Moin Silke!
Ich bezog meine Antwort auf Deine Aussage
<BLOCKQUOTE><font size="1" face="Verdana, Arial">quote:</font><HR>Original erstellt von Silke:
Das Pfirsichköpfchen ist mit dem Schwarzköpfchen vergesellschaftet? Gut, das erklärt einiges, besonders, warum es wegen Brutlust noch nicht zum Gemetzel gekommen ist. Das könnte sich nämlich schlagartig ändern, sobald die beiden artgemäß verpaart würden.
<HR></BLOCKQUOTE>
Das ich hatte wohl fehlerhaft so interpretiert, daß Du sowohl bei einer Verpaarung Schwarz- und Pfirsichköpfchen
als auch bei der Vergesellschaftung von zwei Weibchen die Entstehung von Brutlust für zumindest unwahrscheinlich hieltest.
Das habe ich dann wohl mißverstanden, sorry.
Hinsichtlich der Übernahme der Hahnenrolle von einem Weibchen: da hast Du mich aber wirklich auf dem richtigen Fuß erwischt, denn gerade mit diesem Phänomen habe ich mich in letzter Zeit etwas intensiver beschäftigt und es ist im Augenblick fast so etwas wie mein Lieblingsthema (deshalb schon vorab eine Entschuldigung für die weitschweifigen Ausführungen! Und sorry, Alex, wenn jetzt doch ein wenig fachchinesisch kommt
http://vogelart.de/forum/NonCGI/wink.gif).
Zwar habe auch ich häufiger davon gehört, daß bei einer gleichgeschlechtlichen Verpaarung ein Hahn die Weibchenrolle übernimmt als von dem umgekehrten Fall, doch mag das auch seine Ursache darin haben, daß a) es in der Vogelhaltung bei vielen Arten mehr Männchen als Weibchen gibt und b) aufgrund bekannter Vorurteile Männchen immernoch bei vielen Haltern beliebter sind als Weibchen und von daher die Verpaarung zweier Männchen häufiger auftritt (ist aber reine Theorie!).
Ich selbst erlebe gerade im Augenblick den angesprochenen umgekehrten Fall bei meinen Mohrenköpfen (s. auch den Thread "Mohr scharrt wie ein Huhn" im
Langflügelpapageienforum): mein älterer Mohrenkopf hat sich gegenüber seinem ersten Partner stets wie ein Weibchen verhalten. Als der erste verstarb und ich als neuen Partner ein durch eine Endoskopie als Weibchen bestimmtes Tier dazusetzte, zeigte mein alter Mohrenkopf eindeutig männliche Verhaltensweisen (einschließlich der Kopulation), so daß ich zunächst dachte, er sei ein Männchen. Daneben aber entwickelte er aber zunehmend auch Verhaltensweisen, die ein Weibchen zeigt (vor allem eben jenes Scharren).
Der DNA-Test ist noch in Arbeit, dennoch bin ich inzwischen sehr überzeugt, daß es sich doch um ein Weibchen handelt, auch aufgrund dessen, was bei Hoppe/Welcke, Langflügelpapageien (Ulmer-Verlag) steht:
diese bemerken nämlich, daß eine Geschlechtsbestimmung anhand der Verhaltensweisen oft zu Fehlinterpretationen führen, da "....gleichgeschlechtliche Papageien ... Dominanz, Drohverhalten, Partnerfüttern und selbst eine Art von Kopulation [zeigen] ... Lorenz (1939) verweist darauf, daß innerhalb einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft ein Vogel die geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen des jeweiligen Gegengeschlechts übernimmt ..." (S.3

Hier ist nicht einschränkend nur die Rede von männlichen Paaren und der Übernahme der Weibchenrolle durch einen Hahn.
Dies veranlaßte mich, ein wenig bei Lorenz zu blättern: Lorenz unterscheidet drei Typen
der Paarbildung bei Vögeln, bemerkt aber selbst, daß diese Unterteilung noch unvollständig ist und daß es zum Wesen des Begriffs "Typus" gehört, daß er in keinem konkreten Einzelfall verwirklicht zu finden ist:
1. der Eidechsen-Typus ist dadurch gekennzeichnet, daß Imponiergehabe und das Prachtkleid als dauernd zur Schau gestelltes Imponiergehabe keinen Einfluß auf geschlechtsgebundene Triebhandlungen des Weibchens hat. Das Weibchen reagiert vielmehr wie ein schwächeres Männchen und flieht. Es kommt zur Verfolgung und zur "Vergewaltigung" des fliehenden Tieres (ein nahezu gleich starkes Männchen reagiert dagegen ebenfalls mit Imponiergehabe, als Folge kommt es zum Kampf). U.a. bei vielen Entenarten findet sich diese Form der Paarbildung. Dabei gibt es auch
"Vergewaltigungsversuche" eines männlichen fliehenden Vogels.
2) bei dem Labyrinthfisch-Typus besteht eine Rangordnung zwischen den Geschlechtern in der Form, daß Weibchen rangniedriger sind
(Konrad Lorenz, Der Kumpan in der Umwelt des Vogels 1935 in: dtv wissenschaftliche reihe Juli 1973, S.125ff.). Zumindest bei einem Typus ist die Übernahme der Männchenrolle durch Weibchen möglich:
"Grundsätzlich ist festzuhalten, daß bei Vögeln mit Labyrinthfisch-Typus >jedes< Individuum die Neigung hat, die >männlichen< Verhaltensweisen zu entwickeln, und daß es die von dem Geschlechtspartner ausgehenden Reize sind, die beim Weibchen die männlichen Handlungen unterdrücken und sozusagen erst Platz für die weiblichen schaffen. Das männlicher Gesellschaft beraubte, allein gehaltene Weibchen neigt fast stets zum männlichen Imponiergehabe..." (a.a.O., S.134).
Umgekehrt zeigen weit unten auf der Rangordnung stehende männlcihe Vögel keine männlichen Verhaltensweisen.
Beispiele für Verpaarungen nach diesem Typus finden sich u.a. bei Raben und Dohlen, aber auch bei anderen Entenarten (a.a.O., S.134f.).
Bekannt ist ja auch, daß alleingehaltene Kanarienhennen zu singen beginnen.
3) Der letzte Typus ist der Chromiden-Typ, bei dem keine Rangordnung zwischen den Geschlechtern besteht und bei dem beim Weibchen das Imponiergehabe erhalten bleibt, jedoch in reaktion auf das Imponiergehabe eines Männchens statt in Kampf in eine
"Zeremonie" mündet (bspw. das Klappern der Störche). Die Individuen jener Vogelarten, deren Paarung dem Chromiden-typus nahestehen, sind nicht geschlechtlich ambivalent, d.h. bei ihnen ist (sieht man vom Imponiergehabe ab) nicht das Verhalten des Gegengeschlechts angelegt.
Weiterhin ist kennzeichnend, das selbst bei in Dauerehen lebenden Arten der Partner durch ein Tier des gleichen Geschlechts und des gleichen physiologischen Zustandes ersetzt werden kann.
Bei Vögeln, deren Verpaarung nach dem Chromiden-Typ erfolgt, ist, wenn ich es richtig verstehe, die Übernahme der Rolle des Gegengeschlechts nicht möglich (z.B. Schwäne, Gänse)
Nach alldem erscheint es mir wahrscheinlich, daß die Verpaarung von Papageien eher dem Labyrinthfisch-Typus nahe steht (bei einigen Arten vielleicht mehr, bei anderen weniger, vielleicht auch nicht bei allen Arten wie es ja bei den Enten auch der Fall ist).
Ich hoffe, es war nicht zu langweilig, aber wie gesagt beschäftigt mich dieses Thema in letzter zeit selbst sehr.
------------------
Tschüss Rüdiger