Hallo Gruenergrisu!
Du hattest Recht, ich habe mich auf den Schlips getreten gefühlt. Denn ich hatte mit meinen Fragen ein ernsthaftes Interesse ausdrücken wollen, aber fühlte mich dabei nicht ernst genommen. Nun weiß ich aber so gut wie du, dass es manchmal schwierig ist, seine Absichten in die richtige Wortwahl zu fassen, daher kommen schnell Missverständnisse zustande, die sich auf eine weitere Kommunikation hemmend auswirken können. Dagegen bin ich selbst ebenso wenig gefeit wie jeder andere. Umso mehr weiß ich zu schätzen, dass du dich zu weiteren Erläuterungen entschlossen hast. Sie helfen mir, die für mich noch immer nicht ganz logische Angelegenheit "Züchtung und Zuchterlaubnis" ein bisschen besser zu verstehen.
Ich hoffe sehr für euch, dass der schreckliche Tod eures Freundes nicht alles überschatten möge. Für eine Aufmunterung fehlen mir leider die Worte; möget ihr bei euren Lieben so viel Trost finden, wie ihr braucht!
Ohne das Thema "Zuchtgenehmigung" jetzt ins Unendliche auswalzen zu wollen, nur noch von meiner Seite folgendes dazu: Kunis deutliche Worte zum Zustandekommen unserer heutigen Rechtslage haben mir das nötige Aha-Erlebnis gebracht. Die historische Entwicklung - erst Psittacose-Abwehr, später dann noch der Artenschutz dazu - erklärt, warum man zwei Dinge unter einen Hut gebracht hat, die für mich bisher zwei voneinander unabhängige Faktoren waren. Wenn ich also jetzt die Zusammenhänge zu verstehen gelernt habe, bleibt aber für mich nach wie vor der Eindruck bestehen, dass man alles nur in einen Topf geworfen hat und sich bemüht, das Beste aus einer unhomogenen Suppe zu machen.
Das Argument des Artenschutzes will mir nämlich in seiner Konsequenz noch immer nicht einleuchten, und zwar genau an jenem Punkt, den du angesprochen hast. Es geht um die Einteilung von extrem gefährdeten Amazonen-Arten wie den Bodinus-Amazonen, die - wie ich meine, zu Recht - unter Anhang A fallen. Sie sind, soviel ich weiß, selbst in Europa so selten, dass sich eine Bestandsbewahrung rechtfertigt. Und dass diese behördlich kontrolliert werden muss, versteht sich von selbst. Dafür müssen für den Verkauf solcher Amazonen ja Sondergenehmigungen erwirkt werden, die allerdings - machen wir uns nichts vor - nichts weiter sind als Formalitäten, weil sie nur dazu dienen, den Behörden anzuzeigen, von welcher Hand in die andere diese besonders geschützten Raritäten wandern. Man begnügt sich also mit der puren Verwaltung der zu schützenden Tiere, ohne aktiv dafür zu sorgen, dass sich deren Bestand erhöht.
Ich habe z.B. Gelbnacken-Amazonen. Wie du richtig sagtest, ist diese Art im vorigen Jahr von Anhang B auf Anhang A hochgestuft worden. Als ich meine Mia vor zwei Jahren kaufte, fiel sie noch unter Anhhang B, und mir war damals auch völlig egal, wie man den formalen Status nennt, zu dem Mia gehört. Ich hatte eine Amazone gesucht, die zu mir passt, die aus seriöser Haltung kommt, gesund ist und auch preislich vertretbar war. So ist es also eine Gelbnacken-Amazone geworden, hätte aber ebenso gut eine Blaustirn werden können oder eine andere einigermaßen verbreitete Art. Von den absoluten Exoten wie Bodinus oder Tucuman hätte ich allerdings die Finger gelassen, eben weil ich um deren Seltenheitswert weiß und die Verantwortung nicht hätte übernehmen wollen. Meiner Meinung nach gehören solche Arten überhaupt nicht in den Handel.
Als Max dann zu uns kam in diesem Sommer, fiel er bereits unter Anhang A, und deshalb habe ich nun eine Sondergenehmigung bei seinen Papieren abgeheftet. Das war alles, was ich an "Kompetenz" zur Haltung besonders geschützter Wirbeltiere vorweisen musste: nämlich gar nichts; ich brauchte mich nur mit dem Besitzer zu einigen, zu welchen Bedingungen ich seinen Vogel kaufen wollte. Also derselbe Vorgang, als würde ich ein Tier im Zoogeschäft erwerben.
Die Hochstufung selbst habe ich zur Kenntnis genommen, weiß aber nicht, ob dort, wo die Gelbnacken beheimatet sind, nämlich in Mittelamerika, tatsächlich ein derartiger Notstand eingetreten ist, der die Klassifizierung "extrem gefährdet" nötig machte. Denn kann man wirklich Gelbnacken mit Bodinus gleichsetzen?
Okay, ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man ganz schön rudern muss, um überhaupt Gelbnacken zu finden. Wenn man dann noch diejenigen abzieht aus dem ohnehin kargen Angebot, die nicht in Frage kommen wegen unpassendem Geschlecht oder unpassendem Alter, dann bleibt wirklich nicht mehr viel übrig an Auswahl. Da muss man sich ganz schön nach der Decke strecken, Kompromisse machen und womöglich sehr weit fahren zum Züchter. Aber immerhin, Gelbnacken werden noch angeboten, sind also noch wahrnehmbar im Handel - wozu also Anhang A?
Außerdem, wie ich schon sagte, muss niemand nachweisen, ob er dazu fähig ist, so eine bedrohte Amazone zu halten, und das möglichst bis zum natürlichen Tod des Vogels, damit nicht durch frühes Sterben der Bestand vorzeitig reduziert wird. Hinzu kommt das für mich absolut Paradoxe, nämlich dass der Besitzer von Gesetzes wegen nicht etwa dazu aufgefordert wird, den Bestand zu erhöhen, sondern im Gegenteil regelrecht am Nachzüchten gehindert wird, jedenfalls solange er die Formalität des Züchterscheins nicht erfüllt. Anstatt dass man gerade solchen Leuten erlaubt, durch Nachwuchs den Gesamtbestand zu erhöhen!
Wenn man allerdings vorher noch die äußeren Bedingungen des potentiellen Züchters gewährleistet sehen will - ja, dagegen spricht ja nichts. Es soll schließlich nicht jeder Willige, nur weil er möchte, aber nichts weiter zu bieten hat als einen dunklen Keller, Anhang-A-Amazonen züchten dürfen. Aber auch das wäre noch einfach zu steuern, indem man unter Anhang A ausschließlich nur jene wenigen Amazonen (wie Bodinus) stellte, die tatsächlich extrem gefährdet sind, und diese Amazonen dann konsequent aus dem Handel nähme. Die Folge: Diese Arten blieben nur in der Hand besonders ausgewählter Züchter. Im Idealfall erhöht sich dadurch der Bestand so nachhaltig, dass man anschließend wieder über die Freigabe des Handels mit Laien-Haltern nachdenken könnte.
Aber wie du schon sagtest: Es geht hier um gesetzliche Bestimmungen. Keiner von uns hat sie gemacht, und dass man sie bis in jede Einzelheit verstehen müsste, steht auch nirgends geschrieben. Vielleicht kann ich auch nur gut reden, weil ich selbst nicht betroffen bin: Aus der Theorie heraus lässt sich immer prima philosophieren.
Jede gesetzliche Regelung hinsichtlich des Artenschutzes ist ja auch nur dann wirksam, wenn gleichzeitig illegale Ausweichmanöver ausgeschlossen werden können. Was nutzt es, wenn wir in Deutschland alle Bodinus in allerbesten Züchterhänden wissen, aber über fragwürdige Kanäle kommen Wildfänge zu uns? Dann lieber unvollkommene Regelungen, aber unterm Strich wird wenigstens mittelbar etwas getan für den Artenschutz. So wie es Kuni formulierte: Jede heimische Nachzucht verhindert Wildfänge und hilft wiederum den Bestand im Ursprungsland zu wahren. Das ist, finde ich, ein akzeptabler Kompromiss.
Viele Grüße
Rinus.