Wenn Papageienvögel verwildern..

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Fabian75

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Quelle www.tierwelt.ch
Wenn Papageienvögel verwildern

Dutzende Arten von Papageienvögeln siedeln sich als Faunenfremdlinge in den südlichen USA an. Auch in Europa kommen einige verwilderte Krummschnäbel vor. Sie scheinen sich weit gehend auf menschgemachte Lebensräume in Siedlungsgebieten zu beschränken. Würden sie in die Natur abwandern, könnte es für bedrohte heimische Höhlenbrüter kritisch werden.

Der US-Bundesstaat Florida war einst Kerngebiet der Verbreitung des Karolinasittichs, der als klassischer nordamerikanischer Sittich noch während der Pionierzeiten in den östlichen USA lebte. Dieser hübsche, hellgrüne Sittich mit gelb-orangem Kopf war ausgesprochen gesellig, übernachtete in grossen Schwärmen auf Schlafbäumen und suchte stets im Schwarm nach Futter. Er stand sogar im Ruf, seinen verletzten Artgenossen zu Hilfe zu eilen, anstatt bei Beschuss das Weite zu suchen. So liessen sich ganze Sittichschwärme auf einen Schlag vernichten. Anfang des 20. Jahrhunderts fiel der als Agrarschädling verrufene Vogel endgültig den Flinten zum Opfer.
Seinen Platz haben in den südlichen USA inzwischen Dutzende anderer Arten eingenommen. Rund 75 Papageienvogelarten wurden allein in Florida in freier Wildbahn beobachtet, wobei gut 20 davon nachweislich in der Natur zur Brut schritten. Doch die Naturschützer des Sonnenstaats mögen sich über diese neu gewonnene Papageienvielfalt kaum freuen, denn die Nachfolger des ausgestorbenen Karolinasittichs sind Faunenfremdlinge - entwichene oder ausgesetzte Vögel, die mit menschlicher Hilfe von fremden Kontinenten her kommend aus ganz anderen Ökosystemen stammen.

Einige bleiben ...

Längst nicht alle kommen im neuen Lebensraum dauerhaft zurecht. Während einige Arten nach einer gewissen Zeit wieder verschwinden, breiten sich andere stärker als erwartet aus und können unter Umständen zu einer Gefahr für einheimische Arten werden. Wie es einer Art im «neuen» Ökosystem ergeht und was die ökologischen Folgen einer solchen Neuansiedlung sind, lässt sich dabei schwer voraussagen. Gegenwärtig steht in Florida der Mönchssittich unter besonderer Beobachtung, der mutmasslich zu mehreren tausend Exemplaren vorkommt und weiter zunimmt.
Der aus dem südlichen Südamerika stammende, grün-grau gezeichnete Mönchssittich baut grosse Gemeinschaftsnester aus Zweigen. Er ist nicht wie andere Papageien auf die allgemein raren Nisthöhlen angewiesen. Dadurch ist er gegenüber anderen Arten im Vorteil. In Florida sind seine grossen Nester auf Bäumen, an Gebäuden oder auf Elektromasten in manchen Siedlungsgebieten zu sehen. Die Standorte werden von Papageienfreunden allerdings gerne geheim gehalten, da man Kontrollmassnahmen besorgter Behörden oder die Plünderung für den Vogelhandel fürchtet. Wohl dank Futtergaben menschlicher Unterstützer hat sich eine Population des Mönchssittichs sogar weit nördlich im kalten Chicago halten können.

... andere verschwinden

Die weltweit am häufigsten entflogenen Käfigvögel sind sicher die Wellensittiche. Doch ausgerechnet dieser im Hausstand scheinbar so anspruchslose Vogel tut sich schwer damit, ausserhalb der australischen Heimat längerfristig zu überleben. Dabei waren verwilderte Wellensittiche im klimamilden Florida einst so häufig, dass Fachleute eine be-hördliche Überwachung ihrer Bestände empfahlen. In den späten 70er-Jahren, so wird geschätzt, bevölkerten über 20 000 Wellensittiche die Westküste Floridas am Golf von Mexiko. Teilweise wurden sie mit Absicht in grosser Zahl freigelassen, da sich die beliebten Vögel als Touristenattraktion erwiesen hatten. Die verwilderten Schwärme schienen sich weit gehend auf Siedlungsgebiete zu beschränken, wo sie von Futterstellen und Nistkästen profitierten.
Etwa ab Anfang der 80er-Jahre setzte ein deutlicher Rückgang ein. Zahl und Verbreitungsgebiet der Wellensittiche schrumpften stark, und Mitte der 90er-Jahre wurden nur noch kleinere, isolierte Kolonien vorgefunden. Heute sind gemäss dem amerikanischen Ornithologen Bill Pranty weniger als 50 Tiere übrig geblieben, und ein endgültiges Erlöschen des Bestandes scheint wahrscheinlich.
Da niemand die Wellensittichpopulation während der auffallenden Schwankungen studierte, bleiben die Gründe für den Rückgang unklar. Vielleicht haben einige extremeWinterfröste und möglicherweise Krankheitserreger zum Niedergang beigetragen. Vor allem aber die Konkurrenz um Nisthöhlen durch die ebenfalls eingeführten Haussperlinge und Stare wird als Hauptursache angesehen. Hausspatzen wurden öfters dabei beobachtet, wie sie Wellensittiche aus Brutkästen vertrieben und deren Gelege zerstörten. Ein reichliches Körnerangebot scheint für die Wellensittiche, die sich als Nomaden des australischen Binnenlandes weit gehend von Grassämereien ernähren, ebenfalls wichtig zu sein.

In Parks und Gärten

Interessanterweise beschränken sich praktisch alle verwilderten Papageienvögel in den USA zunächst auf naturferne, vom Menschen geprägte Siedlungsgebiete. In Gärten, Kleinstädten und Parks finden Amazonen, Edelsittiche, neotropische Keilschwanzsittiche (Aratingas) und andere selbst in denWüs-tenzonen Südkaliforniens genug Wasser. Dazu gibt es eine Fülle exotischer Gartenpflanzen mit Früchten, Beeren, Blüten oder Nüssen, die ein ganzjährig gutes Nahrungsangebot bilden. Nicht zuletzt finden die bunten, intelligenten Gefiederten viele menschliche Unterstützer, die ihnen zusätzlich Futter oder Nistkästen anbieten.
Auch in Europa beginnen etwa Halsbandsittiche, Mönchs- und Alexandersittiche ihr neu gewonnenes Freilandleben gerne in Parks, Vororten oder Stadtquartieren. Solange sich die Zahl der verwilderten Krummschnäbel in Grenzen hält und sie ihren Aufenthalt auf naturferne Siedlungsräume beschränken, haben Naturschützer und Landwirte relativ wenig zu befürchten. Doch das ist keineswegs so sicher. Wenn die Bedingungen für sie stimmen, können sich gewisse Arten stark vermehren und nach einiger Zeit über die Stadtgrenzen hinaus in naturnahere Lebensräume wandern. Die seit Jahrzehnten in Grossbritannien verwilderten Halsbandsittiche etwa haben sich massiv stärker vermehrt und weiter ausgebreitet als erwartet, wie Forschungen von Dr. Chris Butler an der Universität Oxford vor zwei Jahren zeigten.

Höhlenbrüter in Bedrängnis

Von weniger als 500 Halsbandsittichen im Jahr 1983 hat sich die Population auf gut 20 000 im Jahr 2004 vermehrt, wobei die Vögel den Grossraum London längst verlassen und sich gar bis ins nördliche Glasgow verbreitet haben. Gemäss Butlers Studie breiten sie sich auch in ländliche Gebiete aus, wo sie stellenweise Schäden in Obstplantagen oder anderen Kulturen anrichten. Und sie scheinen keine Mühe damit zu haben, in der Natur genügend Nahrung zu finden.
Ornithologen befürchten nun, dass die englischen Halsbandsittiche zu einer ernsten Konkurrenz für gefährdete heimische Höhlenbrüter werden. Seltene Arten wie der Steinkauz oder der Grünspecht kommen in Bedrängnis - dies umso mehr, als der Halsbandsittich früher im Jahr zur Brut schreitet und dabei die besten der ohnehin raren Bruthöhlen besetzt.

Aussetzen heute verboten ...

Angesichts der schwer vorhersehbaren Folgen ist das Ansiedeln standortfremder Tiere heute verboten. Das Aussetzen von Haustieren ist auch aus Tierschutzgründen untersagt. Gerade den sehr lernfähigen Papageien und Sittichen würde es bei einer mutwilligen Freisetzung an Erfahrungen fehlen, die ihnen helfen, in der Natur zu überleben. Die meisten dieser Vögel würden zu einer leichten Beute für Raubtiere, da sie zu langsam auf die Gefahr reagieren, oder sie wären mit der Nahrungssuche in freier Wildbahn überfordert.
Die Notwendigkeit einer intensiven Vorbereitung aufs Freilandleben dürfte mit ein Grund sein, warum selbst standortgerechte Auswilderungen von Papageien im ursprünglichen Lebensraum grössere Schwierigkeiten bereiten. Ein Wiederansiedlungsversuch des einst in Arizona verbreiteten Maronenstirnsittichs scheiterte in den 90er-Jahren: Ein Grossteil der ausgewilderten Tiere fiel Greifvögeln zum Opfer. Dabei wäre der auch in Mexiko vorkommende, heute bedrohte Sittich die einzige verbliebene Papageienart, die natürlicherweise auf US-Gebiet vorkäme.

... und früher häufig erfolglos

Im späten 19. Jahrhundert, also in der Frühzeit der Ziervogelzucht, waren gezielte Ansiedlungsversuche mit standortfremden Tieren noch überaus populär (das Bewusstsein für die damit verbundenen ökologischen Gefahren entwickelte sich erst viel später). In Europa versuchten Papageienfreunde unter anderem Graupapageien, Mönchssittiche und gar Karolinasittiche anzusiedeln, wobei so gut wie keiner dieser ungezählten frühen Versuche erfolgreich verlief. Opposition gegenüber Freiflugversuchen gab es stets von Gärtnern, Obstbaumbesitzern und Landwirten, die teils erhebliche Schäden beklagten.
Leider, so muss man heute fast sagen, bereitete auch den Karolinasittich-Freiflugversuchen des Freiherrn Hans von Berlepsch ein nicht informierter Zeitgenosse mit der Flinte ein Ende. Berlepsch war zur Überzeugung gelangt, dass sich der winterharte Karolinasittich für eine Ansiedlung in Europa eignen würde, konnte aber anscheinend niemanden zu weiteren Freisetzungsversuchen mit diesem Sittich motivieren. Dessen Preise schossen auf dem europäischen Vogelmarkt mit zunehmender Seltenheit des Tiers in die Höhe, wobei sich erstaunlicherweise auch niemand rechtzeitig um eine Erhaltungszucht bemühte. Der letzte Karolinasittich starb 1918 im Zoo von Cincinnati (USA).

Arche Noah für seltene Arten?

Es kommt hin und wieder vor, dass zu den allgemein verpönten tierischen Neubürgern seltene Arten gehören, die in ihrer Heimat bedroht sind. Da droht also ein Interessenkonflikt, besonders wenn im Naturschutz auf einer strengen Unterscheidung von «fremd» und «einheimisch» beharrt werden soll. Experten wie Prof. Ragnar Kinzelbach vom Institut für Biodiversitätsforschung der Universität Rostock plädieren jedoch für einen differenzierten Umgang mit den bereits anwesenden tierischen Neubürgern (ohne damit weitere derartige Experimente zu billigen). Nicht jede Art wirkt sich im neuen Lebensraum schädlich auf das Ökosystem oder auf heimische Arten aus. Statt Fremdlinge pauschal zu verurteilen, sollte man jeden Einzelfall für sich betrachten.
Ironischerweise zählen auch Papageienarten zu den unplanmässigen Neubürgern Nordamerikas, die in ihren Heimatländern wegen des Heimtierhandels stark bedroht sind. Die Grünwangenamazone (Amazona viridigenalis) und die Blaukappenamazone (Amazona finschi), beide im CITES-Anhang I aufgelistet, kommen heute in stattlichen Populationen in Kalifornien vor. «Wenn sie nicht unangenehm auffallen, sollte man sich darüber freuen», meint Professor Kinzelbach. Ob ihre verwilderten Populationen in Kalifornien für «Rückführungen» in die Heimat in Frage kämen, bleibt unklar. Ein Problem liegt darin, dass die beiden nahe verwandten Arten mit ziemlicher Sicherheit im Zufluchtsort Kalifornien bastardisieren.

Esther Wullschleger Schättin
Papageien in Europa?

Wegen des kalten Klimas siedeln sich entwichene Papageienvögel in Mitteleuropa selten an. Einzig der kältetolerante Halsbandsittich kommt heute verbreitet in mitteleuropäischen Städten vor, beispielsweise in Wiesbaden, Köln, Mannheim. Ohne Gegenmassnahmen könnte er sich in Mitteleuropa praktisch flächendeckend verbreiten. Ebenfalls ein Kandidat, der sich ausbreiten könnte, ist der Mönchssittich (Kolonien bestehen in Brüssel und Barcelona, grössere Bestände auf den Kanaren). Beide Arten sind in ihren Heimatländern als Agrar-schädlinge bekannt.
Tierwelt, Nr. 46, 2005
 
interessanter thread. ich habe auch mal von einer stabilen amazonen-population in stuttgart gehört, die ohne menschliche hilfe überleben soll.

in istanbul habe ich in den 90ern jeden morgen zur frühstückszeit in dem park gegenüber meiner wohnung freilebende amazonen gesehen.

und ein freund aus florida wollte nicht glauben, dass amazonen nicht ursprünglich in diesem bundesstaat vorkommen. so viele gibt es in seiner nachbarschaft. er hat sogar ein aus dem nest gefallenes küken einmal aufgepäppelt und dann wieder "ausgewildert".

lg stefan
 
hallo,

dieses phänomen gibts auch hier in deutschland. wer einmal in köln (v.a. auch kölner zoo) ist, sollte mal aufmerksam in die baumkronen schauen. dort sind einige halsbandsittiche unterwegs. soweit ich weis zieht sich diese große gruppe immer zum schlafen in die bäume eines altenheimes ( weis leider nicht welches) zurück.
 
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