Ich finde, allein das Kriterium der "Zahmheit" ist schon ein no-go, wenn man mit dem Gedanken spielt, sich Vögel anzuschaffen. Dann doch lieber ein Meerschweinchen oder etwas in der Art!
Vögel, die nicht zahm sind, müssen oft Stress ertragen oder Deprivationen, die zahme Vögel gar nicht kennen.
Ein Beispiel ist die Angst beim Futterwechsel oder der Käfigreinigung etc., ein anderes die medizinische Behandlung, das Fangen, wenn vogel mal in die Transportbox muss.
Ich würde sagen, zahme Vögel haben den Vorteil, dass der Mensch mehr an ihrem Leben teilnimmt, also auch früher Veränderungen mitbekommt, weil er die Vögel besser kennt - auf einfachster Ebene: weil er sie aus größerer Nähe betrachten kann als er das mit scheuen Vögeln könnte - und dass sie weniger Stress im Alltag und vor allem bei besonderen Vorkommnissen haben (medizinische Behandlung, "Rettung" aus Notsituationen, etwa Absturz usw.).
Wenn man überlegt, sich Vögel anzuschaffen, die im Haus in einem bewohnten Zimmer frei fliegen sollen und man hätte die Wahl zwischen zahmen (nicht "vorgezähmten", sondern solchen, die zahm werden können, immer mit der Idee, dass zahm werden = Vertrauen fassen bedeutet) und solchen, die scheu sind/ bleiben, dann würde man aus meiner Sicht für sich (ja! auch für sich!) und für die Vögel die zahmen Vögel wählen.
Allein schon das Problem, scheue Vögel nicht rechtzeitig in die
Voliere zu bekommen, wenn es nötig ist, kann ja beide Seiten ziemlich stressen.
Ängstliche Vögel, die im Zimmer fliegen, sind kein schöner Anblick, weil man die Angst auch sieht, und sie haben nicht so viel vom Leben, weil sie immer aufpassen müssen, ob eine Gfahr kommt, also der Mensch durchs Zimmer geht oder so.
Also die Aussicht, dass ein Vogel zahm werden kann, erleichtert beiden Seiten das Leben.
Ich denke oft an den Hamster meiner Freundin.
Sie hatte ihn mit ca. 12 Jahren bekommen, hatte ein ganz kleines Zimmer vollgestopft mit Spielzeug und Schrankwänden an allen verfügbaren Wänden.
In der ersten Woche ist der Hamster aus dem Käfig entwischt beim Saubermachen und wurde erst ein halbes Jahr später tot hinter einer der Schrankwände gefunden.
Das Problem wäre dort nicht zu vermeiden gewesen, fürchte ich, aber hätte man ihn nach und nach gezähmt, wäre die Gefahr, dass so etwas passiert, immer weiter verringert worden (wenn ich mit Klein-Nagern clickern würde, würde ich ihnen als erstes beibringen, immer mal wieder in die Zimmermitte zu kommen...).
Tiere, wie hier Nager,die gar nicht zahm werden, sind in so einer Situation verloren; andere hätte man evtl. zurück rufen oder locken können.
Zahmheit kann also für beide eine Beruhigung und evt. Voraussetzung für ein stressfreieres Leben sein und muss nicht bedeuten, dass man das Tier komplett den Wünschen des Menschen angleichen will.
Ich habe durch die "Zahmheit" meiner Vögel jetzt endlich mit ihnen zusammen gelernt, sie mal zu greifen/ "fangen".
Wir üben das täglich und im Notfall ist es dann hoffentlich weder für sie noch für mich Stress, jedenfalls kein so großer, dass sie vielleicht den Weg zum Ta nicht mehr schaffen.
Ebenso kann ich ihnen jetzt im Notfall Füße berühren/ verbinden/ na ja, abtupfen wenigstens und etwas aus der Spritze geben, so dass auch evtl. VErletzungen oder Medivergabe nicht zu Stress führen muss.
Für beide, finde ich, ein Vorteil, und für Menschen wie mich, die höllische Angst davor haben, so einen kleinen Vogel beim Fangen oder Behandeln zu verletzten eine große Beruhigung, und, ja tatsächlich eine Voraussetzung um die Vögel (ohne Angst vor bestimmten Situationen) zu halten.
Zum Vergleich:
Als meine ersten Vögel zum TA mussten, sah das so aus:
Freiflug, Käfig zu, kleinerer Käfig auf, Hirse rein, einen Nachmittag völlig gestresst warten.
Wobei der Stress auf beiden Seiten lag, denn die Vögel wussten ja auch nicht, was da los war.