So langsam kommt mir echt die Galle hoch.
Seit Tagen tue ich nichts anderes, als Welli-Bücher zu lesen, mich mit Züchtern zu unterhalten und in einschlägigen Foren herum zu lesen. Zuerst wollte ich gar nichts zu dem Thema sagen, aber mir platzt jetzt der Kragen vor lauter pseudo-altruistischen Menschen, die sich für so un-glaub-lich wissend und TIERFREUNDLICH vorkommen.
Einzelhaltung ja oder nein? Vorweg: Ich bin GEGEN Einzelhaltung, mir kommen auch nur zwei Wellis ins Haus.
Trotzdem, liebe Wellischwarmfreunde, euer Gelaber kommt mir so oft sowas von undifferenziert und nachgeplappert vor!
Fangen wir mal an. Artgerechte Haltung. Ja?
Ich möchte gern mal einen Wellensittich aus Australien fragen, ob er gerne von einem lieben Menschen umsorgt werden möchte, jeden Tag Fresschen gegeben bekommen, anstatt es mühsam selbst zu sammeln, ob er sich in einer sicheren Umgebung währen möchte, anstatt ständig auf der Flucht sein zu müssen und ob er den lieben langen Tag lieber spielen und lauter schöner Dinge tun möchte, anstatt sich um ernsthafte, lebensbedrohliche Probleme zu kümmern. Ich möchte ihn fragen, was ihm lieber ist. Man könnte ja auch mal den Menschen fragen: Möchtest du wieder "artgerecht" leben?
Ich als Mensch werde nicht artgerecht gehalten. Ich möchte bitte gerne wieder artgerecht leben, deshalb Lendenschürzchen tragen und in einer Höhle wohnen. Dazu werde ich mir jeden Tag mein Fleisch selber jagen und mich nachts um ein Feuerchen setzen. Das wäre SEHR VIEL artgerechter und GESÜNDER für den Menschen, als sich tagtäglich von der Glotze berieseln zu lassen und sich so sehr vollzustopfen, dass ihm das Fett sonstwohin quillt.
Wie ist das mit Hunden? Das sind definitiv genauso wie Vögel soziallebende Tiere, die NIEMALS alleine leben und alleine verkümmern. Sie brauchen den sozialen Kontakt ebenso. Bei Hunden ist das aber vollkommen in Ordnung, wenn ihr Rudel allein aus Menschen besteht und er sich niemals nachts neben einen "echten" Partner kuscheln kann, sondern stattdessen ganz allein im Flur im Dunkeln auf so ner blöden Decke schlafen soll. Da kräht kein Hahn nach, die sind ja vom Menschen soweit domestiziert, das ist vollkommen was ANDERES. Ach - und der Welli ist NICHT domestiziert? Könnte unser Hausfreund im wilden Australien überleben, einfach so?
Und jetzt kommen die vollkommen altruistischen, sich vor Tierfreude überschlagenden Menschen und kennen nur noch ein Thema: Einzelhaltung. Diese ganzen bösen Tierquäler!! Und dann lese ich von Fällen, wo alte Menschen bedrängt werden, tagtäglich, ihrem fünfzehn Jahre alten Welli einen Freund zu kaufen, obwohl der alte Mann niemanden hat, außer diesen Welli, und der Welli niemanden, außer dem alten Mann. Doch er wird bedrängt und genötigt und als er mal ins Krankenhaus kommt, nimmt man ihm den Vogel heimlich weg. Obwohl er sich ein Leben lang liebevoll und fürsorglich um den kleinen Spatz gekümmert hat.
Oder ein noch besserer Fall: Ein zwölfjähriges Kind fragt etwas wegen seinem kleinen Welli. Ähnlich wie hier. Doch das Kind wird bestürmt und bedrängt, wird gerügt und bestraft, "mit 12 müsste man doch mehr Verantwortung zeigen und haben" - das Kind hat nie wieder was geschrieben, was gefragt. Kann ich auch gut verstehen. Hätten Erwachsene mir mit 12 gesagt, ich sei ein verantwortungsloses, grobes Kind, ich wäre auch am Boden zerstört und sehr traurig gewesen. Ich hätte auch nie wieder was gefragt und mich nicht mehr getraut, mich um den Vogel zu kümmern aus Angst, alles vollkommen falsch zu machen.
Eine Züchterin in einem anderen Forum gab zu, manchmal Tiere in Einzelhaltung abzugeben und dass sie das manchmal auch für richtig halte. Dass es Tiere gäbe, die schwierig als Paar zu halten sind und die sich freuen, von einem Menschen mit viiiieeeeeel Zeit (zB ältere Menschen) und viiiieeeeel Liebe betüddelt und umsorgt zu werden.
Was wurde gezetert und gewettert!!
Neeeeiiiin, sowas dürfe man nicht mal hinter vorgehaltener Hand flüstern.
Das ist wie mit den Naz*is und Deutschland. Jahrzehntelang war es verpöhnt, so etwas wie ein Nationalbewusstsein zu besitzen. Jetzt höre ich aus allen Ecken die Genervtheit darüber - man geht immer von einem Extrem ins Andere. Früher hat man viel falsch gemacht und die Tiere definitiv falsch behandelt. Trotzdem behaupte ich, dass den Tieren zwar einiges gefehlt hat, aber dass viele von ihnen trotzdem glücklich waren. Jedes einzelne Bedürfnis von Menschen wird auch nicht befriedigt. Ein Mensch weiß auch immer Dinge, die ihm fehlen. Trotzdem sind einige glücklich und andere nicht.
Heute wird jetzt einfach das eine Extrem wieder umgedreht - ins andere Extrem. Meine Erfahrung hat mich gelehrt: In keinem Bereich des Lebens sind Extreme gut. Und ich finde es schade, dass alles so kontrovers gehandhabt wird. Ich meine, haben wir keine Intuition? Sind wir alle so scheißeblöd, dass wir vor einem Vogel sitzen und nicht spüren, obs ihm gut geht? Können wir das bei anderen Tieren jetzt auch nicht mehr? Oder bei Menschen? Wieso darf man Hunde einzeln halten, wieso sagt dort niemand, was für unglückliche Tiere?
Ihr lieben Tierfreunde, das hier ist mal wieder so ein Beispiel. Hier ist ein Wellihalter, der sich um sein Tier bemüht, sich Gedanken macht, sich Mühe gibt und ausprobiert. Er begegnet seinem Tier mit Liebe, Aufmerksamkeit und Umsicht und vor allen Dingen - Achtung. Er hat schon - weil er ja weiß, wie die fanatischen Tierfreunde darauf reagieren - antizipierend in weiser Voraussicht geschrieben, dass der Kleine bald einen Partner kommt. Trotzdem ist natürlich DAS die Ursache aller Probleme, trotzdem wird er als Ignorant beschimpft, trotzdem wird er respekt- und anstandslos behandelt. Vor dreißig Jahren haben all die millionen Einzelwellis auch gefressen, getrunken, gezwitschert und sind umher geflogen. Sie haben gespielt und wurden alt. Ich sage nicht, dass das damals gut war, denn wie gesagt, ich bin definitiv auch für die mindestens paarweise Haltung! Aber trotzdem wird hier alles immer grundsätzlich und oft über einen Kamm geschoren, plötzlich sind alle Einzelwellihalter böse, ignorante Tierquäler.
So, nun, bitteschön, bewerft mich jetzt mit faulen Tomaten, aber das stieß mir jetzt die letzten zwei Wochen so sauer auf, dass ich meinen Unmut über soviel Gemeinheit mal Luft machen musste.
Liebe Grüße