Geflügeltuberkulose
Hallo Steffi
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Mykobakterien haben in der Tat eine hohe Tenazität. Du kannst jedoch die Geflügeltuberkulose (meldepflichtig) nicht mit der Rindertuberkulose (anzeigepflichtig) vergleichen
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Dich wundert es, dass Geflügeltuberkulose, trotz der hohen Tenazität (nicht mit Resistenz vergleichen!!!!) "nur" meldepflichtig ist. Diese Mykobakterien kommen weltweit (!) vor und nicht nur in Deiner
Voliere, daher ist dieses Problem der Geflügeltuberkulose nicht schön zu reden und in der Praxis auch nicht zu vernachlässigen, v.a. gerade nicht bei Hobbyhaltungen.
Früher zu den verbreitetsten Geflügelkrankheiten gehörend (!!!) haben diese gram-negativen Bakterien in Europa durch die Einführung der Intensivhaltung in modernen Stallungen an Bedeutung verloren. Die moderne Geflügelhaltung z.B. Hähnchenmast, Legebatterien arbeitet nach dem Rein-Raus-Prinzip (kein Zukauf fremder Tiere während des Durchgangs zur Gruppe). Die Tiere kommen als Eintagsküken in den Stall, werden z.T. umgesetzt und kommen komplett als Charge in die Schlachtung (Masthähnchen (intensiv gemästet) z.B. schon nach einer Durchschnittsmastzeit von 35 Tagen). Die Ställe werden nach dem Durchgang komplett gereinigt und desinfiziert mit wirksamen in der Praxis verwendeten Mitteln (DVG-Liste). In der Freilandhaltung bestehen nun aber größere Probleme, denn die Erreger sind im Boden (lange Tenazität), die Tiere infizieren sich ständig neu, zudem kommen Wildvögel auf den Auslauf (Kot, Sekrete...) was die Tiere auch aufnehmen, die eingesetzten Arzneimittel werden ständig recycelt - was die Enstehung weiterer Antibiotikaresistenzen begünstigt und eine Gefahr besonders für immunsupprimierte, Menschen darstellt. Das erklärt, dass hier eine größere Problematik vorherrscht.
Man spricht bei der Erkrankung von einer Zoonose (es besteht also die Möglichkeit dass sie vom Tier auf den Menschen (und umgekehrt) übertragen werden kann!). Werden Säugetiere (da gehört natürlich der Mensch auch dazu) mit M. avium infiziert, bleiben diese Infektionen in der Regel auf lokale Herde beschränkt und lösen dann keine ernsteren Erkrankungen aus. Über einen möglichen Zoonosecharakter der Paratuberkulose wird noch intensiv diskutiert, eine Beteiligung von M. avium spp. paratuberculosis am Morbus Chron ist nicht auszuschließen!
Die Mykobakterien lassen sich generell durch Desinfektionsmittel speziell gg. Tuberkulozidie (!) (siehe Liste der DVG, gibt jedes Jahr Liste heraus!!) abtöten. Zudem könnte man auch kontaminiertes Material im Autoklaven behandeln. Aber welcher Haushalt hat solch ein Gerät?
Von der Panikmache, dass die Mykobakterien über das entsorgte Trinkwasser ins Klärwerk gelangen und dort weiteren großen Schaden anrichten, würde ich absehen. Im Klärwerk kommt ein riesiger Pool an Bakterien, Viren und weiteren MO's zusammen (so dass ein Nichtwissender von einem Mega-Gau sprechen könnte). Hier tauschen z.B. ein Großteil der Bakterien ihre Plasmide, auf denen sie spezielle Resistenzen tragen, untereinander aus - die Folge ist dann, dass die Bakterien noch resistenter sind, z. B. gg. Antibiotika (nach Darwin - Survival of the fittest) wodurch mit der Zeit viele Krankheiten immer schwerer behandelt werden können. Ein Tipp: besorge Dir einmal das Buch: Die Killer unter uns. Hört sich nach Krimi an, ist aber ein sehr interessant geschriebenes Buch über die Entdeckung der Antibiotika und das Enstehen der Resistenzen durch den lapidaren Umgang der Menschen, würde Dir evtl. weiterhelfen um den Sachverhalt und die Problematik besser zu verstehen.
Es haben auch viele Menschen z.B. große Angst vor Salmonellen, aber macht sich ein Mensch Gedanken, dass er unzählige Bakterien auf und in sich trägt und sie z.B. verbreitet, dass sie in der Umwelt vorkommen oder sogar auf seinem Hühnerfleisch, in seinem Kühlschrank etc? Wichtig ist hierbei die infektiöse Dosis, die einen Organismus krank macht, nicht dass diese Erreger in unserer Umwelt sind.
Dass Du die Einstreu auf den Kompost ausbringst ist bei Bekanntheit der Problematik eigentlich leichtsinnig. Es ist klar, dass diese Erreger verbreitet werden, sonst bestände für die Tiere auch keine Absonderungspflicht, verstehst Du die Problematik der Erkrankung Deiner Tiere nicht? Du trägst somit zur fahrlässigen Verbreitung einer meldepflichtigen Krankheit bei.
Sind die Erreger:
a)... im Hausmüll, gelangen sie auf die Deponie (evtl. Gefahr für Müllmänner (Zoonose) und Wildtiere (Säuger und Vögel), die sich hier aufhalten. Sie bleiben entweder auf der Deponie, durch Verdichtung des Mülls entstehen hohe Temperaturen, wobei dann davon auszugehen ist, dass diese Bakterien absterben. Gelangt dieser Müll von einer Deponie (z.B. Zwischendeponie) in die Müllverbrennung, werden sie durch die hohen Verbrennungstemperaturen die in den Verbrennungsöfen vorherrschen, auch inaktiviert.
b)... über das Abwasser ins Klärwerk gelangt, besteht zum einen, dass sie in der chemischen Wasserbehandlung inaktiviert werden, mit dem Faulschlamm inaktiviert werden oder sie gelangen mit dem "geklärten" Wasser in den Fluss (mit all den anderen Erregern...!.... Untersuchungen laufen momentan in der Kläranlage in München über das Erregervorkommen in Kläranlagen allgemein und die potentielle Gefahr für Angestellte dort (zur Information).
c)... auf dem Kompost, sind sie der umgebenden Umwelt ausgesetzt. Es können sämtliche Säuger und Vögel damit in Kontakt kommen (Kleinsäuger wie Katzen, Marder, aber auch Füchse die sich schon längst urbanisiert haben, etc.)... In Österreich z.B. wurden durch veterinärmedizinische Untersuchungen um Innsbruck durch das Institut für Bakteriologie, Mykologie und Hygiene sowie des Forschungsinstituts für Wildtierkunde der Veterinärmedizinischen Universität Wien in den letzten Jahren Geflügeltuberkulose (M. avium spp. avium) bei freilebendem Rotwild festgestellt. Aus den erkrankten Lymphknoten konnten bei 13 Fällen M. avium spp. avium isoliert werden, in zwei Fällen wurde eine Mischinfektion mit M. avium spp. paratuberculosis festgestellt. Die Tiere wurden entweder verendet gefunden, oder wurden in abgemagertem moribundem Zustand geschossen. Organe der Tiere waren zum Teil schwer befallen.
Die Geflügeltuberkulose (Woernle, 1982; Ravelhofer-Rotheneder; 2001) tritt neben Cholera (Pasteurella multocida, fakultativ humanpathogen) und Rotlauf nur noch in der Auslaufhaltung auf (Morgenstern u. Lobsiger, 1994). Durch die erhöhte Krankheitsanfälligkeit sind Auslaufhaltungen und
Volieren auch ein Infektionsrisiko für Wildvogelpopulationen.
Nein, beim Geflügel besteht keine Anzeigepflicht!!! Es besteht eine MELDEPFLICHT! Das Fleisch geht in die Produktion, die Eier von Legehennen auch, aber hier wird großtechnisch unter größten Hygieneauflagen produziert, in Intensivhaltungen besteht dieses Problem nicht mehr in diesem Maße zudem gibt es hier Schleusen die zu den Stallungen führen (Desinfektionsmatten für Schuhe, Überschuhe, Schutzanzüge... um den Bestand nicht zu gefährden). Des weiteren gibt es die Fleischbeschau auf den Schlachthöfen… und die Eiqualitätskontrolle.
Es ist schade, dass Dir noch niemand richtig weiterhelfen konnte, weshalb informierst Du Dich nicht über die Geflügeltuberkulose beim Gesundheitsamt, Deiner TÄ (sie gibt Dir den Tipp die Tiere zu töten, was Dir aber auch alle Menschen raten würden, die sich mit dieser Problematik schon auseinandergesetzt haben)... Ich kann Dir nochmals Herrn Böhm empfehlen, schreibe ihm eine Mail, rufe ihn an!
Ich rate Dir (aufgrund Absonderungspflicht) die positiven Tiere aus dem Bestand zu nerzen, den restlichen Bestand weiterhin mehrfach untersuchen zu lassen, um sicher zu gehen, dass die Tiere wirklich negativ sind. Die Desinfektionsmaßnahmen sind hierbei nicht zu vernachlässigen.
Dennoch kann man Dich nicht zwingen, es liegt in Deiner Hand, verantwortungsbewusst zu handeln.
Liebe Grüße