Hallo,
Graupapageien dürften tatsächlich (wie von Ingo schon beschrieben) hinsichtlich Nachahmungsfähigkeit und Anwendung der Nachahmungen eine von anderen Arten etwas "abgehobene" Stellung einnehmen. Meines Wissens sind ausschließlich bei Graupapageien akustische Nachahmungen auch im Freileben zweifelsfrei dokumentiert.
Konkret: Entsprechende Arbeiten von Cruickshank, Gautier & Chappus (1993) belegen, daß Graupapageien in Zaire, Gabun und Elfenbeinküste Lautäußerungen sehr vieler Spezies (aus der Familie Aves) und diejenigen von Epauletten-Flughunden nachahmen. Die Nachahmungen wurden auf Ton- und Bildträgern festgehalten.
U. a. nachgeahmte Arten:
Braunscheitel-Würger (Laniarius luhderi), Braunkehl-Lappenschnäpper (Platysteira cyaneae), Weißbürzel-Lappenschnäpper (Dyaphorophyia castanea), Ameisendrossel (Neocossyphus rufus), Blauflügel-Pirol (Oriolus brachyrhynchus), Einsiedler-Kuckuck (Cuculus solitarius), Borstenbartvogel (Gymnobucco peli), Schwarz-Kuckuck (Cuculus clamosus)
Über einen (möglichen) Sinn dieser Nachahmungen im Freileben ist derzeit nur zu spekulieren. Cruickshank et al. vermuten, daß die Nachahmungen vielleicht zu einem Vorteil bei der Partnerwahl führen könnten. Vögel mit einem größeren Repertoire an Lautäußerungen werden oft bei der Partnerwahl bevorzugt. Die akustische Nachahmung artfremder Vögel sorgt für eine Erweiterung des eigenen Lautrepertoires und könnte so eine Verbesserung der Chancen bei der Partnerwahl bewirken. Sehr spekulativ könnte man vielleicht noch die sog. "Beau-Geste-Hypothese" in Betracht ziehen. Diese Hypothese ist nach einem Westernhelden benannt, der völlig auf sich alleine gestellt gegen eine Überzahl an Feinden zu kämpfen hatte und trickreich Mitkämpfer vortäuschte, die in Wirklichkeit nicht vorhanden waren. Auf das Nachahmen verschiedener Vogelindividuen bezogen, könnte sich ein ähnlicher Effekt ergeben (u. a. Krebs, 1977).
Werkzeuggebrauch, Technisches Verständnis und lokale Traditionen gehören ebenso dazu wie der Gebrauch von imitierten Lauten zur Benennung von Situationen oder individuellen Artgenossen.
Zutreffend. Für den Graupapagei (Psittacus erithacus erithacus) ist Werkzeuggebrauch auch im Freileben dokumentiert. Es wurde häufig beobachtet, daß Holzstückchen zum Kratzen und zur Gefiederpflege genutzt werden (z. B. Janzen et al., 1976). Auch Haltungsbeobachtungen zum Werkzeuggebrauch liegen für den Graupapagei vor. So berichtet Smith von einem Graupapagei (Psittacus erithacus erithacus) der mittels einer Pfeife Wasser schöpfte (Smith, 1971). Boswall (1977) schildert die häufige Nutzung von Hohlkörpern beim Trinken und bei der Nahrungsaufnahme insbesondere bei verschiedenen Kakaduarten und bei Graupapageien. U. a. kamen hierbei Flaschendeckel, umgedrehte Glöckchen, Nußschalen etc. als Werkzeuge zum Einsatz.
Werkzeuggebrauch ist (wie ebenfalls von Ingo erwähnt – siehe hierzu auch die von ihm benannte Literatur) allerdings kein Alleinstellungsmerkmal bei Graupapageien. Hohenstein (1987) konnte Werkzeuggebrauch in Zusammenhang mit dem Öffnen von Nüssen der Acrocomia - Palme bei in
Volierenhaltung befindlichen Hyazintharas (Anodorhynchus hyacinthinus) nachweisen. Er berichtet: "Bei dieser Gelegenheit konnte ich bei verschiedenen Tieren gleichzeitig beobachten, wie sie, um die Nuß besser festhalten zu können, sich aus dem Sitzast einen flachen Holzspan herausschälten, der zwischen 4 und 8 cm lang war. Diesen Span haben sämtliche Tiere oberhalb der Nuß zwischen Nuß und Oberschnabel gelegt, um die Nuß dort besser fixieren zu können." Ähnliches Verhalten wurde durch weitere Beobachtungen und Arbeiten bestätigt (Borsari & Ottoni, 2005). Die Listung ließe sich fortsetzen.
Zu lokalen Traditionen (u. a.: verschiedene Dialekte): Für die Gelbnackenamazone (Amazona ochrocephala auropalliata) sowie für einige andere Amazonenarten konnte mittels Tonaufzeichnungen bei an verschiedenen Örtlichkeiten ansässigen Populationen die Herausbildung unterschiedlicher Dialekte nachgewiesen werden. Auf dem Grundmuster des arteigenen Lautrepertoires aufbauend entwickelten sich unabhängig voneinander Variationen von Lauten und Lautfolgen. Wright & Dorin (2001) haben mittels aufwändiger Playback-Experimente u. a. das Zusammentreffen von Gelbnackenamazonen mit nördlichem Dialekt mit Amazonen, welche einen anderen (südlichen Dialekt) nutzen, an unterschiedlichen Lokalitäten und in unterschiedlichen Zusammenhängen, dokumentiert.
Frage an Ingo: Sind Arbeiten zur Dialektbildung bei Graupapageien verfügbar ?
Das Sprachverständnis dürfte dabei etwa so weit gehen wie unseres, wenn wir in einem fremden Land die nötigsten Floskeln richtig anwenden, ohne uns dabei im Detail bewusst zu sein, ob wir zB Hallo, Guten Tag, Schön, Sie zu sehen, Grüß Gott oder was auch immer genau sagen. Wir imitieren halt die lokal übliche Begrüßungsfloskel. Nicht anderes tun die Papageien.
Das sehe ich auch so.
Aber ihr Sprachverständnis kann sogar diese Ebene noch deutlich überschreiten:(...)
Was die Graupapageien betrifft: Bis zu einer bestimmten Grenze sicher zutreffend.
Zum Ausgangsposting:
Die von "Heidrun S." vorgenommene Interpretation der Nachahmungen ihres Grauen ist m. E., selbst unter Berücksichtigung der Graupapageien zweifelsfrei verfügbaren hohen Kognition, in vielerlei Hinsicht "überzogen" und geht weit über das hinaus, was Irene Pepperberg (bisher) an "Leistungsvermögen" feststellen konnte.
Ich habe Pitti mal gezeigt, daß, wenn man einen Sonnenblumenkern in einen Blumentopf steckt, dann immer gießt und in die Sonne stellt, ein Blümchen wächst. Pitti hat ganz genau zugehört und aufgepaßt und dann mit eigenen Worten nacherzählt: "...dusch, dusch, dusch..., ganz naß..., und dann kommt ein ganz feiner Blümchen an..."
Abgesehen von der – folgt man der Schilderung – eigenständigen Satzbildung mit "eigenen Worten" und dann auch noch unter Anwendung einer korrekten Syntax und eines grammatikalisch schlüssigen Aufbaus (Subjekt, Objekt, Prädikat) wäre das absolute Verständnis für einen nun wirklich sehr komplexen Vorgang, der sich zudem in verschiedenen zeitlichen Ebenen abspielt, Voraussetzung. Ein Verstehen der Auswirkungen einer in der Gegenwart vorgenommenen Handlung, die zusätzliche Nebenhandlungen (bewässern) und Einflüsse (Sonnenlicht) erfordert und dessen Ergebnis (keimen, wachsen) erst in der Zukunft sichtbar wird, ist (vorsichtig formuliert) mehr als unwahrscheinlich. Wenn dieses "Verstehen" seitens des Grauen dann zudem bereits aus der einfachen Schilderung (und nicht etwa aus mittel- oder unmittelbaren Beobachtungen, die auf Grund des zeitlich versetzten Prozesses in diesem Fall nicht möglich sind) hergeleitet würde, so hätten wir es tatsächlich bei aller Hochachtung für die kognitiven Fähigkeiten von Grauen mit einem wahren "Wundertier" zu tun, das Kombinationsleistungen vollbringt, die selbst Erstklässlern nur schwer zu vermitteln sind. Insoweit sind für mich die Einwendungen von "Chimera" absolut nachvollziehbar.
Boswall, J. (1977): Tool-using by birds and related behaviour, Avic. Mag. 83, 88 ff.
Cruickshank, A. J., J. P. Gautier & C. Chappus (1993): Vocal mimicry in wild African Grey Parrots Psittacus erithacus, Ibis 135
Hohenstein, K. F. (1987): Werkzeuggebrauch bei Papageien, Gefiederte Welt 12/1987
Janzen, M. J., D. H. Janzen & C. M. Pond (1976): Tool-using by the African Grey Parrot (Psittacus erithacus), Biotropica 8: 70
Krebs, J. R. (1977): The significance of song repertoires: the Beau Geste hypothesis, Anim. Behav. 25, 475 – 478
Smith, G. A. (1971): Tool using by birds, Avicult. Mag. 77, 47
Wright, T. F. & M. Dorin (2001): Pair duets in the yellow-naped amazon (Psittaciformes: Amazona auropalliata): responses to playbacks of different dialects. Ethology 107, 111- 124
Gruß
MMchen