@papugi:
Es ist mir klar, daß das Lesen meiner Beiträge für User/innen, deren Muttersprache nicht die deutsche ist, einigen Aufwand verursacht. Der Aufwand scheint ja schon für einige der deutschen Sprache mächtige User/innen beträchtlich zu sein. Es lag absolut nicht in meiner Absicht, Dich als "doof" darzustellen. Deine Fragen waren/sind an der Sache orientiert, nachvollziehbar und berechtigt.
@Andree Dincher:
Es ist schwierig bis unmöglich, auf komplexe Thematiken mit wenigen Worten einzugehen (bzw. entsprechende Fragestellungen mit wenigen Worten zu beantworten). Überspitztes Beispiel: Eine Userin schreibt "Meine Amazonen sind Dauerschreier". Mögliches Antwortposting. "Das ist nicht normal." Worin läge der Gewinn eines derartigen "Austauschs"?
@papugi@alle:
Wenn (wie hier geschildert) innerhalb einer Amazonengruppe Dauerschreien und Aggression bei gleichzeitiger Bewegungsarmut (Soziogramm?* Ist es tatsächlich so?) die dominierenden Verhaltenselemente darstellen und eine Besatzkonstanz nicht gegeben ist, so liegt (von allen anderen – möglichen – Faktoren abgesehen) die Vermutung sehr nahe, daß eine äußerst inhomogene Gruppenstruktur (haupt)ursächlich sein könnte.
Inhomogene Gruppenstrukturen können u. a. dadurch entstehen, daß (was bei "Auffangstationen" mit ständigen Zu- und Abgängen unvermeidlich ist - es existieren auch andere), in mehr oder minder kurzen Zeitabständen "Neuankömmlinge" hinzugesellt und Exemplare (aus) der bestehenden Gruppe entnommen werden. Wenn man aber darum weiß, daß bei Arten mit linearer Hierarchieausbildung (wie bei Amazonen unter Haltungsbedingungen zu beobachten) häufige Wechsel der Gruppenzusammensetzung ständige Um- und Neuorientierungen bedingen, welche die im "Normalfall" (bei homogenen, "eingespielten" Gruppen) zu erwartenden Abläufe überlagern, muß eine Konsequenz (speziell, jedoch nicht nur für "Auffangstationen") darin bestehen, wechselnden Zusammenstellungen (und der Möglichkeit daraus resultierender Probleme) durch entsprechende Vorsorge "Rechnung zu tragen".
D. h.: Je nach gewünschter (bzw. leistbarer) Aufnahmekapazität ist insbesondere bei Zielvorgabe eines nicht dauerhaften Verbleibens der Tiere (respektive: eines relevanten Anteils von Tieren) dafür Sorge zu tragen, daß mindestens zwei (besser: mehrere) ausreichend dimensionierte Haltungssysteme (
Volieren) verfügbar sind.
Es ist generell (gattungs- und artunabhängig) geboten:
a)
Den Anforderungen der aus dem Freileben bekannten sozialen Organisation unter (Mit)Berücksichtigung abgesicherter "Haltungsbefunde" nachzukommen, indem man die Tiere in interaktionsfähigen Gruppen hält – wobei die "Gruppenfähigkeit" je nach Art variiert,
b)
tiergartenbiologische Erfahrungen zu nutzen und Voraussetzungen zu schaffen, die hinsichtlich Raumbemessung und Strukturierung den Bedürfnissen nach Bewegung, Erkundung, Rückzug, territorialem Verhalten sowie der Separation während Balz- und Brutzeiten genügen,
c)
Entwicklungen innerhalb einer Gruppierung sorgfältig zu beobachten und bei erkennbarer Notwendigkeit Umgruppierungen vorzunehmen.
Nochmals auf inhomogene Gruppenstrukturen bei Amazonen (unter "Verwendung" mehrer Beispiele) zurückkommend:
Es ist hinlänglich bekannt (und gut dokumentiert), daß junge (geschlechtsreife) Männchen innerhalb von Amazonengruppierungen vermehrt danach streben, ihre Gruppenposition (ihren Gruppenrang) unter Einsatz agonistischer ("kämpferischer") Verhaltensweisen zu verbessern, d. h. in der Rangfolge aufzusteigen. Weinhold: "Alte Männchen standen an der Spitze der Hierarchie. Junge Männchen kämpften mehr als ältere." (Weinhold, J. (1998 ): Analyse des Sozialverhaltens einer Gemeinschaft von Blaustirnamazonen Amazona aestiva (LINNE 1758 ) in
Volierenhaltung, in: Parrot Biology, Vol. 2, Jun. 1998, Arndt-Verlag, Bretten). Setzt man nun beispielsweise mehrere subadulte/adulte männliche Amazonen in eine Gruppe mit etablierter Rangfolge, sind andauernde Auseinandersetzungen garantiert. Von in der Gruppe befindlichen Exemplaren werden ständige Wachsamkeitsleistungen abgefordert, die beispielsweise u. a. das Komfort-, Ruhe- und Futterverhalten negativ beeinflussen (können). Ein "männlicher Überhang" sorgt in
Volierengruppen für ständige Unruhe. Deshalb meine (bisher unbeantwortete) Frage nach der Geschlechts- und Altersverteilung. Ein weiteres Beispiel dafür, wie sich selbst relativ geringfügige Veränderungen der Gruppenstruktur bei Amazonen auszuwirken in der Lage sind: "Unsere langfristigen Beobachtungen zum Gruppenverhalten einer Amazonengruppe (...), jeweils drei männliche sowie drei weibliche Exemplare, ließen eine von oben nach unten durchstrukturierte Rangordnung erkennen. Nachdem eine dominante männliche Amazone für etwa einen Monat wegen der Behandlung einer Beinverletzung von der Gruppe getrennt werden musste, nahm eine andere männliche Amazone die Stellung der ausgesonderten Amazone ein. Mehrere Wiedereingliederungsversuche der Amazone in die Gruppe scheiterten an der Heftigkeit der Attacken des jetzt ranghöchsten Vogels." (Munkes, V. & H. Schrooten (2008 ): Papageienverhalten verstehen, Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart). Problematisch kann auch der
Volierenbesatz mit (bzw. das Zugesellen von) zwei oder mehreren Amazonenpaaren in einen Gruppenverband werden, wie nicht nur die Erfahrungen an/in den Vereinsvolieren des IPF zeigen. Konstellation: 8 männliche, 6 weibliche Amazonen, davon vier feste Paare. "Beim Einsetzen in die
Voliere erwiesen sich die Amazonenpaare deutlich als dominant gegenüber den Einzelvögeln, drängten sie von den Sitzästen und besetzten die besten Sitzplätze (...) Nach einigen Stunden "beherrschte" ein Männchen den Unterstand und duldete dort nur sein Weibchen, während alle anderen Vögel verjagt wurden, sich gegen Abend teilweise am
Volierengitter festklammerten (...). (...) als der Versuch unternommen wurde, zwei weitere Blaustirnamazonen unbekannten Geschlechts aus Privathand auf Drängen ihrer Besitzer in die Gruppe zu integrieren. Dies erwies sich von vornherein als undurchführbar, weil die dominanten Männchen die Neuankömmlinge heftig attackierten und von den Futterplätzen abdrängten. Der Versuch wurde am zweiten Tag abgebrochen." Letzteres dufte ich in dem konkreten Fall selbst beobachten. (Lantermann, W. (1993): Beobachtungen zum Aggressionsverhalten männlicher Blaustirnamazonen Amazona aestiva unter
Volierenbedingungen, Bonner Zool. Beiträge 44, S. 57 – 62) Sind zudem evtl. in dieser oder jener Hinsicht physisch gehandicapte Amazonen in der Gruppe präsent, kann es leicht geschehen, daß diese Exemplare ganz besonders unter dem "Gruppendruck" zu leiden haben und sich die Omega-Position teilen. Ich könnte diesbezügliche Betrachtungen nun in`s Uferlose ausdehnen, denke aber, daß halbwegs verständlich wird, was ich mit der Wesentlichkeit einer homogenen Gruppenstruktur meine.
@papugi:
Selbstverständlich muß man die Dynamik von Entwicklungen in Gruppen auch auf der Zeitachse sehen; d. h. negative Entwicklungstendenzen können sich (unter Umständen) umkehren. Manchmal ist aber auch recht schnell ersichtlich: Es wird nicht funktionieren. Was kann (und sollte) man (nicht nur durch fundiert erstellte *Soziogramme) erfassen? Beispielsweise: Vorhandensein und Häufigkeit soziopositiver Beziehungen (z. B. gegenseitige Gefiederpflege, Sitzkontakte etc.) und sozionegativer Beziehungen (z. B. gegenseitiges Drohen, Hetzen etc.), Lokomotionsverhalten, Erkundungsverhalten – bei allen Verhaltenselementen jeweils Dauer und Häufigkeit etc. Ich habe Dir mal einen (wegen Speicherplatzbeschränkung der Anhänge eingekürzten) Entwurf eines Soziogramms (mit allerdings etwas anderer Zielsetzung) angehängt. Man kann derartige Erfassungen durch direkte Beobachtung, aber auch mittels Auswertung von Videoaufzeichnungen, welche den Vorteil besitzen, daß mögliche Einflüsse des Beobachtenden auf das Verhalten auszuschließen sind, tätigen.
@Ingo:
Besten Dank. Es ist eben wie es ist. Ansonsten: Deine Einschätzung ist zutreffend: Mein diplomatisches Geschick ist tatsächlich nicht sehr ausgeprägt - zumindest nicht bei manchen Themen
.
Anhang: Soziogramm
Gruß
Heidrun