Hallo Ypsilonia!
Ich habe mir dein Amazonen-Mädchen auf dem Foto angeschaut, und ich finde die Kleine auch bildhübsch. Und jetzt möchtest du ihr einen Partner geben?
Nun, über die beste Kombination gibt es unterschiedliche Meinungen. Letztendlich kann man als Halter ohnehin nur eine Wahl treffen nach jenen Richtlinien, von denen man glaubt, dass sie den Bedürfnissen aller Beteiligten am nächsten kommen und damit die besten Aussichten auf eine glückliche Verpaarung erfüllen. Aber unterm Strich sind es dann die Amazonen selbst, die entscheiden, ob ihnen der Partner gefällt und wie weit sie sich auf ihn einlassen wollen. Mit anderen Worten: Man wird ausprobieren müssen. Bei den einen klappt die Verpaarung auf Anbieb; die Vögel scheinen nur auf einander gewartet zu haben, während die anderen länger brauchen zum Kennenlernen. Die dritte Gruppe wird sich zwar gegenseitig tolerieren, doch ohne große Anziehungskraft nebeneinander herleben, und die vierte Gruppe schließlich wird sich immer spinnefeind bleiben, so dass man von einer geglückten Vergesellschaftung nicht mehr sprechen kann. Aber so sind Amazonen eben: Sie haben ihre eigenen Vorstellungen von einer schönen Partnerschaft.
Als Halter kann man jedoch versuchen, bestimmte ungünstige Faktoren von vornherein auszuschließen. So würde ich grundsätzlich einer noch nicht geschlechtsreifen Henne keinen geschlechtsreifen Hahn vorsetzen. Das könnte zu Aggressionen führen, wenn sich der balzende Hahn bei dem noch unbedarften Mädchen sein Recht einklagen will. Ich würde daher die Kombination älteres Weibchen/jüngeres Männchen vorziehen. Das würde ja auch in deinem Fall zutreffen, denn um sicher zu gehen, dass es hier nicht zum Ungleichgewicht kommt, sollte der neue Partner aus dem gleichen Geburtsjahr sein oder - um noch sicherer zu gehen - aus dem Jahr davor.
Damit habe ich gleichzeitig schon verraten, was ich noch für wichtig halte, nämlich die Kombination "gegengeschlechtliche Partner derselben Amazonen-Art". Es gibt zwar genügend Beispiele von harmonierenden Vergesellschaftungen von zwei Hähnen oder zwei Hennen, wobei der eine vielleicht eine Blaustirn-Amazone ist und der andere eine Venezuela-Amazone, und es gibt keinen Grund, solche Vorlieben zu verurteilen, doch hat man die Wahl als Halter und will man sich möglichst nahe an dem Verhalten in freier Natur orientieren, so wird man mit einem gegengeschlechtlichen Paar derselben Art die besten Chancen haben.
Die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt würde ich bei einem Tier, das sich in seinem Zuhause eingelebt hat, so beantworten: jetzt sofort. Denn für eine Verpaarung ist es ja nicht Vorraussetzung, dass sich der erste Vogel erst gut mit seinem Menschen verstehen muss, bevor er einen Artgenossen bekommen darf. Die beidenTiere sollen ja in erster Linie
untereinander klarkommen, und das Verhältnis zum Halter sollte dabei in den Hintergrund rücken. Je eher ein Einzelvogel einen Partnervogel erhält, desto größer ist die Aussicht, dass sie sich rasch miteinander arrangieren. Denn dein Einwand ist nicht ganz unbegründet: Eine Amazone, die lange nur mit ihrem Halter zusammengelebt hat, ist auf ihren Menschen fixiert und wird möglicherweise im ersten Moment nicht allzu viel anfangen können mit einem Artgenossen. Das muss aber nicht heißen, dass damit die gesamte Vergesellschaftung gescheitert wäre. Man sollte sich lediglich auf eine längere Kennenlern-Phase einstellen und den beiden die neue Situation eventuell erleichtern, indem man sich als Halter erst einmal unsichtbar macht, um dem Erstvogel die Fixierung auf den Menschen zu entziehen. Es kann in solchen Fälen natürlich zu Problemen kommen, und es ist realistisch, sich darauf einzustellen, doch fände ich es falsch, daraus jetzt den Schluss zu ziehen, dass man es lieber gleich ganz sein lassen sollte mit dem Verpaarungsversuch. Amazonen sind Schwarmtiere, und deshalb sollte man ihnen immer die Chance geben, mit einem Artgenossen glücklich zu leben.
Ich sehe also keinen Grund, deiner Kleinen nicht jetzt sofort einen Partner zu suchen. Ich selbst war damals in einer ähnlichen Situation wie du. Mein Mädchen, mit dem ich erst allein gewesen bin, war 2 Jahre alt, als Max zu uns kam. Er ist genau ein Jahr jünger. Mein Pärchen gehörte leider nicht zu der Liebe-auf-den-ersten-Blick-Gruppe, sondern im Gegenteil, es hat sich gekloppt und über die
Voliere gejagt, und zwar mit einer Ausdauer, dass ich dachte, das würde nie was werden mit den beiden. Ich war damals ziemlich ratlos. Doch nach etwa vier Monaten hat sich das Hierarchie-Gerangel gegeben, und heute gehen beide nicht mehr ohne grüne Begleitung vor die Tür. Sobald der eine den andern nicht mehr sieht, ist das Geschrei groß. Für diese schöne Gewissheit, dass die zwei sich etwas bedeuten, hat sich der problembeladene Verpaarungsversuch allemal gelohnt.
Meine Mia ist mit genau zwei Jahren in die Pubertät gekommen und lebt erste erotische Anwandlungen aus. Das geht aber ohne weitere Störungen ab, denn was kann sie schon ausrichten, außer dem verdutzten Max ihren Hintern hinzuhalten? Er geht nicht darauf ein - fertig. Mias Anwandlungen verpuffen einfach im Nichts. Wäre es umgekehrt, würde bei dem stürmischen Selbstbewusstsein, das Max an den Tag legt, hier sicher die Hölle los sein. Ich bin heilfroh, dass der Junge bei uns jünger ist als das Mädchen.
Auf eine Sache sollte ich doch noch aufmersam machen: Es gibt, wie du sicher weißt, Amazonen aus Wildfängen, aus Naturbruten und aus
Handaufzuchten. Ich persönlich lehne es ab, bei diesem großen Angebot an Amazonen, die bei uns in Deutschland geboren sind, einen Vogel zu kaufen, der in seinem Heimatland eingefangen und exportiert wurde. Aber diese Gewissensentscheidung muss jeder für sich selbst beantworten. Ich bevorzuge Naturbruten, weil diese ihr Amazonen-Latein noch von den eigenen Eltern gelernt haben und sich daher wahrscheinlich problemloser auf andere Artgenossen einstellen können. Zahm werden sie in der Regel auch. Ich halte es für ein Ammenmärchen, dass Naturbruten nur einen schlechten Zugang zu ihrem Halter fänden. Meine Mia z.B. ist eine Naturbrut, und von den drei Amazonen, die ich bisher als Kinder bekommen habe, war sie die freundlichste, gelehrigste und pflegeleichteste.
Handaufzuchten dagegen werden gerne genommen, gerade weil sie von Anfang an auf den Menschen geprägt sind und daher wahrscheinlich am wenigsten Zeit brauchen werden, um auch bei ihrem neuen Halter zahm zu werden. Das ist sicher ein schöner Vorteil, aber
Handaufzuchten bergen auch den Nachteil, dass ihre Menschenfixierung sie vielleicht daran hindert, sich mit einem plötzlich dazugesetzten Artgenossen zu beschäftigen. Doch auch hier gibt es Unterschiede. Ich will
Handaufzuchten nicht pauschal verurteilen, denn es kommt darauf an,
wie diese Amazonen ihre früheste Kindheit verbracht haben. Mein Max z.B. ist mit einem Geschwister aufgewachsen. Die beiden lebten zwar nicht zusammen mit den Eltern in einer
Voliere, sondern im Haus des Züchters, aber der Kontakt zu einem Artgenossen war von Anfang an da. So hatte Max dann auch keinerlei Probleme, mit Mia zu kommunizieren, als er zu uns kam. Verständigungsprobleme im Sinne nicht gelernter Amazonen-Regeln gab es bei den beiden nicht.
Du siehst, Amazonen sind komplexe Tiere mit individuellen Vorstellungen und manchmal kapitalen Dickschädeln, doch wie ich aus deinen eigenen Worten herauslese - sie sind soooooo liebenswert! Gönne deiner süßen Maus einen Partner, und du wirst sicher bald nicht nur auf eine Amazone stolz sein, sondern auf zwei.
Viele Grüße
Rinus.