Hallooh Elgrin, schön, dich mal wieder zu entdecken! Ich hatte noch was in der Quasselecke für dich hinterlegt - gerade sehe ich, du hast es schon gefunden!.
Ja, wenn man die Tiere als Individuen kennen lernt und sie einen zutiefst berühren, dann kriegt man sie nicht mehr runter. Ich habe lange Zeit in meinem Leben das Fleisch essen als Errungenschaft gesehen, als uns selbstverständlich zustehendes Recht. Niemals - dachte ich damals, könnte ich es LASSEN! Es schmeckte einfach zu gut! Unbehagen stellte sich so nach und nach ein, ich erinnere mich noch daran, wie ich abgewehrt habe, als eine Freundin im Haus - vor langer Zeit, in einer anderen Stadt - mir vegetarische Bolognese nahebringen wollte. Und wie ich in der Ex-DDR nicht in eine Hühnerfabrik reinschauen mochte. Irgendwann war ich in einem Ökoprojekt in Frankreich, wo es eine alte Hausschweinrasse gab. Die Mamas mit ihren Ferkeln haben mich dermaßen entzückt, dass ich mir hinterher, als wir zum Essen in die hauseigne Stube gingen, nur noch schäbig vorkam, als deren Verwandte auf meinem Teller lagen! Mit Selbstverachtung stopfte ich die Teile von einst lustigen, unbekümmerten, einfach reizenden Wesen in mich hinein. Neben mir saß eine französische Begleiterin, Vegetarierin, und aß mit Genuss ihren Gemüseauflauf. Ich mochte diese Frau sehr, deshalb fühlte ich mich um so elender. Nachher im Bus sprach ich das Thema an, weil es mir keine Ruhe ließ. Unsere Projektleiterin sagte daraufhin: Wenn ich die Schweine sehe, läuft mir schon das Wasser im Mund zusammen! Das fand ich erschreckend, und ich fühlte mich einsam, unverstanden. Ist das die Zivilisation? Stimme ich nicht? Fragen über Fragen.
So ziemlich im gleichen Zeitraum passierten mehrere Dinge: ich sah den Film "Gorillas im Nebel" über Dian Fossey und ihre Berggorillas, für die sie sterben mußte, weil sie sie schützen wollte vor der Gier des Menschen. Ich sah den Film "Der Bär", über ein Bärenkind, dass sich allein durchschlagen mußte, seine Mama kam durch einen Unfall ums Leben. Ich saß im Kino und heulte Rotz und Wasser. Ich fand mein erstes Taubenküken. Ich sah die Filme über Kälbchen in Stehsärgen, Schweine eingegittert, damit sie ihre Jungen nicht erdrücken. Angekettete Kühe. Hühnerknäste. Tiertransporte und Schlachthöfe. Sah, wie eine Kuh an einem Bein mit einer Winde auf ein Schiff gehievt wurde. Ich heulte Rotz und Wasser. Unerträglich! Im Radio hörte ich, wie irgendwo in Afrika eine Schlange bei lebendigem Leib gehäutet wurde. Ich sah einen Reisebericht im Fernsehen, hörte die Plauderei über den gelungenen Trip in Nepal? und sah einen angefahrenen, zappelnden Hund mitten auf einer Fahrbahn! Ich sah, wie irgendwo in Asien einem großen Fisch, der sich sehr wehrte, der Kopf abgeschnitten wurde. Und wie in Griechenland ein Schaf geschächtet wurde. Und im Griechenlandurlaub, wie meine besten Freunde, die Katzen, vergiftet wurden.
1991 war ich auf der ersten Anti-Golfkriegsdemo (ich war bis dahin weit über ein Jahrzehnt für Menschenrechte und Frieden aktiv), still für mich wegen der Tiere, die unschuldig im Krieg der Menschen untereinander ihr Leben lassen müssen. - Da findet man mich heute noch, so am Samstag auf dem Ostermarsch gegen unsere Beteiligung am Krieg in Afghanistan!
Ich wurde sehr krank durch beruflichen Dauerstress, landete im Krankenhaus, und dort empfand ich auf einmal sinnlich die ungeheure Dimension der Tötungsmaschinerie Fleischproduktion, durch die Massenabfertigung der Patienten mit Essen. Ich erinnerte die Filme über agrarische Tierausbeutung, und von da an lag das Kälbchen auf meinem Teller und guckte mich stumm an. Ich hab mich vor mir selbst geekelt, wie ich so etwas essen kann. Ich kannte noch keine Vegetarier, nur Menschenrechtler. Ich sagte zu einem: Ich finde, die Eichhörnchen, die auf unsere Straße immer überfahren werden, haben genau so ein Recht auf Leben wie die Autofahrer. Reagiert wurde mit Befremden und Schulterzucken. Als ich dann aufhörte, Tiere zu essen, wurde ich kommentiert mit: Jetzt fängt sie komplett an, zu spinnen.
Ist Empathie, Mitgefühl, Mitleiden nur für Menschen reserviert? Sind die anderen Wesen Maschinen, Gegenstände, zu unserem Gebrauch entstanden?
Ja, ich ging unter die "Spinner"! Für mich erweiterte sich der Horizont um Dimensionen, die manchmal kaum auszuhalten sind. Es geht um das Eine UND um das Andere auch!
P.S. Elgrin, Tauben habe ich nie gegessen, aber wohl eher aus Mangel an Gelegenheit.