Zwei Fragen zur praktischen Falknerei

[Beepo]

Hallo zusammen,

wie es sich für einen frisch angemeldeten User gehört, eine kleine Vorstellung meinerseits:
Ich heiße Jens, bin 32 Jahre alt, komme aus NRW, bin von Beruf Dipl.-Kfm. und arbeite im Marketing eines Lebensmittelimporteurs.
Wie sicher der ein oder andere auch wurde bei mir die Faszination für Greifvögel bereits in jungen Jahren auf einer Greifvogel-Show geweckt. Aus reiner Neugierde verfolge ich das Thema bereits seit einigen Jahren mal mehr mal weniger intensiv und habe zu diesem Thema bereits unzählige Stunden hier im Forum und auf zahlreichen anderen Seiten verbracht.

Auch wenn sicherlich noch einige Jahre ins Land gehen werden, bis ich die notwendigen Voraussetzungen in Form eines Eigenheims sowie einer finanziellen Reserve geschaffen habe, um mich der Jagd im Allgemeinen und der Falknerei im Speziellen zuwenden zu können, habe ich zwei Fragen, auf die ich bislang keine Antwort gefunden habe. Ich hoffe, Ihr könnt da meinen Wissensdurst ein klein wenig stillen

1) Falknerei und Beruf
Soweit ich das richtig verstanden habe, darf die Beizjagd nur während der offiziellen Jagdzeit ausgeübt werden. Abgesehen von Ausnahmen wie Krähenvögel wäre das nach meinem Kenntnisstand grob im Zeitraum von November bis Februar. Gleichzeitig habe ich mehrfach gelesen, dass ein aktiver Beizvogel mindestens 4x die Woche jagdlich geflogen werden muss um in Form zu kommen bzw. um die Form zu halten. Werfe ich einen Blick auf meine Arbeitszeiten (8:00-17:00 Uhr), die wahrscheinlich dem typischen Bürojob entsprechen, sehe ich da ein Problem für die praktische Umsetzung: Während der zulässigen Jagdzeit fahre ich morgens im Dunklen und komme abends im Dunklen wieder. Theoretisch bliebe also nur das Wochenende. Wie löst Ihr das Problem? Seit Ihr alle selbstständig oder geht Ihr einem Job nach, der Euch die notwendige Freiheit bietet um Eurer Passion nachzugehen?

2) Außerhalb der Jagdzeit
Da sich die Jagdzeit nach meinem Kenntnisstand nur über ca. 4 Monate und damit rund 1/3 des Jahres erstreckt, stellt sich mir die Frage, wie man das Tier in der übrigen Zeit beschäftigen kann. Theoretisch kann man den Vogel nicht frei fliegen lassen, da er weiterhin seinem Instinkt folgt und ggf. Wildtieren nachstellt. Wäre der Vogel erfolgreich, würde man sich der Wilderei strafbar machen. Andererseits kann ich mir kaum vorstellen, dass Ihr Eure Vögel 2/3 des Jahres in der Voliere stehen lasst.


Ich würde mich freuen, wenn mir jemand die Fragen mit ein paar Zeilen beantworten könnte.

 

[Peregrinus]

Hallo Jens,

zunächst mal herzlich willkommen und großes Lob für die Vorstellung an sich, die überwiegend korrekte Rechtschreibung und Zeichensetzung und das Schreiben in gutem Stil.

Je nach der angestrebten Beute kann die Jagdzeit theoretisch das ganze Jahr über stattfinden (z. B. Kaninchen). Die Jagd mit der Büchse erstreckt sich in den meisten Bundesländern von Mai bis Ende Januar, nicht erst ab November.

Natürlich ist es wünschenswert, den Vogel 4 mal die Woche zu fliegen. Aber die meisten Falkner sind berufstätig, viele können sich die Arbeitszeiten auch nicht raussuchen. Und so bleibt eben - allen Empfehlungen zum Trotz - nur noch das Wochenende. Das ist dann allerdings zu erheblichen Teilen durch die Falknerei belegt. Das muß man wirklich wollen, aber dann geht das durchaus.

Die Pause für den Beizvogel wird weniger durch die Schonzeit der Beutetiere als vielmehr durch die Mauser bestimmt. Diese erstreckt sich zumindest von April bis August, sodaß der Vogel ohnehin nicht vor September wieder einsatzbereit ist (gemeint ist hier der Regelfall). Normalerweise wird der Vogel spätestens Ende Februar abgestellt und oftmals nicht vor Oktober wieder jagdlich geflogen, sodaß die Zeitspanne der „Ruhe“ tatsächlich fast 2/3, zumindest aber die Hälfte des Jahres beträgt. In dieser Zeit steht der Vogel durchweg an der Flugdrahtanlage oder in der Mauserkammer, wird also nicht frei geflogen.

Da man den Vogel ohnehin nur in Revieren fliegt, für die man einen Begehungsschein hat, kann man auch keine Jagdwilderei begehen. Diese hängt vom Jagdrecht oder Jagdausübungsrecht ab, nicht von den Schonzeiten.

Es gibt natürlich auch die Möglichkeit, locke Vögel während der Mauserzeit zu fliegen (dann aber im Grunde genommen nur Bewegungsflüge), aber das ist nicht der Regelfall.

VG
Pere

 

[Nika]

Hallo Jens,

Peregrinus hat Dir ja eh schon ausführlich geantwortet.

Daher schreibe ich Dir nur kurz, wie ich und ein paar Freunde das (zeitlich) machen:

Ich fange z.B. Ende August/Anfang September mit dem Beizen von Krähen an, egal ob Falke oder Harris
(da hat man auch noch locker Zeit um zu trainieren).
Zwischendrin dann gerne auch mal auf Kaninchen, während andere auf Hasen gehen, solange diese Jagdzeit haben.
Nachdem sie zu sind, gehts meistens noch ein paar Mal (bis Ende Januar) auf Kaninchen und dann bis zum 14.03. auf Krähen.
Der Falke wird halt nur auf Krähen geflogen und meistens zwei Wochen früher abgestellt.

Wird es zeitlich im Winter recht knapp, fahre ich gerne auch mal in meiner Mittagspause auf Krähen.
Geht aber nur, weil ich Gleitzeit habe und nicht weiter weg wohne.
Außerdem verwende ich den Großteil von meinem Urlaub, um dann auch teilweise im Winter "stressfrei" unter der Woche beizen zu können.
Viele meiner Bekannten (und auch ich selbst) lassen ihre Vögel z.B. bei Flutlicht oder in der Garage springen, damit sie fit bleiben (die sog. "Jumping Ups"), auch wenn es
bereits draußen zu dunkel ist.

LG

 

[Gentilis]

Hallo Jens,

auch von mir herzlich willkommen und großes Lob für die Vorstellung.

Pere und Nika haben ja kaum noch Raum für Ergänzungen gelassen, da sie sämtliche Fragen ausführlich beantwortet haben. Die Arbeitszeiten eines "normalen" Bürojobs stellen sicher eine große Problematik für die Ausübung der praktischen Beizjagd dar. Tatsächlich sind auch alle Falkner in meinem Bekanntenkreis entweder selbstständig tätig oder haben in ihrem beruflichen Alltag anderweitig Möglichkeiten tagsüber Freiräume zu schaffen (Lehrer!). Die Jagd ausschließlich am Wochenende auszuüben (und vor allem einen Jungvogel abzutragen und einzujagen) ist meiner Ansicht nach sehr schwierig. Da der Lernprozess ständig unterbrochen wird, können hier Fortschritte sicher nur langsam erzielt werden. Darüber hinaus setzt es schon eine ganze Menge Verständnis der Famile voraus, wenn sämtliche Wochenenden von September bis Februar ausschließlich von der Falknerei in Anspruch genommen werden.

Auf jeden Fall wünsche ich Dir viel Freude auf dem Weg die Falknerei kennen zu lernen. Ich habe selbst mit 30 die Prüfungen absolviert und dann auch mit der Beizjagd begonnen. Ich kann immer nur betonen, dass mein Leben dadurch extrem bereichert worden ist. Aber vorsicht: es birgt ein hohes Suchtpotential!

Viele Grüße

Oliver

 

[Beepo]

Danke für Eure zahlreichen und ausführlichen Antworten!
Damit habt Ihr das ein oder andere Missverständnis meinerseits erfolgreich aus der Welt schaffen können.

Ich denke, ich muss mir mal ein paar Bücher diesbezüglich zulegen