glück! In der Praxis sind die Unterschiede extrem. Kommt z.B. darauf an, ob dein Stations-/Ober-/Chefarzt einer derjenigen ist, die seit 30 Jahren das gleiche verordnen, auf die Rente warten, keinen Plan haben und sogar zu faul sind, das monatliche Arznei-Telegramm zu lesen... oder ob du als Chef einen engagierten Mediziner hast, der seine Patienten nicht als (Stör)fälle, sondern als Menschen betrachtet.

Ich habe leider Oberärzte erlebt, die mich mit den Worten 'sie sind so nervös, sie rauchen so viel' mit dem Neuroleptikum Mellerin abfüllen wollten (nein, ich habe keine Psyschose). Und ausgesprochen sauer reagierten, als ich ihnen antwortete, das stimme zwar, aber ich würde ja zumindest noch deutlich weniger rauchen als der Herr Oberarzt selbst.

> Ich will nun nicht sagen, dass "Gewalt" an der Tagesordnung ist, es aber leider doch schon sehr viel häufiger zu tätlichen Auseinandersetzunten kommt. (Übrigens nicht nur "gegen" Ärzte und Pfleger, sehrwohl auch unter ob duden Patienten).

Nun ja. Wenn du in der Geschlossenen arbeitest, sind deine Erfahrungen ja nicht repräsentativ. Weil du nur den kleinen Prozentsatz an Patienten zu sehen bekommst, die da wegen Selbst- oder Fremdgefährdung hinkommen. Die allermeisten als Psychiotiker oder Schizos diagnostizierten Menschen leben allerdings frei unter uns, ohne jemals als gewalttätig aufzufallen.

Der durschnittliche 'Psycho' ist weniger auffällig als einer der zigtausend Menschen in D, die sich jeden Samstag zusaufen, dann randalieren und die Nacht in Polizeigewahrsam verbringen. Fragt sich nur, warum man diese weit verbreitete alkoholbedingte Gewalttätigkeit problemlos mit Mitteln des Strafrechts 'behandeln' kann - aber eine 'psychotisch' bedingte Gewalttätigkeit am Rechtsstaat vorbei durch 'Mediziner' 'behandeln' lassen muss.

Und nur am Rande: wer im Umfeld einer geschlossenen Station der Klapsmühle nicht gewalttätig wird, ist nicht mehr normal. Diese 'Therapie' schafft IMHO mitunter genau die Symptome, die sie zu therapieren behauptet. Sperr' einen Menschen ein und entmündige ihn vollständig.. und er wird binnen ein paar Monaten verrückt - dass er da verrückt wird, zeigt nur, dass er noch einen Rest an Lebenswillen in sich hat.

> Die wenigstens Patienten in der Psychiatire werden "zwangseingewiesen". Es ist lange nicht (mehr) alles so, wie es in Spielfilmen ("Einer flog über das Kuckucksnest") gerne dargestellt wird.

Stimmt. Eigentlich erstaunlich, wo es doch gar nicht so sehr lange her ist, dass der Nobelpreis für Medizin an den Erfinder der Lobotomie ging ;-) Heute wird ja auch nicht mehr zwangs'entmündigt', sondern zwangs'betreut'. Und die Zahl der Zwangsbetreuungen in Deutschland hat im letzten Jahrzehnt um satte 300% zugenommen :-(

Viele Grüße, Stefan
 
Nein. Aber meine Frau ist auch kein Papagei. Sie kann selbst entscheiden, wie sie behandelt werden möchte. Der gerupfte Graue halt nicht.

Aber wenn Du nichts tust ist das doch auch eine Entscheidung, die der Graue vielleicht oder vielleicht auch nicht so getroffen haben würde.

Psychiater-Geschwätz (sorry)

Dies habe ich von den Betroffenen selber, nicht vom Psychiater. (auch sorry ;) )

Vielleicht war es in Deiner Situation so, dass Du Dich völlig überrumpelt gefühlt hast, aber Du kannst nicht von Deinem Fall auf alle anderen Fälle schliessen.

Entsprechend fürchte ich auch, daß es z.B. für Rupfer keine Patentlösung geben wird, und stehe vor jedem neuen Fall ziemlich ratlos. Dennoch: wenn ein Vogel "nur" rupft, lehne ich die Gabe von Haldol oder ähnlichen Medikamenten nicht nur aus medizinischen Gründen ab.

Ja, da sind wir uns doch einig. Dennoch mag ich in diesem Zusammenhang pauschalierte Aussagen nicht. Denn es sind immer Einzelfälle mit einer ihnen eigenen Konstellation.

Mit Anekdoten sollte man nicht argumentieren, aber ich denke ich kann mit folgender Geschichte, das Pauschalierungs-Risiko verdeutlichen.

Vor einiger Zeit erfuhr ich von einem stark rupfenden Molukken. Dies Rupfen verstärkte sich zu einer AUtomutilation. Die Besitzerin liess "das geliebte Tier" (ihre Worte) einschläfern, da sie es nicht mehr ertragen konnte.

Leider habe ich zu spät davon erfahren.

Aber wenn man so einem Fall gegenüber steht, dann ist dies eben ein EInzelfall. Hätte die Besitzerin einen anderen Charakter, ein anderes Nervenkostum besessen, dann wäre die Geschichte nicht so tragisch ausgegangen. Dito wenn bei gleicher Besitzerin der TA ein anderer gewesen wäre.

Hätte man in einem solchen Fall ein Psychopharmaka geben sollen, um eine Ausweitung des Rupfens zur Automutilation zu verhindern? Hätte man es geben sollen um Zeit herauszuschinden, die Besitzerin zur Aufgabe des Tieres zu bewegen? (Hätte man es der Besitzerin, die ziemlich hysterisch war, geben sollen, um sie ruhig zu stellen?)
Hätte man damit das Leben des Tieres retten können?

Ist ein Leben auf Psychopharmaka weniger erstrebenswert, als der Tod durch Euthanasie (falls die Besitzerin das Tier nicht rausrücken wollte)?

Ich weiss die Antwort auf solch quälende Fragen auch nicht. Aber ich weiss, wenn ich mich zu sehr an Prinzipien festhänge, vermeide ich es u.U. mir diese Fragen überhaupt zu stellen.

Und sie sollen und müssen m.E. gestellt werden.

LG,

Ann.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hallo Ann,

> Aber wenn Du nichts tust ist das doch auch eine Entscheidung, die der Graue vielleicht oder vielleicht auch nicht so getroffen haben würde.

Ich weiss es auch nicht. Wie du schon schriebst, ist das immer eine Einzelfallentscheidung. Bei Mensch wie Tier - nur dass einem ein Tier halt nicht direkt sagen kann, wie es sich fühlt.

Mir geht nur der Trend (und wenn ich beim googlen nach haloperidol und parrot über 100 hits bekomme, kann ich so einen Trend zumindest in den USA schon ausmachen) gegen den Strich, Tiere mit Psychopharmaka 'gefügig' zu machen. Und leider sinkt die 'Hemmschwelle' des Einsatzes solcher Mittel mit deren zunehmender Verbreitung.

> Dies habe ich von den Betroffenen selber, nicht vom Psychiater.

Anfänger ;-) Unterhalte dich mal mit Psychiatrie-'Karrieristen', die nach ein paar Jahren von Psychiatern als 'therapierefraktär' zu den Akten gelegt wurden. Die haben da aus Erfahrung eine realistischere Einschätzung.

> Vielleicht war es in Deiner Situation so, dass Du Dich völlig überrumpelt gefühlt hast

Nein. Ich kenne Suizidalität seit 25 Jahren. Mein selbst mit psychiatrischen Mitteln nicht behebbarer Defekt ist, dass ich mir bisher trotz aller praktischen Lebensunfähigkeit immer noch mit Mühe einen Rest an Persönlichkeit und Kampfgeist bewahrt habe. Und deswegen in der Psychiatrie nicht 'behandelt', sondern kurzerhand rausgeschmissen werde - weil ich es einmal zu oft gewagt habe, mich gegenüber der 'freiwilligen' Therapie kritisch zu äußern. Seltsamerweise ist in solchen Fällen für die Behandler plötzlich nicht mehr das Wohl der Patienten wichtig - sondern nur noch die Frage, wie man einen unbequemen 'Querulanten' am schnellsten los wird. Vogel, friss oder stirb...

Viele Grüße, Stefan
 
Hi Stefan,
also vorab: Tieren würd auch keine Psychopharmaka geben -- schon alleine deshalb, weil sie leider nicht sagen können, wie es Ihnen geht. Und diese Mittel sind doch immer nur ein try-and-error. Kein Mensch (auch kein Arzt) weiß, wie sie beim nächsten Patienten wirken, das habe ich selbst am eigenen leib erfahren ... und wie mit der Wirkung so auch mit den (zum Teil schrecklichen) Nebenwirkungen.

Ich nehme Solian (atypisches Neuroleptika) aus dem gleichen Grund, wie Du Deine Medikamte: Ohne lebt sichs für mich leider schlecht (oder gar nicht). Das Gequatsche von zehn verschiedene Radios (Stimmen) in meinem Kopf kann einem ganz schön fertig machen. Also nicht für die Ärzte und die Psychatrie, sondern mir zuliebe.Ich war jedanfalls froh, dass das jemand schnell abstellen konnte.

Grüße,
Irina
 
ach so, Nachtrag:

Finde aber, es ist unverantwortlich Neuroleptika als Beruhhigungsmittel oder gar zum "Ruhigstellen" zu benutzen. Das gilt für Menschen und natürlich auch für Vögel. Schon mal was von einem Vogel mit Wahnvorstellungen gehört?

Irina
 
Hallo Irina

Dir danke ich sehr, dass du deinen "kleinen Erfahrungsbericht" geschrieben hast ;)
Denn eins muss ich schon sagen: Wäre wirklich alles so "negativ" wie es Stefan empfindet, wäre mein Job für mich eigentlich unerträglich (dies nur mal aus meiner Perspektive betrachtet).
Ich war schon gestern drauf und dran nochmals einen langen Bericht hier zu tippen, mit "Fallbeispielen", wie es vielen Menschen ohne Medikamente geht... du bist mir zuvor gekommen.
Und deinem Nachtrag kann ich ebenso nur zustimmen. Denn ich denke, man kann "Symptombekämpfung" nur dann betreiben, wenn auch (in diesem Falle eben psychotische) Symptome vorhanden sind. Und wer will das bitte bei einem Tier sagen können!!?

Für deine Gesundheit wünsch ich dir (Stefan natürlich auch) alles Gute.

LG
Alpha
 
Hallo alpha,

> Denn eins muss ich schon sagen: Wäre wirklich alles so "negativ" wie es Stefan empfindet, wäre mein Job für mich eigentlich unerträglich (dies nur mal aus meiner Perspektive betrachtet).

Da hast du mich missverstanden. Ich bin ein Verfechter der Psychopharmakologie, der bei schweren psychischen Erkrankungen die meisten nichtmedikamentösen Therapien für Zeit- und Geldverschwendung hält. Aber ebenso ein Gegner von Zwang, Entwürdigung, Entmündigung und Missachtung des freien Willens. Und das ist in der stationären Psyichatrie immer noch gängige Praxis. Dazu braucht es keine Zwangseinweisung.

Ich habe auch nichts gegen das Pflegepersonal in der Klapsmühle. Die meisten Leute dort sind gutwillig und engagiert. Aber sie sind in der Hierarchie eben nur die unterste Kategorie, die auf Anweisung handeln muss. Du bist 8 Stunden am Tag mit den Patienten zusammen, und du hast in 9 von 10 Fragen mehr Wissen und Erfahrung als dein Vorgesetzter. Aber die Entscheidungen trifft halt ein Oberarzt, der seine Patienten 10 Minuten pro Woche sieht. Und du bist nur sein Erfüllungsgehilfe.

> Ich war schon gestern drauf und dran nochmals einen langen Bericht hier zu tippen, mit "Fallbeispielen", wie es vielen Menschen ohne Medikamente geht

Brauchst du nicht. Ich kenne solche Beispiele zur Genüge.

Viele Grüße, Stefan
 
Thema: Offene tueren und Parrhaltung...

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