Strenger Frost in Nordeuropa- relevant für den Kranichzug im Frühjahr 2011!

Diskutiere Strenger Frost in Nordeuropa- relevant für den Kranichzug im Frühjahr 2011! im Forum Kraniche im Bereich Wildvögel - Moin, da ich mich als Nebenhobby mit der Meteorologie beschäftige, kann man das ganze äußerst gut mit dem Vogelzug ( hier Kranichzug) verbinden...
Moin,

Schwerpunkt heute: der Nordwesten und Westen Deutschlands. Bei Labilitätswerten von bis zu 2000 J/kg und einer hohen Menge ausfällbaren Wassers ist mit blitzintensiven Zellen zu rechnen, die enorme Regenmengen und Hagelschlag sowie Böen in Sturmstärke produzieren.
Vornehmlich werden die Zellen in den Nachmittags/ Abendstunden auftreten, auch in der Nacht fallen sie voraussichtlich nicht sofort in sich zusammen!
 
Moin,


auch heute gilt ähnliches.

Mitteleuropa befindet sich in einem Sumpf in nur geringen Luftdruckgegensätzen. Im Wesentlichen ist in der Bundesrepublik derzeit ein flaches Bodentief witterungsbestimmend. Es lässt sich als ein Gewittertief klassifizieren. Vorderseitig advehiert es subtropische Luftmassen nach Mitteleuropa, die wir durch Übersättigung der Luft mit Feuchte und damit Schwüle zu spüren bekommen.
Vorderseitig des Bodentiefs kommen wir in den Genuss von hohen Labilitätswerten ( ähnlich zu gestern) und mehreren Konvergenzen ( Gebiete, in denen Luftmassen zusammenströmen).
Dass das nicht ohne Entladungen vonstatten gehen kann, ist jedem ersichtlich.

Gegenwärtig befindet sich das flache Bodentief über dem Niederrhein und sorgt primär für orografisch bedingte Auslöse, noch. ( Orografische Auslöse: Gewitterzellen entstehen primär über dem Bergland). In den nächsten Stunden jedoch wird es auch im rheinischen Tiefland vermehrt zur Auslöse kommen- betrachtet man die gegebenen Bedingungen.
Infolge der schwachen Luftdruckkontraste ist auch der Höhenwind gering ausgeprägt, sodass sich diverse Zellen nur langsam fortbewegen- in ihrer Ausprägung aber unverhindert bleiben. Die Begleiterscheinungen können aufgrund der langsamen Zuggeschwindigkeit also wesentlich heftiger ausfallen als üblich- insbesondere durch enorme Regenmengen und Hagelschlag ( Grund sind hier die hohen Mengen an ausfällbarem Wasser in der Troposphäre.)

Es wird also primär in den kommenden Stunden zur Auslöse gekommen. Unwetterartige Erscheinungen sind insofern zu erwarten, als dass es zu Starkregen, mittelgroßem Hagel und ( schweren) Sturmböen kommen kann. Da es an der entsprechenden Windscherung mangelt- trotz der Tatsache dass die Labilität hoch anzusiedeln ist- werden tornadische Entwicklungen ausbleiben- mit Superzellen ist ebenfalls nicht zu rechnen, da die Windscherung wie gesagt vollkommen mangelt. Bei geringen Werten an Windscherung und hohen Labilitätswerten kann es primär in Talwindsystemen zur Genese von Superzellen kommen ( wie gesagt, bei geringer Windscherung!). Aktuell ist gar keine vorhanden.

Für den morgigen Tag deutet sich die Passage eines Frontensystemes an, die bereits in den frühen Morgenstunden Nordwestdeutschland erreicht. Die Luftmasse ist maritim ( nicht polar-maritim!) geprägt, sodass sie sich stabilisiert. Gewittererscheinungen sind im Nordwestteil Deutschlands ab dem morgigen Vormittag nicht zu erwarten. Unter Absinken kommt es eher zur Auflösung der Wolkenfelder- die subtropische Luftmasse entweicht nach Osten. Die entsprechende Dynamik hier liefert ein weiteres Bodentief, welches sich von Tschechien kommend nordwärts verlagert.
Hohe Labilitätswerte + Dynamik im Zuge des Bodentiefs.
Das sind " Grundnahrungsmittel" für einen MCS ( mesoskaliges konvektives System).
Ein MCS ist, worauf " system" bereits hindeutet ein Zusammenschluss aus mehreren Gewitterzellen, die sich zu einer vereint haben. Solche MCS haben eine Lebensdauer von mehreren Stunden und zerfallen auch nach Ende der solaren Einstrahlung ( in den Nachtstunden) nicht zwingend. MCS treten unabhängig von Fronten auf, das heißt, dass sie nicht frontalen Gewittern zuzuordnen sind.

Seit den vergangenen Modellläufen wird ein solches Exemplar über Ostdeutschland simuliert, welches sich im Zuge des Bodentiefs ebenfalls nordwärts fortbewegt. Jenes bodentief advehiert in 850 hPa- Basis ( 1500 m ü.NN) eine Luftmasse, die in dieser Höhe noch 17 °C erreicht- das ist gewaltig.
Da sich das besagte Bodentief auf dem Weg nach Norden vertieft und die Druckgradienten ( Luftdruckunterschiede) zunehmen, hat das eine enorme Windzunahme als Konsequenz, sodass im Zuge des Bodentiefs orkanartige Entwicklungen möglich sind- und das auch abseits des MCS!
Allerdings muss noch hinzugefügt werden, dass die Modelle auch in der Kurzfrist den Drall haben, die potenziell " gefährdeten" Gebiete mal um einige hundert Kilometer zu verschieben, gut, das ist übertrieben, aber 50 sind es bestimmt. Daher sollte man sich erst am morgigen Abend ein almähliches Bild machen und ggf. entsprechende Warnungen herausgeben.

Soweit zur aktuellen Gewitterlage im Zuge des Bodentiefs und zur anstehenden am Mittwoch für die östliche Mitte und den Osten Deutschlands- das Stichwort Leezyklogenese könnte am Mittwoch von Bedeutung sein. ( hiermit ist das Lee ( die trockene Seite) des Erzgebirges gemeint. Leezyklogenese= Entstehung eines zyklonalen Systemes ( Tiefdruckgebiet!) auf der Leeseite eines Gebirges, hier das Erzgebirge).

Grüße,
Accipiter nisus. Achja: Bei Fragen bitte fragen. :D

Vorschlag: Das soll nicht mehr als ein Vorschlag sein, aber vllt. lässt sich ja ein Unterforum bei den Kranichen einrichtigen oder sonstwo, da man den Vogelzug oder auch andere Bereiche der Meteorologie gut mit der Ornithologie verbinden kann und ich möchte eigentlich nicht gerne immer in den gleichen Thread schreiben, der seit Winter existiert. ;-) Aber wenn das nicht möglich sein sollte, schreibe ich auch gerne in diesem weiter.
 
So, es geht weiter. ;-)

In den Nordwesten unseres Landes ist eine merklich stabilere uns frischere Luftmasse eingeflossen- maritime Kaltluft wird advehiert. Das Produkt war heute am frühen Morgen ein durchaus intensives Regengebiet, das den Wechsel der Luftmassen begleitete. An meiner privaten Wetterstation fielen hierbei 16,5 mm- mehr als die Hälfte von der Summe, die im Mai zustandekam. Allerdings sind solche Mengen ein wesentliches Kennzeichen von Frontensystemen, insbesondere Kaltfronten. ;-)

Postfrontal kristallisiert sich nun mehr und mehr das Bild heraus, dass Hitze in den nächsten Tagen bzw Wochen nicht mehr zu erwarten ist. In den vergangenen Wochen war es bekanntlich so, dass die Antizyklone über Südeuropa immer den Drall hatte, einen Keil über Mitteleuropa auszubilden. Das gelang ihr und so kam der rekordverdächtige Frühling zustande und natürlich nicht zuletzt auch die Trockenheit, die Bände gesprochen hat.

Nun aber wird die Antizyklone daran gehindert, diesen Keil auszubilden- von atlantischen Tiefs im Westen. Sie advehieren eher maritime Luftmassen, die sich unter dem Einfluss der Junisonne aber noch auf frühsommerliche Werte erwärmen werden. In Konsequenz aus den Frontensystemen, die diese Tiefs mitbringen sind immer wieder konvektive Ereignisse zu erwarten- Gewitter sind nicht gemeint.

Da sich die Modelle in der Gegenüberstellung relativ einig in der Hinsicht sind, sind hochsommerliche Werte vorerst nicht zu erwarten, die Devise lautet: eher frühsommerlich und wechselhaft. ;-)
Demnach gehören auch Schwergewitterlagen vorerst der Vergangenheit an. ;-)
 
Lieber Wetterfreunbeobachter NISUS-

nun kam es also eeendlich, wie es kommen musste:
"WASSER MARSCH!"

Dem Himmel sei Dank!

Das Unwetter über Hamburg hatte interessante Varianten- während in einigen Gebieten nur etwas Regen zu verzeichnen war, gab es nur zwei Kilometer weiter Starkregen mit überfluteten Kellern- diese Diskrepanz der Wettervehältnise in Hamburg hat mich schon immer fasziniert.

Auf dem Weg zum Einkaufen habe ich vor ein paar Jahren erlebt, an einer großen Kreuzung auf "grün" wartend im totalen Guss zu stehen, während auf der anderen Straßenseite die Sonne schien- das war definitiv kein Traum!.

Dank für Deinen Einsatz und nochmal für die zauberhaften Bilder in der Q-Ecke

sagt barbara
 
Moin barbara,

ja, da hast du eindeutig Platzregen beobachtet, sodass hundert Meter weiter enorme Mengen und weitere hundert Meter weiter fast gar nichts zusammengekommen ist. Interessant in jedem Fall.

Nein, ich danke Euch für euer Interesse und euer Feedback! ;-)
Es freut mich, dass die Bilder euch gefallen.

So, und nun zur weiteren Entwicklung:

Die Tage hochsommerlicher Witterung über Mitteleuropa sind gezählt. Die Tendenz zur Bildung von Antizyklonen über Osteuropa besteht nicht mehr- und es war schon im April ersichtlich, dass sich diese immense Trockenheit ausgleichen müsse. Das tut sie nun Schritt für Schritt in den kommenden Tagen.
Mitteleuropa befindet sich unter dem Einfluss eines zyklonalen Systems über der Deutschen Bucht. Die Frontensysteme ( heute Nacht: die Okklusion) überquerte ( n) uns wie angesprochen in der vergangenen Nacht mit leichtem Landregen ostwärts. Hier fielen dabei insgesamt 1,9 mm- was nicht allzuviel ist, aber sowas ist charakteristisch für Okklusionen.

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Begriffserklärung Okklusion:

Wie wir wissen, verfügen Tiefdruckgebiete in der Westwindzone über Frontensysteme- Warmfronten und Kaltfronten. Da die Kaltfront der Warmfront folgt und erstere sich schneller fortbewegt, kommt es zu einer Vereinigung dieser Fronten. Die Okklusionsfront entsteht.

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In den heutigen Nachmittagsstunden macht sich eine Konvergenz bei uns bemerkbar, speziell im Westen und Nordwesten der Republik. Konvergenzen kennzeichnen den Bereich, in dem Luftmassen aufeinanderprallen ( lat. convergere: zusammenströmen, zusammenkommen). Postfrontal der Okklusion wird eine labile und kühlere maritime Luftmasse advehiert, sodass die Troposphäre leicht instabil wird. Die Folge ist: durchwachsene, konvektiv geprägte Witterung. Eben diese steht uns heute bevor- nach dem Durchzug dieser Schauerlinie aber sollte es in den Abendstunden verbreitet wieder aufklaren.

Was die darauffolgenden Tage betrifft: auch hier ist die Nordseezyklone wetterbestimmend- es ist und bleibt wechselhaft, aber angenehm- nicht allzukühl. Die Genese einer umfangreichen Antizyklone ist bisweilen nicht in Sicht.

Grüße in das Wochenende,
Accipiter nisus.
 
Moin,

die subtropische Luftmasse, die derzeit wieder eingeflossen ist wird bereits am morgigen Tag wieder entfernt. Dass das nicht ohne nennenswerte Ereignisse vonstatten gehen kann, dürfte jedem ersichtlich sein.

Kommen wir nun also ins Detail, was den morgigen Tag betrifft ( markante Gewitterlage in der Westhälfte ist wahrscheinlich!)

Mitteleuropa befindet sich im Wesentlichen zwischen einer atlantischen Zyklone und einer südeuropäischen antizyklonalen Brücke. Diese Brücke reicht an ihrem Nordende durchaus bis in den skandinavischen Raum. Hierbei kommt es an dessen Westflanke zur Entstehung einer südwestlichen bis südlichen Strömungskomponente, die unmittelbare Folge daraus ist Warmluftadvektion. Zwar ist diese advehierte Luftmasse durchaus labil, die Konvektion wird jedoch durch die Absinkbewegung im Bereich der Antizyklone unterbunden.
Es entstanden daher zwar einzelne konvektive Ereignisse ( primär Schauer!), die in ihrer Ausprägung aber verhältnismäßig missgebildet waren. Letzteres ist der mangelnden Konvektion geschuldet.

Das wird sich bereits in den morgigen Mittags/Nachmittagsstunden ändern, wenn ein sich vertiefender Trog ins Rampenlicht kommt. Dessen Frontensysteme ( insbesondere sind die Kaltfronten gemeint!) erreichen uns dann in den Vormittagsstunden. Insbesondere in den östlichen und mittleren Landesteilen kann es präfrontal noch solar einstrahlen, was die Ausprägung konvektiver Ereignisse begünstigt. Unsicher ist hierbei, ob es auch in den westlichen Landesteilen noch zur Einstrahlung kommt, da wir zumeist frontale Bewölkung vorliegen haben.
Allerdings ist genügend Dynamik vorhanden- auch wenn es an entsprechendem CAPE mangelt. Den finden wir in den mittleren und östlichen Landesteilen, hier wiederum mangelt es aber an Dynamik. Da letztere in Bezug auf Frontendurchgänge immer eine entscheidende Rolle für Schwergewitter spielt, stehen die Chancen in der Westhälfte definitiv besser- selbst wenn frontale Bewölkung vorhanden sein sollte.
Die wesentlichen Begleiterscheinungen dürften angesichts der hohen Dynamik schwere Sturmböen sein, eventuell auch Hagel mit mittlerer Korngröße. Infolge des hohen Wertes der niedertroposphärischen Windscherung sind tornadische Ereignisse nicht auszuschließen ( bezogen auf die Westhälfte).
Die geringste Wahrscheinlichkeit auf Schwergewitter liegt in Richtung Oder und Angeln vor.

Es gilt jedoch nachwievor, dass konvektive Ereignisse nur schwer vorherzusehen sind, da sie über eine gewisse Eigendynamik verfügen- d.h sie ziehen oft keine gerade Linie, sondern eiern blind durch die Gegend und entstehen dort, wo der beste Nährboden ( Labilität) gegeben ist- und letztere Bereiche sind nur schwer einzuschränken.

Grüße,
Accipiter nisus.
 
Danke, lieber NISUS-

auch, ohne Deine sehr lehrreiche Fachsprache, denk ich, ein wenig mehr Regen hier in Hamburg könnte nicht schaden...

Schwül genug ist es ja-

Gehst Du nun den Mond beobachten?
Ich hoff, dass Dir ein paar denkenswerte Bilder glücken mögen!

Deine Freundin barbara
 
Hallo barbara,

nee, leider konnte ich den Mond gestern nicht mehr beobachten, der wurde hier bei uns verdeckt. :-(

Aber vllt klappt es ja in einer paar Jahren wieder.

Besten Gruß,
Nisus.
 
Moin,

nach einwöchiger Pause:

Im Zuge eines Randtiefs bestimmt feuchtlabile Höhenkaltluft die Witterung in Norddeutschland- das heißt: es zieht vermehrt Konvektives von der niederländischen Nordseeküste in das niedersächsische Binnenland. Da die Gesamtströmung ab dem Wochenende auf eine südwestlichere Komponente dreht, wird eine subtropische Luftmasse advehiert, die uns zu Beginn der Woche mit großer Sicherheit verbreitet einen Hitzetag/Hitzetage bescheren wird- es ist die erste richtige Hitzewelle in diesem Jahr. Nach jetzigem Stand wird diese Luftmasse aber bereits zur Wochenmitte durch atlantische Luftmassen ersetzt, was mit Unwetterereignissen einhergehen wird.

Grüße,
Nisus.
 
Thema: Strenger Frost in Nordeuropa- relevant für den Kranichzug im Frühjahr 2011!

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