Das ist ganz normal. Er ist in der Flegelphase, die alle Graupapageien durchmachen. Mal intensiver, mal weniger auffällig.
In dieser Zeit probiert er aus, was er tun kann und wo Grenzen sind. Gar nicht so unähnlich einem pubertierenden Menschenkind. Vor allem Hähne versuchen dabei im Schwarm auch eine besonders respektable Position zu erlangen und andere zu unterwerfen.
Bei Hennen ist das Geschehen oft weniger offensichtlich-ein scharfes Auge sollte man in der kritischen Zeit aber auch auf diese haben.
Gerade die menschliche Hauptbezugsperson ist in der Flegelphase in der Regel auch der Hauptleidtragende, da hier dem Vogel besonders wichtig ist, einen klaren Überblick über die Rangverhältnisse zu bekommen.
Euer Vogel verhält sich daher in meinen Augen absolut typisch und ist eher spät dran.
Naturbruten sind dabei oft noch recht harmlos,
Handaufzuchten beissen dagegen gar nicht mal selten völlig ungehemmt zu.
Diese Phase beginnt meist zwischen 12 und 18 Monaten und endet in der Regel im Alter von drei, vier oder fünf Jahren langsam auslaufend. Ein Vogel, der in dieser Zeit keine Grenzen zu akzeptieren lernt, wird auch als Erwachsener sehr anstrengend bis gar gefährlich sein.
Auch ein erwachsener Vogel, der sich als ranghöchstes Familienmitglied fühlt und etabliert hat, kann seiner Menschenfamilie auf das herzlichste zugetan sein und viele freundliche Interaktionen ausführen. Er lässt sich jedoch nichts von ihnen vebieten oder vorschreiben und "fühlt sich absolut im Recht", seine Wünsche mit blutenden Schnabelhieben durchzusetzen. Das kann für die menschlichen Mitbewohner zu einer dauerhaften Tortur werden.
Ich spreche nicht nur theoretisch: mein Graupapageienmännchen liebt meine Frau abgöttisch, betrachtet sie aber eindeutig als ihm untergeordnet, wogegen er meine übergeordnete Position voll akzeptiert.
Für meine Frau nicht einfach, da sie auch bei freundlichsten Annäherungsversuchen des Vogels nie weiss, ob er nicht plötzlich zubeisst, weil ihm irgendetwas nicht passt. Ihn händeln oder von irgendeiner verbotenen Aktivität rein verbal abhalten kann sie ebenfalls nicht. Beides ist für mich dagegen kein Problem.
Ein mit -sanfter- Konsequenz behandelter Vogel wird im Gegensatz dazu mit dem Erwachsenwerden zunehmend seltener versuchen, Rangpositionen in Frage zu stellen und dann wieder viel pflegeleichter.
Er akzeptiert, dass ihm Grenzen gesetzt sind und dass die federlosen Haushaltsmitglieder in der Hierarchie über ihm stehen.
Durch 2-3 mehr oder weniger harte Jahre muss man aber durch.
Wie soll man sich verhalten?
Nun, vor allem fleissig einfache Kommandos üben. Step up/Step down als Minimum. Dann keine Attacken durchgehen lassen. Beim Beissen möglichst den Aufschrei unterdrücken und den gebissenen Körperteil nicht zurückziehen, sondern dem Vogel entgegendrücken. Nicht leicht, da es gegen die intuitive Reaktion geht, kann empfindliche Papageiengemüter aber bereits sehr beeindrucken. Je nach Charakter und Empfindlichkeit des Vogels kann und muss man unterschiedliche Massnahmen ergreifen. empfindliche Gemüter sind mit einem in den Käfig setzen und für einige Stunden ignorieren nach einem Biss bereits ausreichend bestraft und alles weitere würde sie sehr einschüchtern.
Robustere Individuen brauchen eine Reaktion, die der eines älteren Schwarmpartners ähnelt, der von einem Jungvogel angegriffen wird und diesen in seine Schranken weist.
Wichtig ist, die Reaktion dem individuellen Vogelcharakter anzupassen. Sonst nützt es entweder nichts oder verunsichert den Papagei zu stark.
Bei den möglichen Reaktionen gibt es entsprechend verschiedene Intensitätsstadien.
Die niedrigste ist kurzes aber lautes Anschreien mit aggressivem Unterton und leichtes Klopfen gegen den Oberschnabel. Dabei den Vogel so bedrängen, dass er von seinem Sitzplatz mindestens ein paar Schruitte zurückweichen muss.
Die nächste Stufe ist festhalten des Oberschnabels und zurückschieben des Vogels.
Die höchste Stufe ist ein kurzes Scheuchen, so dass er auffliegen und einige Meter fliegen muss.
Jede Reaktion muss unbedingt unmittelbar auf das Beissen hin erfolgen und jede der genannten "körperlich werdenden" Bestrafungen sollte ihrerseits unmittelbar durch freundliches Ansprechen und, wenn der Vogel es zulässt, kurzes Kraulen beendet werden.
Die geschilderten Massnahmen spiegeln für den Vogel verständlich in etwas das wieder, was einem aufmüpfigen Jungvogel im Schwarm widerfahren würde und er versteht daher ganz gut, was passiert. Die anschliessende freundliche Kontaktaufnahme macht ihm auch klar, dass es bei der Aktion rein um die Folgen des Beissens geht und nicht um generelle Aversionen seitens des Besitzers.
Ich hoffe, das ist eine kleine Hilfe.